Zusatzversicherung
Untersuchungen zur Krebs-Früherkennung können Erwachsene in Deutschland freiwillig machen, die Krankenkassen zahlen. Seit Neuestem gibt es eine Zusatzversicherung, die man nebenbei beim Shoppen abschließen kann. Was ist an ihr dran? Von Ursula Stamm
Kaffee trinken, Haushaltszubehör kaufen und schnell noch eine Versicherung abschließen – bei einer großen Kaffeekette ist das jetzt möglich. Knapp 20 Euro im Monat kostet die Zusatzversicherung zur Früherkennung von Krebs. Klingt einfach und bequem – aber was soll das überhaupt?
Zentraler Bestandteil der privaten Zusatzversicherung ist ein jährlicher Bluttest, der allerdings nur in bestimmten Arztzentren durchgeführt werden kann. Bei diesem Bluttest wird nach bestimmten Biomarkern gesucht, und zwar nach Enzymen (TKTL1, Apo10), die vermehrt von Krebszellen gebildet werden. Andere Bluttests auf Krebs suchen zum Beispiel nach der DNA von Tumorzellen. Damit kann aber nur eine begrenzte Anzahl von Krebsarten gefunden werden.
Der Krebs-Scan des Herstellers Zyagnum wirbt damit, dass Hinweise auf alle Krebsarten festgestellt werden können.
"Ich warne davor, dass man einen positiven Bluttest direkt mit der Diagnose Krebs verbindet", sagt der Molekularbiologe Michael Hummel von der Berliner Charité. Sind die Biomarker erhöht, bekommen die Patientinnen und Patienten zeitnah ein Termin für eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Positronen-Emissions-Tomographie-Computertomographie (PET-CT), um eine Erkrankung sicher zu diagnostizieren – damit können Krebsherde im gesamten Körper nachgewiesen werden.
Gezahlt werden die Untersuchung und eine erste telemedizinische Betreuung von der Zusatzversicherung. Wird eine Krebstherapie notwendig, sind alle weiteren Behandlungen wieder Leistungen der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen.
Die Werte der Biomarker können durch verschiedene Faktoren erhöht sein – akute Infektionen, Impfungen, frische Tätowierungen sowie chronische Erkrankungen oder nicht verheilte Wunden. Aus diesen Gründen kommt der Test kurz- oder langfristig für einige Menschen nicht in Frage
Der Krebs-Scan ist keine Krebsversicherung im üblichen Sinn – die gibt es auch, und bei der wird im Fall einer Krebserkrankung einfach eine bestimmte Summe ausgezahlt, über die Versicherte dann frei verfügen können.
Die Zusatzversicherung "Pantum Detect" wird online auch von einem großen Kaffee- und Konsumgüterunternehmen angeboten. Vorsorge passt neben Fitness gut ins Portfolio. Die monatlichen Kosten sind abhängig von individuellen Faktoren der Versicherten.
Vor Abschluss der Versicherung werden Gesundheitsfragen gestellt, zum Beispiel nach Krebserkrankungen in den vergangenen zehn Jahren. Verbraucherverbände weisen darauf hin, dass es wichtig sei, diese Fragen korrekt zu beantworten. Komme es hierbei zu Fehlern, könne der Versicherer eine Verletzung der so genannten vorvertraglichen Anzeigepflicht geltend machen - und im Schadensfall vom Vertrag zurücktreten [verbraucherzentrale-berlin.de]
Der "Pantum Detect"-Test sucht nicht gezielt nach bestimmten Krebsarten, wie das beispielsweise bei Früherkennungs-Untersuchungen auf Brustkrebs oder Darmkrebs der Fall ist. Allerdings gibt es nur für einen kleinen Teil der rund 300 Krebsformen überhaupt einen Früherkennungs-Test. "Deswegen brauchen wir für die anderen Krebsarten ein Screening-Verfahren", sagt Ralf Schierl, Vorstand der Zyagnum AG, des Unternehmens, das den Test entwickelt hat.
In Zukunft seien Weiterentwicklungen denkbar, die verschiedene Biomarker und Nachweismethoden miteinander kombinieren, sagt Michael Hummel von der Berliner Charité. Einen solchen Test gebe es zum Beispiel schon in den USA, ergänzt Michael Hummel.
In einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf von Mai 2022 wurden mehr als 5.000 gesunde Probandinnen und Probanden im Alter von 50 bis 70 Jahren mit dem neuartigen Test untersucht.
Bei knapp vier Prozent von ihnen ergaben sich erhöhte Werte der entsprechenden Enzyme im Blut, worauf sie mit einer MRT beziehungsweise PET-CT weiter untersucht wurden. Bei 82 Prozent aus dieser Gruppe wurde ein symptomloser, unerkannter Krebs oder eine Krebsvorstufe entdeckt – und zwar 29 verschiedene Krebsarten.
Laut der Hamburger Studie lassen sich mit dem Test also unentdeckte Krebserkrankungen finden. Anders herum könne eine Krebserkrankung aber auch sicher ausgeschlossen werden.
Vor allem, was den sicheren Ausschluss einer Erkrankung angeht, äußert Ulrich Keilholz, Leiter des Charité Comprehensive Cancer Centers, Zweifel. "Bei 4.878 Patienten fiel der Bluttest negativ aus, diese Patienten sind aber in keiner Weise nachuntersucht worden. Das heißt, wir wissen von diesen Patienten nicht, wie viele dieser Menschen in den nächsten Monaten vielleicht doch eine Tumorerkrankung entwickelt haben."
Dadurch bestehe die Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, ergänzt der Keilholz. "Die Veröffentlichung ist in einem Journal für medizinische Bildgebung erschienen, das normalerweise keine Studien veröffentlicht." Sie entspreche nicht den Standards für klinische Studien und sei sehr schnell nach der Einreichung schon veröffentlicht worden.
Auch das Versprechen des Tests, Krebs schon in sehr frühen Stadien zu erkennen, hält der Onkologe nach eigener Aussage für zu hoch gegriffen. "Ich würde bezweifeln, dass dieser Test die Vorstufen von Tumoren wirklich erkennen kann, sondern erst dann, wenn Blutzellen mit Tumorzellen in Kontakt gekommen sind", sagt Ulrich Keilholz.
Aus diesen Gründen rät der Onkologe vom Abschluss einer solchen Krebs-Versicherung eher ab. Wer es trotzdem tun wolle, sollte auf keinen Fall auf die üblichen Krebs-Früherkennung-Untersuchungen verzichten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.2023
Beitrag von Ursula Stamm
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