Defektes Entsorgungsschiff
Eigentlich kommt das Fäkalien-Entsorgungsschiff "Elsa" einmal die Woche und pumpt die Tanks der Grundstücke an der Müggelspree leer. Doch von "Elsa" ist seit Wochen keine Spur. Die Grundstücksbesitzer sitzen buchstäblich auf literweise Fäkalien.
Der 72-jährige Ferenc Bokros öffnet das Gartentor seiner Nachbarin und geht auf ihre Terrasse. Dann hebt er ein Brett aus dem Terrassenboden. Darunter kommt ein Tank zum Vorschein. Es ist der Abwassertank. Darin schwappt eine dickflüssige und zähe braune Masse. "Ich glaube, das ist eine Fünf-Kubikmeter-Grube und die ist schätzungsweise 70 bis 80 Prozent voll", erklärt Bokros. Bei ihm und fast allen anderen Nachbarn sehe das genauso aus, sagt er.
Grundstücksbesitzer an der Müggelspree haben seit Ende April ein Problem: Sie wissen nicht mehr, wohin mit ihren Fäkalien. Normalerweise werden die Tanks einmal die Woche vom Fäkalien-Entsorgungsschiff "Elsa" entleert. Doch "Elsa" ist seit Wochen nicht mehr aufgetaucht.
"Elsa" wurde 1936 ursprünglich als Frachtschiff gebaut. Sie ist 35 Meter lang. 1976 fand das Schiff dann seine eigentliche Bestimmung. "Elsa" wurde in ein Fäkalien-Entsorgungsschiff umgebaut. 2003 wurde sie generalüberholt. Die Tank- und Absauganlage wurde unter anderem erneuert. Seitdem passen in die drei Tanks des blau-weißen Schiffs 50 Kubikmeter Fäkalien. Das sind 50.000 Liter Abwasser.
Wenn "Elsa" nicht regelmäßig bei Ferenc Bokros und seiner Frau Ingrid vorbeikommt, haben die beiden ein Problem. "Wir können deswegen nicht mehr so oft hier draußen sein, wie wir wollen." Sie müssten sich jetzt einschränken und sehr sparsam mit dem Abwasser umgehen.
Früher kam "Elsa" planmäßig jeden Freitag bei Ingrid und Ferenc Bokros Wassergrundstück vorbei und pumpte die braune Suppe aus dem Fäkalientank ab. Sie hätten so oft auf die Toilette gehen und duschen können, wie sie wollten, erzählen sie. Während der Pandemie seien die Abholungen dann unzuverlässiger geworden. "Dann war die Besatzung nicht da oder das Schiff defekt - komischerweise immer im Sommer", erinnert sich Fernec Bokros. In diesem Jahr hieß es von der Reederei, so erzählt der Rentner, dass auf der "Elsa" die Elektronik komplett überholt werden müsse.
Arne Delfs wohnt gleich um die Ecke von den Bokros. Auch an der Müggelspree. Delfs glaube nicht, dass die Reparaturen der einzige Grund für das Wegbleiben von "Elsa" seien, sagt er. "Die finden einfach kein Personal für das Fäkalienschiff. Und dann kann es nicht kommen", vermutet Delfs. Er hoffe nur, dass seine Nachbarn auf den vollen Tanks sitzen bleiben und das Abwasser nicht in die Spree leiten. "Ich spring ja hier morgens gerne rein und schwimm eine Runde. Da mache ich mir schon Sorgen, ob da jemand Abwasser einleitet."
Das Entsorgungsschiff Elsa gehört zur Stern und Kreisschifffahrt GmbH. Die Spekulationen von Delf, dass es nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Schiff gäbe, weist eine Mitarbeiterin der Stern und Kreisschifffahrt GmbH zurück. "Das Team ist voll besetzt und kann starten, sobald die Elsa wieder einsatzfähig ist."
Das sei voraussichtlich ab Mitte September so weit, wenn die Lieferung aller Ersatzteile pünktlich erfolge. Der Grund sei, dass das Schiff einen "größeren technischen Defekt" erlitten habe. Aktuell befinde sich "Elsa" in der Hegemann-Werft in Spandau.
Bis dahin sitzen Grundstücksbesitzer Fernec und Ingrid Bokros an der Müggelspree weiter auf vollen Fäkalientanks. "Wir fühlen uns verraten und verlassen", sagt Fernec Bokros. Jeder Toilettengang müsse nun überdacht werden.
Sie seien immer von Anfang Mai bis Ende September oder Anfang Oktober in ihrem Grundstück an der Müggelspree. "Man fühlt sich hier wie im Paradies", sagt Fernec Bokros. 2003 hätten sie das Grundstück von der Mutter seiner Frau übernommen. In diesem Jahr werden sie wohl nicht bis Ende September hier bleiben können. "Die Grube wird bis Ende August voll sein. Dann müssen wir nach Hause."
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.08.2023, 19:30 Uhr
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