Steigende Mieten
Die Mieten in Berlin und Potsdam sind stark angestiegen. Besonders schwierig ist der Wohnungsmarkt für Paare, die sich getrennt haben. Eine Studentin schläft im Auto, eine Mutter sucht seit einem halben Jahr eine Wohnung. Von Linh Tran
Was erst nur als Zwischenlösung gedacht war, wird zur Belastung: Sophia Renner schläft in Golm in ihrem silbernen Transporter auf dem Parkplatz der Universität Potsdam. "Das ist gerade mein Zuhause", sagt die 24-Jährige. Der Wald um die Ecke sei ihr Badezimmer: Zähne putzen, auf Toilette gehen und duschen. Dafür nimmt sie einen gefüllten Wasserkanister mit, den sie im Auto verstaut. "Wenn es dunkel ist, sieht mich ja niemand", sagt Renner und lacht.
Vor einem Monat lebte sie noch zusammen mit ihrer Freundin in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Schon damals habe sie manchmal im Auto geschlafen, wenn es Streit gegeben habe, erzählt sie. Mit der Trennung ist sie dann ganz ins Auto gezogen. Hier hat sie ein ausziehbares Bett, eine Holzbox für ihren schwarzweißen Border Collie und unter dem Bett noch ein wenig Platz für Wechselklamotten, den Wasserkanister und Uni-Bücher.
Laut einer Wohnungsbaustudie vom Pestel-Institut und Bauforschungsinstitut Arge fehlt es in Deutschland derzeit an 700.000 Wohnungen. Besonders dramatisch ist demnach die Situation in den Großstädten. Unter den inserierten Mietpreisen im Neubau ist Berlin nach München die zweitteuerste Stadt, das geht aus der Empirica Preisdatenbank 2023 [empirica-institut.de, PDF] hervor. Laut Investitionsbank Berlin lag die Berliner Angebotsmiete im Median 2022 schon bei 11,54 EUR/m², ein Euro mehr als im Vorjahr [ibb.de].
Auch Potsdam wird immer teurer. Die Mietpreise pro Quadratmeter sind laut einer Analyse des Immobilien-Portals Immwowelt 2022 im Vergleich zu 2021 um acht Prozent gestiegen [immowelt.de, PDF].
Die Mietpreise wirken sich auch auf unterschiedliche Lebenssituationen aus: Paare finden kein gemeinsames Zuhause, große Familien leben auf engem Raum und getrennte Paare müssen weiterhin zusammen wohnen.
Bei der Wohnungssuche ist vor allem Renners Budget ein Hindernis: Maximal 500 Euro will sie ausgeben und am liebsten in eine Ein-Zimmer-Wohnung ziehen. Für die muss man aber im Schnitt bereits 700 Euro in Potsdam zahlen, 2021 waren es laut Wohnungsportal WG-Gesucht noch 490 Euro.
Aber auch der Hund grenzt die Möglichkeiten ein. Dabei habe sie schon alles versucht, sagt Renner. Sie hat Wohngeld beantragt, ihr Antrag auf einen Wohnberechtigungschein ist in Bearbeitung - und sie steht auf der Warteliste für einen Platz im Studierendenwohnheim. In Aussicht bisher nur: mal ein paar Tage bei Freunden, mal beim Onkel in Berlin-Marienfelde.
Im Oktober möchte Renner eigentlich mit ihrem Master-Studium beginnen, dafür muss sie aber noch ihre Bachelor-Arbeit schreiben. Während andere in der Phase oft sagen, dass man gleich an der Uni schlafen könnte, schläft Renner wirklich dort und zapft nachts manchmal vom Auto aus das Uni-WLAN an, auch um nach Wohnungen zu suchen. Für Strom legt sie ein Solarpanel auf das Dach ihres Autos.
