Steigende Corona-Zahlen
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder. Bundesgesundheitsminister Lauterbach empfiehlt allen Risikogruppen und Menschen über 60, sich impfen zu lassen. Der Berliner Epidemiologe Timo Ulrichs gibt im Interview einen Überblick.
rbb: Herr Ulrichs, bereiten Ihnen die steigenden Infektionszahlen Sorgen?
Timo Ulrichs: Wir laufen langsam in den Frühherbst rein, und da ist es völlig natürlich, dass solche saisonalen Infektionskrankheiten wieder mehr Fälle haben. Wir hoffen auch, dass sich das Coronavirus saisonal verhalten wird. Auch wenn wir in diesem Sommer eine mögliche Sommerwelle verpasst haben. Einfach weil wir nicht genug getestet haben.
Es gibt Varianten, die auch Experten Sorgen bereiten, weil sie noch wenig darüber wissen. Pirola heißt eine dieser Varianten. Was wissen Sie darüber?
Man weiß noch nicht so viel, außer dass es sich um eine weitere Subvariante handelt, die ähnlich aussieht wie Omikron, die wir schon kennen. Was wir noch nicht wissen, ist, ob diese Variante mit einer erhöhten Pathogenität einhergeht. Alle Varianten, die sich neu durchsetzen, sind natürlich ansteckender als die Vorgänger.
Deswegen ist davon auszugehen, dass die sich dann durchsetzen und alle anderen Varianten verdrängen wird. Das ist aber eigentlich nicht so dramatisch, denn der neue Impfstoff wird auch diese Variante mit abdecken. Völlig anders sieht diese Variante eben auch nicht aus.
Dieser neue Impfstoff wurde auf die neue Omikron-Variante angepasst. Wie funktioniert er?
Genauso wie die anderen Impfstoffe auch. Der wurde von Biontech und Moderna entwickelt, ist also mRNA-basiert. Er enthält einige andere Antigene, die diese neuen Untervarianten schon präsentiert haben. Dadurch kommt es zu einer Kreuzreaktivität.
Kreuzreaktivität - was meinen Sie damit?
Kreuzaktiv heißt, dass auch diese Varianten erkannt werden von unserem Immunsystem. Wenn es mit diesem Impfstoff sozusagen aufmunitioniert worden ist.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach sagte, wir hätten schon eine gute Immunisierung in der Gesellschaft. Wer sollte sich überhaupt impfen lassen?
Es ist nicht mehr so wie in der Pandemie. Wir haben eine Grundimmunität und es ist sinnvoll, dass sich die genannten Gruppen ihren Impfschutz auffrischen lassen - also Menschen, die älter als 60 Jahre sind, Menschen mit chronischen Grunderkrankungen, aber auch solche, die sich mit diesen Menschen beschäftigen im medizinischen, pflegerischen Bereich. Und möglicherweise auch Menschen, die sehr viele Kontakte haben. Da ist es auch sinnvoll, den eigenen Immunschutz nochmal zu aktualisieren.
Und wenn es einen jetzt doch wieder erwischt mit Corona: volle Quarantäne? Oder sollte man ein bisschen entspannter sein?
Es kommt darauf an, mit welchen anderen Menschen man Kontakt hat. Vorsicht wäre immer ganz gut. Dass man sich selbst zurücknimmt und sich vor allen Dingen testet. Wenn man grippeähnliche Symptome hat, Erkältungssymptome, dann kann das auch etwas anderes sein. Deswegen wäre es gut, dass man herausfindet, ob es sich um das Coronavirus handelt. Wenn ja, sollte man in der Tat versuchen, das Übertragungsrisiko zu blockieren, indem man sich selber isoliert und das "abwettert".
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Timo Ulrichs, Epidemiologe und Professor an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin, führte Sandra Schwarte für rbb24 Inforadio. Der Text ist eine leicht redigierte Fassung. Über das Audio-Symbol im Artikelbild können Sie das Interview nachhören.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.09.2023, 9:25 Uhr
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