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Quelle: dpa/J. Büttner

Schein-Ummeldungen für Wunschschule

Plötzlich steht das Schulamt auf der Matte

Nur scheinbar umgezogen, um den Platz in der beliebteren Schule zu erschleichen? Das Schulamt Tempelhof-Schöneberg verdächtig einen Vater, so gehandelt zu haben - und stattet ihm unangemeldet einen Besuch ab. Er ist kein Einzelfall. Von Anna Bordel

Ob sie ein paar Spuren sehen könnte, um sicherzugehen, dass das Kind wirklich hier wohnt – mit diesem Anliegen stellt sich eine Mitarbeiterin des Schulamts Tempelhof-Schöneberg im Frühjahr dieses Jahres bei Jochen Winkler vor.

Winkler, der seinen wirklichen Namen nicht veröffentlicht sehen will, überlegt noch immer, ob dieser Besuch bei ihm verhältnismäßig war. Er bekam keine Vorwarnung, es klingelte einfach eines Tages an der Tür. Die Schulamts-Mitarbeiterin wollte überprüfen, ob sein Sohn zu Recht seinen Hauptwohnsitz bei seinem Vater hat und damit sein Anspruch auf den Grundschulplatz in der Einzugsschule rechtmäßig ist.

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Unterschiede bei Schulen teilweise erheblich

Eltern wählen in Berlin Schulen nicht nur nach dem kürzesten Schulweg und geben sich nicht immer mit den Einzugsschulen zufrieden. Schule ist in der Hauptstadt nicht gleich Schule, sondern es gibt erhebliche Unterschiede, die nicht nur das Schulprofil oder das Alter der Sporthalle betreffen, sondern die Qualität. In ein und demselben Kiez kann eine Schule unternachgefragt sein, weil in den letzten Schulinspektionsberichten viele Punkte mangelhaft bewertet wurden. Eine Straßenecke weiter kann es eine übermäßig beliebte Schule geben, die in allen Punkten besser abschneidet und die sich logischerweise deutlich mehr Eltern als Schule für ihre Kinder wünschen.

Bezirke unterstellen manchen Eltern, ihre Kinder zum Schein bei Bekannten oder dem getrennt lebenden Ehepartner anzumelden, um sich so den Platz in der besseren Schule zu erschleichen.

Schüler auf dem Schulhof einer Schule | Quelle: dpa/J. Büttner

Erste Kontrolle: Nachweise vorlegen

Jochen Winkler weiß zum Zeitpunkt des Besuches schon, dass der Bezirk ihn verdächtigt, nur zum Schein in den Einzugsbereich der betreffenden Grundschule gezogen zu sein. Er lebt seit drei Jahren von seiner Partnerin getrennt. Ihr gemeinsamer Sohn ist bei ihm mit Hauptwohnsitz gemeldet. Winkler hatte nach der Trennung zunächst in anderen Wohnungen gelebt und war im Sommer 2022 in die Wohnung in Schöneberg gezogen, dort hat er dann auch den Wohnsitz seines Sohnes angemeldet.

Es freut beide Eltern, dass die Grundschule, in deren Einzugsgebiet ihr Kind nun gemeldet ist, einen guten Ruf hat. Zum Schuljahr 2023/24 wird eingeschult werden, es scheint alles geregelt zu sein. Ende Dezember 2022 bekommt Winkler dann einen Brief vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg.

Winkler soll nachweisen, dass er sich und seinen Sohn nicht zum Schein in der neuen Wohnung gemeldet hat. Dafür soll er innerhalb von zwei Wochen Nachweise vorlegen, wie einen Hauptmietvertrag, Kündigungsbestätigung der vorherigen Wohnung, Umzugsrechnungen, Ummeldungsnachweise des Energieversorgers sowie einen Kontoauszug mit der Überweisung der Miete und Kaution.

