Berlin-Charlottenburg
Die Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin-Charlottenburg ist eine der meistbefahrenen Autobahnbrücken Deutschlands. Nun soll sie komplett neu gebaut werden. Bis zum 9. Oktober können sich Interessierte in das Planungsverfahren einbringen. Von Marcus Latton
Gebaut wurde sie in den 1960er Jahren für täglich 20.000 Autos. Heute passieren knapp 180.000 Fahrzeuge pro Tage die Rudolf-Wissell-Brücke. Die Konstruktion ist dafür nicht geeignet und soll deshalb neu errichtet werden - in Form von zwei Brücken, die nebeneinander verlaufen, eine für jede Fahrtrichtung. Das Großprojekt wird seit vielen Jahren geplant. Federführende Behörde ist das Fernstraßen-Bundesamt in Leipzig. Bauherrin ist die Planungsgesellschaft Deges, an der der Bund sowie mehrere Bundesländer beteiligt sind.
Nun beginnt der öffentliche Teil des Planfeststellungsverfahrens, bei dem Anlieger, Bürger und Vereine ihre Kritik formulieren können - persönlich im Bezirksamt Charlottenburg oder in Amt Schenkenländchen (Dahme-Spreewald). In dieser Gemeinde werden die Ausgleichspflanzungen für das Bauprojekt in den Boden gesetzt. Zudem stehen die Pläne bis zum 7. September online beim Fernstraßen-Bundesamt und beim Umweltprüfungsportal des Bundes. Bis zum 9. Oktober können Einwendungen gegen die Pläne per Brief oder qualifizierter De-Mail eingebracht werden.
Wird es zu vielen Beschwerden kommen? "Ich erwarte keine großen Überraschungen", sagt Charlottenburgs Stadtrat für Stadtentwicklung Christoph Brzezinski (CDU). Die Kritikpunkte an dem Bauprojekt seien längst bekannt: Dutzende Kleingärten müssen temporär und dauerhaft der neuen Konstruktion weichen.
Außerdem sei das Konzept eines doppelten Brückenbaus fragwürdig, weil dadurch mehr Raum eingenommen wird. "Beim Neubau eines Autobahnbauwerks sollte nicht mehr Fläche beansprucht werden als es ohnehin schon der Fall ist."
270 Millionen Euro soll der Neubau nach bisherigen Schätzungen kosten. Faktoren wie Material- und Personalmangel oder Inflation sind dabei nicht mit einberechnet. Es könnte also noch deutlich teurer werden. Geplanter Beginn der Arbeiten ist das Jahr 2025. Nach bisherigen Plänen soll es während der gesamten Bauzeit drei Spuren in beide Richtungen geben. Die Bauphase wird in jedem Fall eine Herausforderung für den Verkehr im gesamten Bezirk.
Stadtrat Brzezinski verweist auf parallel geplante, größere Baumaßnahmen: Auch das Dreieck Charlottenburg, das Dreieck Funkturm und die Westendbrücke sollen ungefähr im gleichen Zeitraum generalüberholt werden. "Am Ende wird viel davon abhängen, wie diese Bauabschnitte aufeinander abgestimmt werden", sagt Brzezinski. Viele befürchten, dass sich der Verkehr in die Stadtstraßen verlagern und regelmäßig für Chaos sorgen könnte. Über viele Jahre hinweg. Denn ob die Rudolf-Wissell-Brücke 2031 fertig wird, so wie von der Deges geplant, bleibt unklar.
Enorme Einschränkungen für den Autoverkehr aufgrund der vielen Baumaßnahmen an der A100 und der A111 befürchtet auch der ADAC Berlin-Brandenburg. Der Verband empfiehlt: Pendler auf dieser Strecke sollten künftig Fahrgemeinschaften bilden, mehr auf den öffentlichen Nahverkehr setzen und ihre Autos in den Außenbezirken abstellen.
Verbandssprecherin Sandra Hass erkennt allerdings auch viele Probleme: "Es fehlen Park-and-Ride-Plätze, die den Autoverkehr abfangen können. Da muss man auch kreativ werden."
Der ADAC schlägt deshalb vor, den stillgelegten Flughafen Tegel zu einem großen Park-and-Ride-Platz umzuwandeln. Shuttle-Busse könnten von dort die Pendler zur S-Bahn bringen. Zudem brauche es für die Rudolf-Wissell-Brücke und den künftig langsamer fließenden Verkehr ein gutes Baustellenmanagement. Heißt: Digitale Leitsysteme für Havarien und Unfälle – damit der Verkehr nicht aufgrund einer kleinen Panne zum Erliegen kommt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 06:45 Uhr
Beitrag von Marcus Latton
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