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Video: rbb24 | 01.09.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Quelle: imago images/R.Weisflog

Justizvollzug

In Brandenburger Gefängnissen wird das Personal knapp

Der Fachkräftemangel macht sich auch in Brandenburgs Gefängnissen bemerkbar. Bis 2028 geht fast ein Viertel der Justizvollzugsbeamt:innen in Pension. Der Personalmangel könnte die Sicherheit in den Haftanstalten gefährden. Von Katrin Neumann

Kein Tag sei wie der andere, berichtet die junge Vollzugsbeamtin, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht sagen möchte. Langeweile käme an ihrem Dienstort, der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben, nicht auf, sagt Frau Hellwig, wie wir sie nennen dürfen.

So manche Situation würde sie sich aber gerne ersparen. Gefährliche Situationen mit den Inhaftierten etwa gebe es natürlich. Die seien bislang aber immer gut ausgegangen, so Hellwig, die als Quereinsteigerin zum Justizvollzug gekommen ist. Seit 2017 arbeitet sie in der Justizvollzugsanstalt im Süden des Landes. Mit ihren Kolleg:innen ist sie hier für bis zu 265 Inhaftierte zuständig.

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Anstaltsleiterin: "Justizvollzug ist für viele eine Blackbox"

"Wenn ein Gefangener mit dem Kopf durch die Wand will, gibt es natürlich brenzlige Situationen, die wir aber versuchen, mit Kommunikation zu lösen." Das komme vor, wenn zum Beispiel Anträge auf Freigang oder Haftlockerung abgelehnt würden. Dann müsse sie sich auch auf ihre Kolleg:innen verlassen können. Für sie als Frau sei es in solchen Situationen leichter zu deeskalieren als für einen Mann.

Sie könne sich vorstellen, bis zur Pensionierung in dem Beruf zu arbeiten. Neben der Beaufsichtigung von Gefangenen, Durchsuchung von Zellen, Gerichtsfahrten und der Übermittlung von Antragsentscheidungen, ist auch ihre Einschätzung zum Verhalten von Inhaftierten gefragt. Vor allem dann, wenn es um mögliche Perspektiven für die Straffälligen geht.

Im Moment gibt es zu wenige, die diese Verantwortung übernehmen wollen. Das liege zum einen daran, "dass der Justizvollzug immer noch eine Blackbox ist", sagt die Leiterin der JVA Luckau-Duben Petra Bruske. "Feuerwehr, Schule, Gerichte, Polizei: Das kennt man. Jedes Kind weiß, was sich hinter diesen Berufen verbirgt. Aber beim Justizvollzug weiß man das nicht."

Deshalb wolle man mehr Transparenz schaffen. Man gehe mittlerweile auch an Schulen und auf Ausbildungsmessen, um über das Berufsbild von Justizvollzugsbeamt:innen zu informieren. Damit hoffe man, die rückläufige Bewerberzahl wieder anzukurbeln, sagt Bruske.

Herausforderung durch viele Pensionierungen

Derzeit rollt eine Pensionierungswelle durch die vier Brandenburger Gefängnisse. Bis 2028 gehen 145 Beamte und Beamtinnen im Justizvollzugsdienst in Pension – bei derzeit 597 besetzten Stellen. 649 gibt es insgesamt. Planziel der Regierung sind derzeit 680. Die durchschnittliche Belegung der Gefängnisse lag im ersten Halbjahr 2023 bei 1.176 Plätzen. Die Schere von Inhaftierten und verfügbarem Aufsichtspersonal geht derzeit auseinander, langfristig soll sich das ändern.

In Luckau-Duben versucht Anstaltsleiterin Bruske, die sich derzeit häufenden Personallücken so gut es geht zu schließen. Das sei schon jetzt oft schwierig. "Es ist anstrengend, die einzelnen Schichten zu besetzen. Da muss schon so ein bisschen jongliert werden. Man muss oft fragen, ob noch jemand zusätzlich eine Schicht übernehmen kann. Wir versuchen, den Betrieb aufrecht zu halten."

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Auch Resozialisierung braucht Personal

Eine stabile Personaldecke sei auch deshalb wichtig, weil eine Justizvollzugsanstalt eben auch eine Sicherheitseinrichtung sei. "Das ist die Schwierigkeit in Zeiten von Personalnot, das so auszubalancieren, dass man möglichst wenig Freizeitaktivitäten der Gefangenen einschränkt, aber eben die größtmögliche Sicherheit gewährleistet ist", gibt Bruske zu bedenken. Denn Freizeitaktivitäten außerhalb der Zelle bedürfen personalintensiver Aufsicht. Sie tragen aber maßgeblich zur Resozialisierung bei.