Alle neuen Zuzüge werden kontrolliert

Dem Schreiben zufolge, das rbb|24 vorliegt, würden alle Menschen des jeweiligen Einschulungsbereichs der betreffenden Schule geprüft, die ab dem 1. Juli 2022 dort hingezogen seien. "Eine Veranlassung zur Aufklärung besteht insbesondere bei Schulen, für die es eine große Nachfrage nach Schulplätzen gibt und bei denen sich bereits in den Vorjahren Hinweise auf Scheinanmeldungen ergeben haben", heißt es in dem Schreiben zur Erklärung. Wer einen Wohnsitzwechsel nicht fristgerecht glaubhaft machen könne, werde von dem Einschulungsbereich ausgenommen.

Winkler schickt Nachweise und denkt, dass er damit nun seine Ruhe hat. Ganz so kommt es dann aber nicht. Eines Tages bekommt er diesen unangemeldeten Kontrollbesuch. "Sie hat sich das Kinderzimmer angeschaut und ist dann auch wieder gegangen." Winkler ist zu dem Zeitpunkt schon bewusst, dass er die Mitarbeiterin des Schulamtes nicht in seine Wohnung lassen muss. "Ich fand es schon übergriffig, ich hätte auch nein sagen können. Aber dann dachte ich auch: Ich kann ihr ja alles zeigen, ich lüge ja nicht."

Als unangenehm empfand Winkler die Befragung danach, wie viel Zeit sein Sohn bei ihm verbringt. Laut Bundesmeldegesetz muss das Kind dort seinen Hauptwohnsitz haben, wo es vorwiegend, das bedeutet zu mindestens 51 Prozent der Zeit, lebt. Dass es Kinder gibt, die wöchentlich zwischen beiden Elternteilen wechseln, also fifty-fifty bei Mutter und Vater sind, wird dabei nicht berücksichtigt.

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Fälle in Schöneberg nehmen ab

Dass der Bezirk Verdachtsfälle auf Scheinanmeldung scharf kontrolliert, bestätigt Isabella Hochschild, Sprecherin des Schulamtes Tempelhof-Schöneberg. Das sei ihr zufolge sogar erfolgreich: In den letzten Jahren haben die Fälle von Scheinanmeldungen immer weiter abgenommen. Seien es ihr zufolge vor rund 20 Jahren noch um die 80 pro Jahr gewesen, waren es zuletzt nur sechs. Auch andere Bezirke wie Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte bestätigen, dass das Phänomen in den letzten Jahren nicht größer geworden ist.

Hausbesuche wie bei Winkler würden laut Hochschild nur in manchen Fällen durchgeführt. Nämlich wenn der Umzug mit schriftlichen Nachweisen nicht ausreichend nachgewiesen werden könne.

Alle angefragten Bezirke bestätigen, auf diese Weise bereits Scheinanmeldungen aufgedeckt zu haben. Die Bildungsverwaltung des Berliner Senats weiß um die Kontrollen der Bezirke und auch auf welche Art kontrolliert wird. "Wir unterstützen alle Bezirke, die auf die Einhaltung der gültigen Regeln pochen", so ein Sprecher der Bildungsverwaltung.

Landeselternausschuss: Sorgen der Eltern nachvollziehbar

Einer, der Verständnis für die Bestrebungen der Eltern aufbringen kann, die sich eine Schule mit Ruf für ihre Kinder wünschen, ist Norman Heise vom Landeselternausschuss. "Teilweise gibt es nachvollziehbare Sorgen der Eltern. Zum Beispiel den vermeintlich schlechten Ruf der Schule oder die Zusammensetzung der Schülerschaft auf dem Papier, die wenig Aussagekraft hat. Eine Scheinanmeldung ist natürlich nicht legitim".

Er rät nicht dazu, sich nur durch Erfahrungsberichte in Sozialen Netzwerken über Schulen zu informieren, sondern sich am "Tag der Offenen Tür" oder in Schulinspektionsberichten zu informieren. Wenn ein Wechsel auf eine andere Schule gewünscht ist, könne auch ein legitimer Antrag gestellt werden. Ist dieser nicht erfolgreich, kann man sich als Elternvertreter wählen lassen und daran arbeiten, die Bedindungen an der Schule zu verbessern, so Heise.

Für Winkler spielt das keine Rolle. Der Hausbesuch konnte die Schulamtsmitarbeiterin überzeugen. Weitere Kontrollversuche gab es nicht. Sein Sohn ist mittlerweile eingeschult.

Beitrag von Anna Bordel

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