Online gebe es vor allem Wohnungstausch-Angebote, sagt Renner. Für sie ist das keine Option, weil sie keine Wohnung zu bieten hat. Doch ein Blick auf die reinen Zahlen zeigt, dass es hier durchaus noch Wohnraum-Potenzial gäbe.
Es gebe nämlich nicht nur zu wenige Wohnungen, sie seien auch noch ungünstig verteilt, sagt Pekka Sagner, Ökonom für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Er hat deutschlandweit die Wohnflächenverteilung bei Mietwohnungen untersucht [iwkoeln.de]. "Der Anteil der Menschen in Städten, die beengt wohnen, hat seit 2010 zugenommen", sagt Sagner.
Besonders häufig seien Haushalte mit Migrationshintergrund und Familien betroffen. Andere wiederum hätten zu viel Wohnraum zur Verfügung.
"Alleinlebende, die älter als 65 Jahre sind, haben im Schnitt fast doppelt so viel Wohnraum zur Verfügung wie Haushalte in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen, in der typischerweise die Familien gut vertreten sind", so Ökonom Sagner. Das zeigen auch die Daten des Mikrozensus 2022: In Berlin haben Alleinlebende über 65 Jahren im Schnitt fast 67 Quadratmeter zur Verfügung, unter 25-Jährige dagegen nur 46.
In Potsdam ist das Missverhältnis bisher etwas weniger stark ausgeprägt (siehe Grafiken). "Viele neigen dazu, die familiengerechte Wohnung nicht zu verlassen, selbst wenn die Kinder ausgezogen sind", so Sagner.
Tatsächlich: Mehr Haushalte wollen sich vergrößern als verkleinern. In Berlin kommen laut den Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) auf jeden Haushalt, der sich verkleinern will, fünf Haushalte, die sich vergrößern wollen. In Potsdam ist die Rate noch geringer: Hier liegt das Missverhältnis laut dem Portal Wohnungstausch Potsdam bei eins zu zwei.
Sophia S. möchte sich weder verkleinern noch vergrößern. Die 26-Jährige würde gern aus ihrer jetzigen Wohnung ausziehen: Zwei Zimmer, 78 Quadratmeter, Altbau, schön eingerichtet. Das Problem: Sie wohnt hier noch mit ihrem Ex-Partner zusammen. Getrennt haben sie sich aber schon Anfang des Jahres.
Weil die beiden einen Sohn zusammen haben, versuchen sie positiv miteinander zu bleiben und kommunizieren relativ gut miteinander, wie sie sagt. Trotzdem bleibt die Situation angespannt: "Man merkt schon, dass diese Distanz, dieses Verarbeiten was man nach der Trennung braucht und möchte, einfach fehlt", erzählt Sophia S.
Ihr Ex-Partner schläft derzeit in der Küche. Hier hat er eine Schlaf-Couch. Ihrem Sohn versucht sie offen zu sagen: Irgendwann werde sie mit ihm ausziehen.
Doch bisher hat sie bei der Wohnungssuche nicht viel zurückbekommen: "Man bekommt nicht mal mehr Absagen, sondern die Rückmeldung, dass es zu viele Anfragen gibt und dass man nicht berücksichtigt werden kann."
Gerne würde Sophia S. mit ihrem Sohn in der Nähe des Vaters bleiben: Nach monatelanger Suche ist sie jedoch offen für andere Bezirke. Zwei Optionen haben sich ergeben: Entweder eine Ein-Zimmer-Wohnung, die ihr eigentlich zu klein wäre - oder eine Mehrgenerationen-WG: Nach dem Tod ihres Mannes hat eine ältere Frau fünf Zimmer zur Verfügung, zwei bis drei Zimmer könnte sie untervermieten.
Was für manche vielleicht erstmal ungewöhnlich klingt, ist für die Mutter mittlerweile gut vorstellbar. Einer Stadt, die so wenig Wohnraum zu bieten hat, müsse man sich anpassen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 03.08.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Linh Tran
Artikel im mobilen Angebot lesen