Lachgas-Trend in Berlin? - Gar nicht zum Lachen

Sa 29.07.23 | 08:06 Uhr | Von Kira Pieper
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Symbolbilod: Ein junger Mann hält eine Cartridge mit dem Lachgas (Quelle: IMAGO/Tesson/Andia)
Video: rbb24 Abendschau | 26.07.2023 | Margarethe Neubauer | Bild: IMAGO/Tesson/Andia

Kurz an dem Ballon gezogen und schon geht's los mit dem Lachflash: Lachgas ist günstig, leicht zu bekommen und legal. Dann ist der Konsum schon ok, könnte man meinen. Die Wahrheit ist jedoch: Lachgas ist gefährlich. Von Kira Pieper

Tiktok ist voll von vermeintlich lustigen Videos: Junge Menschen, die Lachgas konsumieren und sich dann krümmen vor Lachen [tiktok.com]. Aber auf der Plattform kursieren auch Videos, die weniger witzig, dafür aber besorgniserregend sind: Zum Beispiel das einer jungen Frau, die mit der einen Gesichtshälfte lacht, während die andere Gesichtshälfte völlig bewegungslos ist. Weil sie nach dem Lachgaskonsum eine halbseitige Gesichtslähmung hat [tiktok.com].

Das Phänomen Lachgas ist nicht neu. Bereits 1772 wurde es entdeckt, dann wurde es recht schnell in Großbritannien von der Oberschicht auf "Lachgaspartys" konsumiert. Im Lauf der Jahrzehnte ebbte die Begeisterung an dem Stimmungsaufheller immer mal wieder ab und flammte dann wieder auf. Zuletzt in den 1970er-Jahren. Nun erlebt es offensichtlich ein erneutes Comeback.

Lachgas: In Deutschland offiziell keine Droge

In Deutschland fällt Lachgas nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, gilt also offiziell nicht als Droge. Damit sind Konsum und Verkauf erlaubt, aktuell gibt es noch nicht mal eine Altersbeschränkung.

Eigentlich heißt Lachgas Distickstoffmonoxid. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beschreibt es in ihrem Drogenlexikon als farblos und süßlich riechend [drugcom.de]. Ursprünglich wurde es im medizinischen Bereich genutzt, um Schmerzen zum Beispiel bei Zahn-OPs oder während der Geburt zu lindern.

Konsumenten können ersticken

Durch die stimmungsaufhellende Wirkung wird Lachgas aber auch als Partydroge genutzt. Einmal an einem Lachgas-Ballon gezogen oder aus einer Sahnespenderkapsel inhaliert und schon versetzt es den Konsumenten nach wenigen Sekunden in einen Rausch. Dieser hält allerdings nur wenige Minuten an.

Hajo Haase, Toxikologe an der TU Berlin, erklärt auf Nachfrage von rbb|24, was beim Lachgas-Konsum im Körper passiert: "Beim Einatmen wird das Gas relativ schnell über die Lunge in das Blut aufgenommen", sagt er. Ab einem Anteil von 90 Prozent in der Atemluft werden Konsumenten bewusstlos. Und das kann schnell passieren: "In der Lunge ist immer nur Platz für eine bestimmte Menge Gas. Wenn die Lunge komplett voll ist mit Monoxid, kann es ein, dass Sie einfach ersticken, weil Sie keinen Sauerstoff mehr einatmen und Sie nur noch Lachgas in der Lunge haben."

Resultat: Es kommt zu Bewusstlosigkeit, durch den Sauerstoffmangel kann das Gehirn geschädigt werden. Auch die BZgA warnt: Bei häufigem Konsum können die inneren Organe und das Nervensystem geschädigt werden.

