Vermisste in Berlin und Brandenburg - So viele Personen werden in der Region vermisst - und wiedergefunden
Vermisst! Das liest man in Berlin an Hausfassaden, Laternen und in den sozialen Medien. Wie viele Menschen in Berlin und Brandenburg vermisst werden und wie viele von ihnen wieder auftauchen. Von Laura Kingston
Das Kind kommt nach der Schule nicht heim, die Partnerin verschwindet über Nacht. Ein Horrorszenario, das pro Tag Angehörige von 200 bis 300 Personen in Deutschland durchmachen. So viele Fahndungen nimmt die Polizei jeden Tag wegen vermissten Personen auf. In Berlin werden aktuell 93 Menschen vermisst und in Brandenburg zum Stichtag 1. Juli 2023 448 Personen. Minderjährig sind rund 40 Prozent der Berliner Vermissten. In Brandenburg sind es mehr als zwei Drittel. Die Unterscheidung zwischen Unter- und Über-18-Jährigen ist wichtig für die Fahndung, denn: Erwachsene dürfen sich grundsätzlich immer überall aufhalten. Nur, weil jemand nicht nach Hause gekommen ist, gilt er oder sie noch nicht als vermisst.
Unterscheidung zwischen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern
Die Polizei unterscheidet sogar zwischen drei Personengruppen, wenn eine Vermisstenanzeige eingeht: zwischen Kindern (bis einschließlich 13 Jahre), Jugendlichen (14-17 Jahre) und Erwachsen - um einzuschätzen, wie dringlich die Situation eine Suche erfordert und weil die Gesetzeslage bei Minderjährigen eine andere ist als bei Volljährigen.
"Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind, haben das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, auch ohne diesen Angehörigen oder Freunden mitzuteilen." So steht es auf der Internetseite des Bundeskriminalamts (BKA). Das heißt auch, wenn eine als vermisst gemeldete erwachsene Person gefunden wird, darf die Polizei dies gegen ihren Willen niemandem mitteilen. Kurz gefasst: Wer abtauchen will, darf das tun.
Die Polizei leitet nur Fahndungen ein, wenn eine sogenannte "Gefahr für Leib oder Leben" bestehen könnte. Dazu zählt zum Beispiel ein kritischer psychischer Zustand, Selbstmordabsichten, sowie Hilflosigkeit - zum Beispiel bei Krankheiten wie Demenz.
Minderjährige vermisst: Fahndung direkt eingeleitet
Bei Minderjährigen sieht das anders aus: Bei ihnen geht die Polizei grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben aus und leitet nach der Vermisstenmeldung Fahndungen ein. Minderjährige dürfen im Gegensatz zu Erwachsenen ihren Aufenthaltsort nicht frei bestimmen. Sie gelten für die Polizei als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt nicht bekannt ist.
Eine Sprecherin der Polizei sagt dem rbb am Montag, dass jeder Fall höchst indivduell betrachtet wird: Wenn ein Kind vermisst wird, leitet die Polizei andere Maßnahmen ein, als wenn ein Teenager, der schon häufiger ausgebüchst sei, als vermisst gemeldet wird.
So viele Fälle werden aufgeklärt
Von den im vergangenen Jahr 11.452 Personen als vermisst Gemeldeten in Berlin wurden (Stand 31.12.2022) 11.266 Fälle geklärt. Das ergibt eine Aufklärungsquote von 98 Prozent. In Brandenburg wurden 2022 etwa 95 Prozent der Vermisstenfälle aufgeklärt: 3.842 von 4.048 Fällen. Laut einer Sprecherin der Brandenburger Polizei suchte die Polizei durchschnittlich 6 Tage nach der vermissten Person. In Berlin wurde der Großteil der Vermisstenfälle in unter drei Tagen geklärt.
Die Gründe fürs Verschwinden variieren
Zu den Gründen, warum Menschen plötzlich verschwinden, erhebt weder die Brandeburger noch bei der Berliner Polizei eine Statistik. Die Sprecherin aus Brandenburg sagt dazu: "Bei Erwachsenen werden häufig Partnerprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Suizidgefahr, finanzielle und psychische Probleme oder Erkrankungen wie Demenz angegeben. Auch gibt es Personen, die bewusst ihren Lebensmittelpunkt verlassen, um anderswo neu anzufangen." Bei Kindern und Teenagern seien es Probleme mit der Schule und Familie, sowie psychische Probleme, die dazu führten, dass sie ausrissen.
Die Berliner Polizei berichtet, dass Vermisstenmeldungen in den meisten Fällen von Familienangehörigen eingehen, allerdings auch des Öfteren eingehen, weil Personen über einen "längeren Zeitraum unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheinen".
Suche kann bis zu 30 Jahre gehen
Auf der Webseite der Berliner Polizei sind aktuell acht Fälle aufgelistet, nach denen öffentlich gefahndet wird. Die gehen teils bis 1995 zurück. Eine Sprecherin der Polizei sagte rbb|24 am Freitag dazu, dass die maximale Zeit, die eine Vermisstenakte geöffnet bleibt, 30 Jahre beträgt. "Danach sind kaum noch sterbliche Überreste zu finden, sollte der Mensch verstorben sein." Es könne allerdings auch vorkommen, dass noch Jahrzehnte, nachdem Angehörige eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben, Hinweise aus der Bevölkerung eingehen.
Allerdings sinke mit voranschreitender Zeit die Chance, Vermisste wiederzufinden. In Fällen wie dem von Rebecca aus Berlin-Britz gingen die Beamten nicht mehr davon aus, sie lebend wieder zu finden. Die Mordkommission übernimmt in solchen Fällen.
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Sendung: rbb24 Abendschau, 4. August 2023, 19:30 Uhr