Rapper und Ex-Geschäftspartner
100. Tag im Prozess des Rappers Bushido gegen seinen Ex-Geschäftspartner: Nach knapp dreijähriger Verhandlung scheinen wichtige Vorwürfe gegen den angeklagten Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder nicht mehr haltbar. Ein Resümee. Von Ulf Morling
Hochsicherheitsbedingungen im Schwurgerichtssaal 500 des Kriminalgerichts Moabit auch am 100. Verhandlungstag, der nur eine knappe Stunde dauert: Der frühere Bushido-Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker (47) und drei seiner Brüder wirken wie meistens scheinbar entspannt und guten Mutes, dass die Berliner Staatsanwaltschaft wieder nicht das erreichen wird, was sie schon seit Jahren zu verfolgen scheint: eine empfindliche Verurteilung Abou-Chakers. Der frühere Geschäftspartner Bushidos soll Millionen mit dem heute 44-jährigen Rapper mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi verdient haben und angeblich der Kopf - so das unseriöse Label - eines sogenannten kriminellen Familienclans sein.
Schon im Juni vergangenen Jahres, am 71. Verhandlungstag, hatte der Vorsitzende Richter Martin Mrosk verkündet, dass nach vorläufiger Beweiswürdigung die Vorwürfe der versuchten schweren räuberischen Erpressung und eine Freiheitsberaubung Bushidos nach derzeitigem Stand nicht nachweisbar sei. Darüber hinaus wird Arafat Abou-Chaker gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Untreue (180.000 Euro) vorgeworfen. Seine Brüder Yasser (39), Nasser (49) und Rommel (42) sollen sich als Mittäter beziehungsweise als Gehilfen an einzelnen Taten beteiligt haben.
Neben Rapper Bushido, den vermummte Personenschützer des LKA zu seiner 25 Prozesstage langen Aussage zu Beginn der Verhandlung begleiteten, waren ebenfalls seine prominenten Kollegen wie Samra, Fler, Ali Bumaye oder Kay One als Zeugen geladen. Ein Grund, warum sich auch nach knapp drei Jahren im Prozess gegen die vier Brüder kein Ende abzeichnete, liege im Verhalten der Zeugen aus der Rapperszene, sagt Gerichtssprecherin Lisa Jani: "Die Moral, hier zu erscheinen vor Gericht, war nicht besonders ausgeprägt, um es vorsichtig zu formulieren." Der Berliner Rapper Fler hatte im Prozess erklärt, aus seiner Sicht seien Bushido und sein Ex-Geschäftspartner ein "perfektes Team" gewesen.
Insgesamt seien bisher über fünfzig Zeugen gehört worden, so Gerichtssprecherin Jani. Unter anderen war im Dezember vergangenen Jahres ein in die Türkei abgeschobener Bekannter sowohl von Arafat Abou-Chaker als auch von Fershishi in einer Videokonferenz nach Izmir gehört worden. Allein die Organisation des Videocalls in das Berliner Landgericht habe neun Monate gedauert, "weil die Türkei nicht besonders hilfreich war in der Vermittlung", so Jani. Der Zeuge hatte in seiner Vernehmung im Dienstzimmer eines türkischen Richters schließlich beteuert, dass Bushido doch der Goldesel seines Ex-Geschäftspartners Abou-Chaker gewesen sei. Deshalb habe man ihn weder erpresst noch im Büro eingeschlossen, um ihn unter Druck zu setzen. Bushidos Vorwürfe seien erlogen.
Sechs Unterbrechungen hatte es im Prozess laut Gerichtssprecherin Jani zudem allein durch Erkrankungen während der Corona-Pandemie gegeben, die bis zu zwei Monaten gedauert hatten.
Bushido und seine Ehefrau Anna-Maria Ferchichi beteuerten in ihren Aussagen als Zeugen, dass in der Geschäftsbeziehung zwischen dem Rapper und seinem angeklagten Ex-Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker Letzterer das Sagen gehabt habe und bis zu 50 Prozent von Bushidos Einnahmen gefordert habe. "Mein Mann hat gemacht, was Arafat wollte", sagte die Anna-Maria Ferchichi. "Das war keine Freundschaft, das war eine völlige Überwachung, ein völliges An-sich-Ziehen aller Dinge."
"Herr Ferchichi ist ein großartiger Erzähler", sagt Abou-Chakers Verteidiger Hansgeorg Birkhoff dem rbb zur langen Prozessdauer. "Man darf nicht vergessen, dass praktisch parallel zu diesem Verfahren noch eine riesengroße publizistische Maschinerie losgetreten wurde mit der filmischen Soap-Dokumentation von Bushidos Wahrheit." Das habe man sich in der Verhandlung noch anschauen müssen um es "gegenzusehen". Mitverteidiger Martin Rubbert betont, dass es im Prozess neben den Tatvorwürfen auch "um die Frage der Glaubwürdigkeit des Haupt- und zum Teil einzigen Belastungszeugen, Herrn Ferchichi, gehe. Heute gebe es "offenbar andere Darstellungen als die, die Herr Ferchichi einmal früher abgegeben hat". Da man den Wahrheitsgehalt prüfen müsse, sei es ein Verfahren mit "sehr umfangreichem Verfahrensstoff".
Nachdem der "Stern" im Februar 2022 über einen Tonmitschnitt berichtet hatte, der heimlich bei einem Treffen des Rappers und seines Ex-Geschäftspartners am 18. Januar 2018 angefertigt worden sein soll, ist die Echtheit des Dokumentes immer noch ungeklärt. Die Verteidigung geht davon aus, dass die Tondatei die Darstellung Bushidos widerlege, dass ihm bei der Zusammenkunft mit seinem Geschäftspartner Abou-Chaker eine halbvolle Wasserflasche aus Hartplastik an den Kopf geworfen und er leicht verletzt worden sei.
Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe vermutet, dass das Gericht sich durch das Auftauchen des Audios genötigt sah, "den Prozess etwas in die Länge zu ziehen", weil es auf das Gutachten über die Echtheit der Tonaufnahme warten musste. "Das waren bis jetzt gut anderthalb Jahre seit dem Erscheinen der Audiodatei". Am 26. Juli soll das Gutachten über das Beweismittel vorgestellt werden, das letztlich mit über die Glaubwürdigkeit der Aussage von Rapper Bushido mit entscheidet. Stimmen seine Vorwürfe gegenüber seinem Ex-Geschäftspartner Abou-Chaker und den mitangeklagten Brüdern? "Ich halte das Audio für gefälscht", sagt Tzschoppe dem rbb. Er hält seinen Mandanten und Nebenkläger im Prozess, Anis Mohamed Ferchichi, für glaubwürdig.
Oberstaatsanwältin Petra Leister sitzt seit weit über vier Jahren an dem prominenten Fall des Rappers Bushido. Die 100-seitige Anklageschrift gegen die vier Abou-Chaker-Brüder schrieb sie im September 2019. Sie sei inzwischen "guter Dinge, dass wir uns langsam aber sicher dem Ende nähern und wir es in diesem Jahr noch schaffen werden, fertig zu werden." Es habe einfach viele Dinge gegeben, die aufzuklären waren, auch um die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu prüfen.
Zum heutigen 100. Verhandlungstag wurden neun neue Prozesstermine abgestimmt bis zum 15. November 2023. Theoretisch könnte dann, aber auch vorher und nachher, das Urteil gesprochen werden.
Sendung: Fritz, 10.07.2023, 14:30 Uhr
Beitrag von Ulf Morling
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