640 Gramm Lachgas für 25 Euro

Mahmud ist Besitzer eines Tabakladens am Görlitzer Park. Seit diesem Februar hat er auch Lachgas im Sortiment. Die Käufer seien sehr jung, sagt er: "Vor allem zwischen 19 und 22 Jahren." Zwar gebe es keine Altersbeschränkung für Lachgas, dennoch lasse er sich den Ausweis zeigen und verkaufe nur an Konsumenten über 18 Jahre. Denn: Er halte Lachgas für schädlich und würde deswegen auch nicht wollen, dass sein kleiner Bruder das nehme.

Mahmud sagt aber auch: "Die zeigen mir ihren Perso, ich verkauf denen das und fertig ist. Dann können die machen, was sie möchten. Das ist deren Sache." Sein Eindruck: Die Nachfrage nach Lachgas steige. Manchmal verkaufe er 20 Lachgasflaschen am Tag, sagt er rbb|24. Manche Konsumenten kämen mehrfach am Tag. Ob er sich erklären könne, warum die Nachfrage so steige? "Wegen Tiktok", antwortet er sofort.

25 Euro kostet die 640-Gramm-Lachgas-Flasche in Mahmuds Laden. Nach Wahl entweder geschmacklos oder mit Kokos- oder Erdbeer-Geschmack. Da schraube man einen Anschluss drauf und könne dann Ballons füllen, erklärt er. Eine Flasche reiche für eine Tüte Ballons.

Keine sichere Dosierung möglich

Viele glauben, dass die Dosierung über Ballons sicher ist. Doch eine sichere Dosierung gibt es nicht, wie es in dem Bericht der Europäischen Drogenstelle EMCDDA von 2022 heißt [emcdda.europa.eu]. Auch Toxikologe Haase warnt: Da die Wirkung nur kurz anhalte, wollen Konsumenten schnell mehr davon. "Und dann kann man relativ schnell in Probleme geraten." Zwar sei keine körperliche Abhängigkeit von Lachgas möglich, sagt der Experte, aber eine psychische.

In dem EMCDDA-Bericht wird der Missbrauch von Lachgas als "wachsendes Problem" in Europa eingestuft. Eine darin aufgeführte Statistik zeigt: Die Anzahl der Schäden durch Lachgas ist seit 2017 sprunghaft angestiegen [emcdda.europa.eu].

Lachgas ist in einigen Ländern verboten

Mehrere europäische Länder schätzen die Risiken ebenfalls als bedenklich ein und haben deswegen bereits reagiert. Im Vergleich zu Deutschland sind sie wesentlich strenger beim Umgang mit Lachgas: In den Niederlanden ist es seit diesem Jahr verboten. Auch in Dänemark gelten seit Kurzem strengere Regeln. Und auch Großbritannien diskutiert bereits über ein Verkaufsverbot.

Berlin sieht bisher keinen Handlungsbedarf in Bezug auf Lachgas. Auf Nachfrage erklärte die Berliner Polizei: Es gebe keine Statistik zu Notrufen und Einsätzen in Zusammenhang mit Lachgas. Denn: Grundsätzlich stelle der Konsum von Lachgas zu Rauschzwecken in Berlin kein nennenswertes Phänomen dar, heißt es in der schriftlichen Antwort. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit erklärte rbb|24 auf Nachfrage: Es gebe diesbezüglich keine Statistik.

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

32 Kommentare

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  1. 32.

    Nochmal: Es ist grundnaiv Haschisch oder Cannabis mit Meth oder Heroin gleichzusetzen und zeugt von enormer Unkenntnis. Dass das eine Droge ist und das andere Genussmittel ist ihre persönliche Auffassung und keine Einteilung a priori. Und nennen Sie gerne Studien in welchen der "Genuss" von/die Sucht nach Tabakwaren irgendwelche positiven Aspekte mit sich bringt(außer für die Rentenbeiträge wegen der früheren Sterblichkeit der Abhängigen)

  2. 31.

