Nacktbaden
Endlich wieder Sonne, endlich wieder nackte Haut! Doch wie viel davon darf beim Baden eigentlich gezeigt werden? Und vor allem wo? Wissenswertes rund ums Thema FKK. Von Jana Herrmann
"Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein - und dann nischt wie raus nach Wannsee", trällerte Conny Froboess schon im Jahr 1951. Und bis heute gilt: Sommer in Berlin und Brandenburg, das heißt für viele Handtuch, Sonnencreme und ein gutes Buch einpacken und das gute Wetter an einem der zahlreichen Seen in der Region oder im Schwimmbad genießen.
Wie freizügig es dabei zugehen sollte, da driften die Meinungen allerdings weit auseinander. Während es für die einen nichts Schöneres gibt, als das Gefühl von Freiheit, wenn die Wellen den nackten Körper umspielen (weitere Pluspunkte: nahtlose Bräune und keine nassen Badeklamotten), fühlen sich die anderen bei dem Gedanken daran, sich außerhalb der eigenen vier Wände zu entblößen, eher peinlich berührt und unbehaglich.
Vorneweg: Beides ist natürlich vollkommen okay. Ob, wann und wo wir beim Baden nackt sein wollen, entscheiden wir zum Glück meistens selbst (um einige konkrete Regeln soll es gleich noch gehen). Spannend ist aber, dass es noch immer die Ostdeutschen sind, denen auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ein gewisser Hang zur Freikörperkultur (FKK) nachgesagt wird.
Denn auch wenn die FKK-Bewegung nicht aus der DDR kommt, sondern schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sein soll, fand sie dort die meisten Fans. Und während viele Ostdeutsche bis heute gerne blankziehen, zeigt sich der Besuch aus Bayern vielleicht noch immer etwas irritiert, wenn er sich beim Ausflug ins Strandbad plötzlich mit nackten Tatsachen konfrontiert sieht.
Um erst einmal die wichtigste Frage zu beantworten: Nacktsein ist in Deutschland grundsätzlich nicht verboten. Oder anders ausgedrückt: Es gibt kein Gesetz, dass uns offiziell das Tragen von Kleidung in der Öffentlichkeit vorschreibt. Erst wenn sich jemand durch unsere Nacktheit gestört fühlt, greift das Ordnungswidrigkeitengesetz. Dieses untersagt laut Paragraph 118 die "Belästigung der Allgemeinheit", andernfalls können Bußgelder und Platzverweise verhängt werden. Wenn die Nacktheit jedoch sexuelle Motive hat, gilt sie als Erregung öffentlichen Ärgernisses - und damit als Straftat.
Ob in Schwimmbädern oder Thermen nackt geschwommen, geplanscht und entspannt werden darf (oder sogar muss), regelt die jeweilige Haus- und Badeordnung. Die Berliner Bäder-Betriebe teilten dazu auf Anfrage mit: "In den von uns selbst betriebenen Bädern ist von allen Badegästen handelsübliche Badekleidung zu tragen, wie z. B. Badehose, Badeshorts, Bikini, Badeanzug, Burkini. Textilfreie Bademöglichkeiten sind besonders gekennzeichnet. Diese sind ausschließlich unbekleideten Badegästen vorbehalten." Es gilt also, wie so oft im Leben: auf das Kleingedruckte achten.
Obenrum, untenrum, alles frei - das geht in Berlin an vielen Orten. Hier eine kleine Auswahl (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Das Bundesland mit den meisten Seen und Gewässern – und mindestens genauso vielen Möglichkeiten zum (Nackt-) Baden. Für echte Geheimtipps sollte man wohl eher die Einheimischen fragen, als diese im Internet zu suchen. Garantiert auf Nackedeis trifft man aber an folgenden Orten:
Nacktbaden ist also überall dort möglich, wo es nicht ausdrücklich verboten ist oder andere stört. So weit, so gut. Aber nur weil etwas erlaubt ist, muss es ja nicht automatisch in die Tat umgesetzt werden. Wie stehen die Deutschen also wirklich zu dem Thema? Dazu haben das Meinungsforschungsinstitut YouGov und Statista im Sommer 2021 eine Umfrage durchgeführt. Dabei kam heraus: 28 Prozent der Deutschen fühlen sich an Orten, wo Menschen nackt sind, wohl – bei den Männern ist die Zahl höher als bei den Frauen.
Etwa jede:r Vierte hat schon mal am Badesee die Hüllen fallen lassen, knapp jede:r Fünfte auch am Strand. Während etwa 30 Prozent der Befragten beim Stichwort "Nacktheit" an positive Attribute wie Offenheit, Natürlichkeit und Selbstbewusstsein denken, überwiegen bei etwa 40 Prozent der Befragen solche Gefühle wie Unbehagen, Scham und Peinlichkeit.
Weniger um Freikörperkultur als um Diskriminierung ging es bei dem Fall einer jungen Frau aus Berlin. Sie hatte bei der zuständigen Ombudsstelle erfolgreich Beschwerde eingelegt, weil sie in einem Hallenbad in Berlin-Kaulsdorf nicht wie die Männer ohne Oberteil schwimmen durfte. Daraufhin gaben die Berliner Bäder im März eine interne Anweisung heraus, dass das Schwimmen oben ohne für alle Personen gleichermaßen erlaubt sei. Platzverweise oder Hausverbote dürften deswegen nicht mehr ausgesprochen werden.
Tatsächlich war das Baden mit freiem Oberkörper auch nie verboten - in der Haus- und Badeordnung der Bäderbetriebe gibt es keine geschlechtsspezifische Festlegung, für wen welche Badekleidung vorgeschrieben ist. Nun soll es aber auch ganz offiziell nicht mehr zum Problem werden. Doch in den Bädern der Hauptstadt nutzen Frauen diese Möglichkeit anscheinend bisher nur vereinzelt. "In den Sommerbädern ist oben ohne auf den Liegewiesen durchaus weiter verbreitet, aber geschwommen wird zurzeit kaum oben ohne", sagte Bäder-Sprecherin Claudia Blankennagel der Deutschen Presse-Agentur.
Trotzdem: Berlin gilt nicht umsonst als tolerant und vielleicht auch ein bisschen freizügiger als andere Metropolen. Gerade die jüngere Generation schockt so schnell nichts mehr - es herrscht insgesamt eine wachsende Akzeptanz für den menschlichen Körper in all seinen Formen. Keinen BH zu tragen, ist auch in diesem Sommer absolut im Trend. Und nackte Haut stört sowieso schon längst nicht mehr. Wer möchte, kann den berühmten Schlager heutzutage also auch einfach ein bisschen umdichten: "Lass die Badehose/den Bikini daheim" …
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