In der JVA Luckau-Duben waren Mitte August 14 Stellen unbesetzt, das sind fast 10 Prozent der Belegschaft im allgemeinen Justizvollzugsdienst.

Einstieg in den Dienst soll erleichtert werden

Das Land hat nun erste Maßnahmen ergriffen, um mehr Menschen in den Justizvollzugsdienst zu locken - und um eine Überlastung der bestehenden Belegschaft und Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Anwärter erhalten schon während der zweijährigen Ausbildung eine Besoldung von über 2.000 Euro.

So soll es auch älteren Menschen erleichtert werden, sich beruflich in Richtung Justizvollzug umzuorientieren. Nach der Ausbildung steigen Vollzugsbeamte mit Besoldungsgruppe A8 ein, also bei mindestens 2.700 Euro brutto. Voraussetzung für die Ausbildung sind ein Realschulabschluss oder Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung.

Außerdem plant das Justizministerium im Oktober den Start eines weiteren, dritten Ausbildungslehrgangs. Üblich waren bislang zwei Ausbildungslehrgänge pro Jahr. Nach erfolgreicher Ausbildung und Bestehen der Laufbahnprüfung werden Absolvent:innen sofort in ein Beamtenverhältnis auf Probe in den Landesdienst übernommen.

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Charakterstärke gesucht

Mehr Bewerber erhofft sich das Land auch dadurch, dass die Altersspanne um sechs Jahre erweitert wurde. Konnten sich früher Menschen zwischen dem 21. und dem 36. Lebensjahr bewerben, sind nun 18- bis 39-Jährige die Zielgruppe. Das habe durchaus positive Auswirkungen gehabt, zieht Bruske erste Bilanz. Aber es reiche noch nicht. In den letzten zwei Monaten habe sie keine einzige Bewerbung bekommen, im Schnitt seien es ein bis zwei monatlich.

Wer die formalen Anforderungen erfüllt, muss sich auch charakterlich eignen. "Wichtig ist, dass sich jemand für Menschen interessiert und gern im Team arbeitet", sagt Bruske. Gesucht würden Menschen, die gut Entscheidungen treffen können und authentisch sind. "Wer mit beiden Beinen im Leben steht und sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt" sei gut geeignet.

Stabile Belegungszahlen, aber höhere Anforderungen

Die Durchschnittsbelegung an Inhaftierten ist in den letzten Jahren relativ stabil geblieben - Tendenz leicht sinkend. Aber die sprachliche und kulturelle Diversität hat sich in den Gefängnissen erhöht, so wie in der Gesamtbevölkerung auch. Das führt zu neuen Herausforderungen, sei es im Umgang, bei den Essenswünschen oder bei religiösen Ritualen. Quereinsteigerin Hellwig zeigt sich dennoch entspannt. Sie erkläre allen Gefangenen "jeden Tag aufs Neue, wie die Abläufe sind und wie wir hier arbeiten, wenn es nötig ist."

Doch das Justizministerium blickt mit Sorge auf die Entwicklung, wie Ministerin Susanne Hoffmann (CDU) noch im Mai sagte. Die Belegungszahlen seien zwar insgesamt rückläufig, aber die Gewaltbereitschaft nehme zu. Zwischen 2012 und 2022 habe sich die Zahl der Körperverletzungen unter Gefangenen verdoppelt. Dazu käme es häufig zu Drogendelikten.

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Justizministerium ist besorgt

Hoffmann sei bewusst, mit welch schwierigen Situationen die Angestellten im direkten Strafvollzug es mitunter zu tun hätten, wird sie in der "Berliner Morgenpost" zitiert. Auch deswegen habe man für mehrere Hunderttausend Euro in eine verbesserte Ausrüstung investiert. Doch bessere und mehr Schutzanzüge, Spürhunde, Hiebwaffen und Hochsicherheitsfesseln lösen das Personalproblem nicht, vor dem die Justiz steht.

Aktuell wollte sich Justizministerin Hoffmann auch auf wiederholte Nachfrage nicht zum Personalmangel gegenüber rbb|24 äußern. Nächste Woche wird sie allerdings Stellung beziehen müssen. Dann stehen im Rechtsausschuss die Stellenbesetzungen im Justizvollzug auf der Tagesordnung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.09.2023, 17:33

Beitrag von Katrin Neumann

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