    >“ Opium ist genau wie Hash und Kokain seit Jahrtausenden genutztes Kulturgut..
    Opium, Hash und Kokain wurden eigens nur für den Rausch und gaaaanz früher zur Schmerzlinderung genutzt. Nur für den Rausch! Während der Alkohol zuerst in geringer Konzentration quasi der Desinfektion von lebenswichtigen Getränken diente. Reines Trenkwasser wie heute gab es nicht überall. Herr Bietvernichter… erkundigen Sie sich zur Geschichte des Bieres! Sie wissen ja… die alten Ägypter und Mönche Europas…

  3. 29.

    Ich schrieb nicht von Tabak und Alkohol, sondern von Alkohol. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Und kommen Sie mir nicht mit dem Schwachsinn, das sei ein Genussmittel. Das ist eine Droge. Informieren Sie sich doch einfach.

  4. 28.

    Mahmud hält Lachgas für schädlich und verkauft sie in seinem Tabakladen? Wenn das Geschäft damit gut läuft, drückt man beide Augen zu? Kleine Brüder von Kunden sind ihm egal? Was für eine Moral!

  5. 27.

    Ich wäre fast auf Ihr, toberg, Geflunker reingefallen und hätte Ihnen bei Heroin Recht gegeben, aber Opium ist genau wie Hash und Kokain seit Jahrtausenden genutztes Kulturgut. Meth wurde zumindest von der Wehrmacht wegen der Wirkung und nicht wegen des Suchtpotenzials verteilt.

  6. 26.

    Genau, und wenn der Babynahrungswerbeonkel vor einem 1 ha großen Feld posiert, glauben sie auch, dass von den Erträgen halb Europa satt wird. Bloß nicht selber nachdenken, zum Beispiel über Genussmittel und dass sie zu Suchtmitteln werden können. Das gilt auch für Nahrungsmittel, die nicht satt aber fett machen, die Riesentüte Popcorn im Kino mal als Beispiel.

  7. 25.

    Aufklärung und nicht Verbote ...
    Letzte Woche war im Fernsehen eine Sendung von jungen Müttern.
    Eine Mutter erklärte den anderen, dass Fertigprodukte für Kleinkinder "unschädlich" sind, sonst würden diese ja nicht verkauft werden.
    Also, wenn große Kartuschen mit Lachgas verkauft werden, kann's ja nicht ungesund sein ;-(

  8. 24.

    Noch mal: Alkohol und Tabak wird zur Droge, wenn man den Konsum nicht unter Kontrolle hat. In erster Linie sind dies Genussmittel wie Zucker, Fett und alles, was in Massen schädlich ist. Dagegen sind Hasch, Meth und Co von Anfag an Drogen und werden als diese auch gehandelt.

  9. 23.

    Wir müssen überhaupt da hinkommen, wie es weiter östlich schon immer war: Es ist alles verboten, auch wenn es ausdrücklich erlaubt ist.

    #alarmierendeerkenntnisse/entwicklungen #dringenderhandlungsbedarf #esmusseingesetzkommen

  10. 22.

    Da sind Sie wieder, die sofort einen Kreuzzug anführen. "Der Besitz von Lachgas sollte unter Strafe gestellt werden." Leider kann man Dummheit nicht unter Strafe stellen.
    Wie "T" schon schrieb: "Die Leute sind doch alt genug!"
    Und warum das Geschrei? Wenn Cannabis legalisiert wird, ist der Trend mit dem Lachgas auch vorbei und eine neue Sau wird durch das Dorf getrieben.
    Eines sollte uns aber nachdenklich stimmen, warum unsere Jugend alles unternimmt, um die Welt dadraußen zu vergessen.

  11. 21.

    Erst wenn etwas gravierendes passiert oder die Statistiken "stimmen", wird gehandelt ;-(

  12. 20.

    Stimmt, die Tabakindustrie hat gar kein Interesse dass die Konsumenten abhängig werden. Und die abertausenden Krebspatienten im Endstadium und Alkoholiker mit Fettleber haben wirklich ein kulturell wetvolles Genussmittel genossen.

