Höhere Anforderungen
Schwangere mit einer Frühgeburt in Brandenburg müssen ab 2024 für eine Spezialklinik wohl in ein anderes Bundesland reisen. Grund dafür sind höhere Anforderungen an die Stationen. Die Brandenburger Gesundheitsministerin will dies nicht hinnehmen.
Drei spezialisierte Frühchen-Stationen in Brandenburg könnten ab kommendem Jahr nicht mehr die nötigen Anforderungen erfüllen, um besonders kleine Frühchen zu versorgen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), in dem Ärzteschaft, Krankenkassen und Krankenhäuser medizinische Standards in Deutschland festlegen.
Der G-BA hatte schon 2020 entschieden, dass der Standard für die bestausgestatteten Frühchen-Stationen steigen soll. Demnach muss ein Krankenhaus zukünftig im Jahr mindestens 25 Frühchen behandeln, die weniger als 1.250 Gramm bei der Geburt wiegen, um als sogenanntes Frühchen-Zentrum Level 1 zu gelten. Das soll sicherstellen, dass diese Zentren über ausreichend Erfahrung und Routine verfügen.
Zurzeit gibt es in Brandenburg noch in Potsdam, Cottbus und Brandenburg an der Havel Frühchen-Zentren, die Frühchen unter 1.250 Gramm behandeln können. Der Frühchen-Station in Frankfurt (Oder) war in diesem Jahr der Status bereits aberkannt worden, weil sie nicht genügend Behandlungsfälle vorweisen konnte. Dort können dank einer Ausnahmegenehmigung des Landesgesundheitsministeriums dennoch weiterhin Risikoschwangere und Frühgeburten versorgt werden, heißt es aus dem Klinikum.
Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) kritisierte die Regelung. Es sei zu befürchten, dass man in Brandenburg 2024 in keinem dieser Zentren die Zahl von 25 Fällen pro Jahr erreiche, sagte Nonnemacher dem rbb.
Wege für Frauen und deren Familien würden sehr viel weiter, wenn solche Frühchen künftig nur noch etwa in Berlin oder Dresden behandelt werden könnten. Außerdem habe der Wegfall Konsequenzen für die Attraktivität der Kliniken. "Die Ausbildung von Pflegepersonal oder Hebammen wird dadurch beeinträchtigt. Auch junge Ärzte in der Weiterbildung möchten Erfahrungen an so einem Zentrum sammeln", sagte Nonnemacher.
Mit diesen Argumenten hatten sich das Brandenburger Gesundheitsministerium gemeinsam mit sechs weiteren Länder-Gesundheitsministerien an den G-BA gewandt. Sie forderten, die Übergangsfrist mindestens zu verlängern. Der Antrag fand im G-BA am Donnerstag allerdings keine Mehrheit.
Für Karin Maag, unparteiisches Mitglied im G-BA, führt kein Weg an der Erhöhung der Mindestmengen vorbei. "Wenn Sie Eltern vor die Wahl stellen, ob sie 50 Kilometer fahren wollen, dafür aber die bestmögliche Behandlung bekommen, dann werden sich die Eltern immer dafür entscheiden", so Maag gegenüber dem rbb.
Die Versorgung von kleinen Frühchen stelle an Ärzte- und Pflegepersonal hohe Anforderungen, für die man viel Erfahrung brauche. "Wenn man gewährleisten will, dass Frühchen besser versorgt werden können und dass sie weniger bleibende Schäden davontragen oder gar sterben - dann muss man die Mindestmenge erhöhen."
Nonnemacher hält dagegen, dass die Brandenburger Frühchen-Stationen im guten Bundesdurchschnitt lägen, was Sterblichkeit, Infektionen oder sonstige Komplikationen betreffe. Man werde nun das Gespräch mit den Krankenkassen suchen. Die können in den Bundesländern auch Ausnahmen von der Mindestmenge zulassen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 21.07.2023, 18:30 Uhr
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