Bewohner der Habersaathstraße sollen Wohnungen "umgehend" räumen
Der Konflikt zwischen der Eigentümerfirma und den Bewohnern eines Wohnblocks in der Habersaathstraße in Berlin-Mitte ist eskaliert. Wachleute sollen Stromzähler und Fenster entfernt haben. Für das Bezirksamt kommt die Aktion aus heiterem Himmel.
Im Dauerstreit um den weitgehend leerstehenden großen Wohnblock in der Habersaathstraße 40-48 in Berlin-Mitte fordert die Eigentümerfirma verbliebene Bewohner auf, das Haus zu verlassen.
Die Bewohner sind durch ein Schreiben aufgefordert worden, das Haus am Mittwoch "umgehend zu räumen". Bewohner sagten dem rbb am Mittwoch, Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes seien zum Teil in die Wohnungen eingedrungen und hätten sie unbewohnbar gemacht.
Vertreter einer Anwohner-Initiative sagten der rbb24 Abendschau, es seien unter anderem Sanitäranlagen zerschlagen und Fenster ausgebaut worden. Nach Angaben der Initiative gibt es in dem Haus zwölf Bestandsmieter und etwa 50 ehemalige Obdachlose. Außerdem hielten sich Geflüchtete aus der Ukraine dort auf.
Bewohner sollten Abriss zustimmen können
Etwa zwei Dutzend Demonstranten protestierten vor dem Haus gegen die Maßnahmen. Die Polizei war nicht einbezogen, aber informiert und hielt sich vor Ort bereit, wie ein Sprecher sagte. Ein Vertreter der Eigentümerfirma wollte sich auf rbb-Nachfrage nicht äußern. Schon vor Jahren wollte die Eigentümerfirma das Gebäude mit etwa 100 Wohnungen für einen Neubau abreißen.
Das Bezirksamt Mitte setzte sich seit 2019 für eine Sanierung und Wiedervermietung der Wohnungen ein, berichtet die Nachrichtenagentur DPA. Demnach traf der Bezirk im Juni 2022 eine Vereinbarung mit der Eigentümerfirma, wonach beim Abriss gleichwertige Ersatzwohnungen geschaffen werden sollten. Die Vereinbarung habe allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung der verbliebenen Mieter gestanden. Nach Angaben der Anwohner-Initiative ist eine Abrissgenehmigung jedoch inzwischen abgelaufen.
Demo vor dem Wohnblock - Bezirk nicht informiert
Das Bezirksamt Mitte teilte am frühen Abend mit, der Eigentümer werde unverzüglich zu einem Erörterungstermin eingeladen und sei zur Aufklärung aufgefordert. Man wolle die aktuelle Situation und die vom Eigentümer beabsichtigten Zwecke besprechen und werde darauf drängen, alle möglicherweise rechtswidrigen Maßnahmen sofort einzustellen.
Vertreter des Bezirksamts hätten vor Ort Beschädigungen der Bausubstanz wie herausgerissene Fenster oder zerstörte Waschbecken und teilweise auch beschädigte Einrichtungsgegenstände festgestellt. "Zudem stellte sich heraus, dass offensichtlich in einigen Wohnungen der Strom und die Wasserversorgung unterbrochen und Haustürschlösser ausgetauscht wurden", hieß es in der Mitteilung.
Die Eigentümer hatten den Bewohnern im Vorfeld mitgeteilt, es gebe keine Rechtsgrundlage, sie im Haus wohnen zu lassen. Das Land oder der Bezirk würden weder die Miete noch Heizung oder Strom bezahlen. Das Haus sollte bis Mittwoch 10 Uhr verlassen werden. Andernfalls werde die Wasser- und Stromversorgung abgestellt.
Diese Aktion war weder dem Bezirksamt bekannt noch abgestimmt. "Es gibt einen Abrissantrag, der bei der Bau- und Wohnungsaufsicht, im Stadtplanungamt bearbeitet wird", sagte der stellvertretende Bezirksbürgermeister und Sozialstadtrat von Berlin-Mitte Carsten Spallek (CDU) der rbb24 Abendschau. Er war am Mittwoch selbst in der Habersaathstraße, um sich ein Bild von der Lage zu machen. "Klar ist, dass, solange Wohnungen oder Häuser bewohnt sind, die nicht abgerissen werden können. Unabhängig davon, ob es eine Abrissgenehmigung gibt oder nicht."
Linke fordert Hilfe von Bezirk und Land
Die "Initiative Leerstand-Hab-Ich-Saath" teilte am Mittwoch mit, Wachleute im Auftrag des Hauseigentümers "montierten Stromzähler ab". "Wir werden weiterhin den Abriss mit allen Mitteln verhindern und für einen Verbleib aller in den Häusern lebenden Menschen kämpfen."
Die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte, Martha Kleedörfer, hat den Bezirk Mitte und das Land Berlin dazu aufgerufen, zu handeln. Sie sagte dem rbb, ein geeignetes Mittel sei die Beschlagnahmung des Hauses. Dafür müsse man sich allerdings mit dem Investor anlegen: "Zähne zeigen wäre jetzt das angebrachte Mittel, um die Leute zu schützen, die in den Wohnungen wohnen, und natürlich auch den Rest von Berlin zu schützen und ein Signal zu senden, dass bezahlbarer Wohnraum hier geschützt wird."
Ario Mirzaie, Mitglied des Abgeordnetenhauses (Bündnis 90/Die Grünen), sagte dem rbb, der Rauswurfversuch sei rechtswidrig. "Die verbliebenen Bewohner haben Nutzungsvereinbarungen, und die gelten auch noch. Es gibt anhängige Gerichtsverfahren und es geht gar nicht, dass man hier versucht, mit Vorschlaghammer und Security die Bewohner einzuschüchtern." Er sagte, seine Fraktion werde sich dafür einsetzen, dass die Bewohner eine langfristige Bleibeperspektive bekommen.