    Jeglichen Vergleich von legalen und illegalen Drogen abzutuen, sowie Haschisch und Heroin gleichzusetzen, ist schlichtweg grundnaiv. Berlin ist halt nicht Bullerbü.

  13. 19.

    Ich kann es ja kaum glauben!
    Ich habe meinem Mann im Spaß immer unterstellt, heimlich Lachgas zu schnüffeln, weil er immer so viel lacht. Das es Menschen gibt, die das heutzutage wirklich noch machen, hätte ich nicht gedacht.

  14. 18.

    OK also ein gefühltes Problem ohne statistische Grundlage und sehr geringem Risiko das größtenteils Erwachsene betrifft. Klar, da muss sofort Hubschrauber-Einsatz erfolgen.

  15. 17.

    >“ Aber wozu braucht Otto-Normalverbraucher Lachgas?“
    In der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr. Meine Oma hatte noch so nen Sahnesyphon. Aber selbst der wurde mit ner CO2 Patrone auf Druck gebracht. Diese Teile mit Lachgas sind echt von gestern und können eigentlich weg.

  16. 16.

    Zitat:“ Mahmud ist Besitzer eines Tabakladens am Görlitzer Park. Seit diesem Februar hat er auch Lachgas im Sortiment. Die Käufer seien sehr jung, sagt er: "Vor allem zwischen 19 und 22 Jahren." Zwar gebe es keine Altersbeschränkung für Lachgas, dennoch lasse er sich den Ausweis zeigen und verkaufe nur an Konsumenten über 18 Jahre. Denn: Er halte Lachgas für schädlich und würde deswegen auch nicht wollen, dass sein kleiner Bruder das nehme.“

    Da zeigt sich mal wieder, dass es dem Verkäufer eben doch auf den Profit ankommt. Fehlte nur noch das Argument, dass es eben bei anderen gekauft wird, wenn er es nicht anbietet.

  17. 15.

    Natürlich nicht.
    Alles Sachen, die der Heimwerker auch braucht.
    Aber wozu braucht Otto-Normalverbraucher Lachgas?
    Zu nix.

  18. 14.

    >“ Vielleicht ist es bei vielen jungen Menschen nur der Wunsch, irgendeiner Gruppe zugehörig zu sein oder zu werden.“
    Das sicher auch. Dann kommen noch Gruppendynamik bei neuen Trends hinzu und die Langweiligkeit des bisherigen. Es muss immer noch ein Kick mehr sein. Nicht nur dieser eine, sondern zusätzlich! Zum Alkohol und Tütchen rauchen jetzt noch zusätzlich als nächster Kick schnell mal ne Priese Lachgas schnüffeln. Die Spätis in Berlin haben den Markt erkannt und bieten rund um die Uhr dieses Haushaltszubehör für Sahnesyphons.

  19. 13.

    Ich bin für ein großzügigeres Werbeverbot, denn der Staat und damit jeder einzelne hat eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitbürgern.

    Deshalb versteht es sich eigentlich von selbst, daß frei erhältliche und potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe wie Lachgas, genau wie Alkohol und demnächst Cannabis keinesfalls beworben werden dürfen, denn in der Folge mehrbelastet der durch Werbung steigende Konsum immer auch ein Stück die Gesundheits- und Sozialsysteme, beeinflußt Familien- und Sozialgefüge.

    Vielleicht darf ich es noch erleben, daß einer anscheinend viel zu einflußreichen Lobby diesbezüglich irgendwann konsequent die Daumenschrauben angelegt werden, denn es ist der Jugend nicht vermittelbar, daß z.B. um Fussballübertragungen herum Werbung für Bier gemacht werden darf, während die freie Verfügbarkeit von Cannabis selbst heute noch von großen Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt wird. In "Zudröhnfragen" wünsche ich mir unbedingte Gleichbehandlung und Toleranz.

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