Drehbuchautor Volker Zahn über Decker vs. Schweiger
Die Drehbuchautorin Anika Decker hat einen langjährigen Rechtsstreit gegen die Produzenten von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" gewonnen. Was bedeutet das Urteil für die Branche?
Volker A. Zahn ist seit über 30 Jahren Drehbuchautor, er schreibt vor allem für das deutsche Fernsehen. Außerdem ist er Vorstandsmitglied im Deutschen Drehbuchverband – sein Verband hat den Rechtsstreit zwischen Anika Decker und den Produzenten von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" eng begleitet.
rbb|24: Herr Zahn, das Landgericht Berlin hat sein Urteil gesprochen: Anika Decker hat den jahrelangen Rechtsstreit gewonnen. Es ist ein juristischer Sieg, vermutlich aber kaum ein finanzieller Erfolg. Wie groß war die Freude nach dem Urteil heute?
Volker Zahn: Wir waren erstmal alle sehr zufrieden damit, dass im Sinne von Anika entschieden wurde. Es ist schon durchaus ein wegweisendes Urteil, weil da erstmals eine Urheberin eines Werks gleich zwei Firmen gerichtlich dazu verpflichtet hat, nachträglich Erlöse auszuschütten. Das ist ein großer Erfolg. Natürlich sind die größtenteils verjährten Ansprüche und auch die Prozesskosten-Übernahme ein Wermutstropfen. Aber ich habe eben mit Anika gesprochen; sie ist sehr glücklich über das Urteil.
Der Großteil der Ansprüche gegen die Produktionsfirmen ist verjährt. Das Gericht hat argumentiert, dass Frau Decker schon viel früher hätte Klage erheben müssen – sie hätte schon früher den Erfolg der Filme abschätzen können. Was bedeutet das für Sie und Ihre Kollegen?
Wir sind sehr gespannt, wie die Verjährung genau begründet wird. Viele Kolleginnen und Kollegen empfinden es als nicht sehr gerecht, uns verpflichten zu wollen, den Markt zu beobachten, um zu schauen, ob unsere Werke kommerziellen Erfolg haben oder nicht. Das Gericht unterstellt ja offenbar, dass wir das können. Das finden wir schon ziemlich gewagt.
Wir sind Geschichtenerzähler, wir sitzen am Schreibtisch und erfinden Geschichten. Aber wir sind nicht dazu da, die Quoten und die Verkaufszahlen unserer Werke irgendwie zu eruieren. Abgesehen davon gibt es ja auch gerade um Verwertungserlöse immer ein großes Geheimnis. Insofern ist das schon sehr verwegen zu glauben, dass wir als Urheber da jederzeit an eine Tür klopfen könnten und sagen "Sagt uns doch mal, was ihr jetzt gerade mit unseren Werken verdient habt."
Das war bis Juli dieses Jahres ohnehin fast gar nicht möglich. Jetzt haben wir die Auskunftspflicht, und die Produktionsfirmen sind zumindest dazu verpflichtet, uns Auskunft darüber zu geben, wohin unsere Werke verkauft wurden und welche Gelder damit erlöst wurden. Aber es hat bis Juni 2023 gedauert, bis wir das gesetzlich verankert haben.
Anika Decker ist den juristischen Weg – gegen zwei Giganten im Geschäft - fünf Jahre lang gegangen. Inwiefern könnte dieses Urteil eine Signalwirkung für die Branche haben?
Das ist echt schwer zu beantworten. Ich stehe auch in Kontakt mit unserem Kollegen Stefan Cantz, der Probleme mit Constantin Film hat wegen "Manta Manta". Auch da sehe ich: Es ist kein einfacher Schritt, eine Filmfirma zu verklagen. Das ist immer auch mit mit großen persönlichen Belastungen verbunden, auch mit Ängsten und Risiken.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Kolleginnen und Kollegen es machen. Ich weiß aber auch, dass einige Kolleginnen und Kollegen, die nicht so prominent sind und gegen Firmen oder Sender geklagt haben, erhebliche Probleme bekommen haben. Stichwort "Blacklist".
Welche Nachteile kann so ein Schritt denn konkret nach sich ziehen?
Wir wissen aus Erfahrung von betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die sagen eindeutig: "Seit ich mich mit XY angelegt habe, bekomme ich keine Aufträge mehr, zumindest von XY nicht mehr." Und wenn XY ein etwas größerer und mächtigerer Part in der Branche ist, dann auch bei anderen Leuten nicht mehr. Leisten kann sich das nur der oder diejenige, der oder die die Karriere schon fast hinter sich hat.
Das Gericht hat heute ein klares Missverhältnis zwischen der Vergütung der Autorin und dem Einspielerfolg der Filme festgestellt. Ist das die Regel oder eher die Ausnahme?
Es gibt den Fairnessparagrafen im Urheberrechtsgesetz, wonach eine faire und angemessene Vergütung die Regel sein sollte. Wie wir bei Anika und auch in anderen Fällen sehen, hat sich diese Regel aber noch nicht überall durchgesetzt.
Ist der heutige Tag ein Erfolg für die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren in Deutschland?
Ich glaube schon, dass es ein erfolgreicher Tag ist, weil es ein wegweisendes Urteil ist. Weil Verwerter durch ein Gericht dazu verpflichtet werden, eine Urheberin nachträglich zu vergüten. Das ist toll und etwas sehr Besonderes.
Ich hoffe, dass wir, wenn wir das Urteil noch mal genauer studieren, auch noch ein paar Details finden werden, die für uns Autor*innen auch sonst noch relevant sein können. Im Prozess wurde ja zum Beispiel darüber diskutiert, wie sich die Urheberrechts-Anteile zwischen Anika Decker und Til Schweiger verteilen. Die beiden wurden ja in der Presse und auch in den Credits als Ko-Autoren bezeichnet. Im Prozess stellte sich heraus, dass Til Schweiger zum Drehbuch ein paar gute Sprüche und Schwänke aus seinem Leben und einen Witz seiner Tochter begesteuert hat. Daraufhin hat der Richter diese Urheberrechts-Anteile ein bisschen geradegerückt.
Jeder Drehbuchautor, jede Drehbuchautorin macht mal diese Erfahrung, dass da Leute mit am Tisch sitzen, die ein paar gute Ideen reinwerfen und deshalb hinterher eventuell Ansprüche auf einen Credit oder sogar auf Erlösbeteiligung einfordern.
Die Verjährungsfrist ist ein Wermutstropfen, aber für uns als Verband und als politische Interessenvertretung natürlich ein extremer Ansporn, genau da jetzt anzusetzen und die Position der Autorinnen und Autoren zu stärken!
rbb|24: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Wintermantel, rbb|24
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.09.2023, 16:20
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