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Quelle: rbb/Hanno Christ

BER-Regierungsterminal

Wie Mächtige abheben

Die Flugbereitschaft der Bundeswehr ist der Luft-Taxi-Service für die Spitzenpolitiker der Republik – und selbst immer wieder ein Politikum. rbb-Reporter konnten nun erstmals Einblicke in den Betrieb am Regierungsterminal nehmen. Von Hanno Christ

Der Weg zur ersten Adresse der Bundesrepublik führt durch ein unscheinbares Industriegebiet im nördlichen Bereich des Flughafens BER. Hier in Schönefeld steht – abgeschirmt hinter hohen Zäunen und neben Lagergebäuden des Deutschen Roten Kreuzes – das Regierungsterminal. Ein graues, mehrstöckiges schlichtes Verwaltungsgebäude. Lediglich die Deutschlandfahne, viele leere Fahnenmasten aber auch ein eleganter Metall-Adler verraten, dass es hier um mehr geht als die Verwaltung von Flugzeugen.

In der Einsatzzentrale erwarten sie an diesem Tag die Ankunft des Bundespräsidenten und die des Verteidigungsministers. Die Außenministerin haben sie schon am Morgen Richtung USA verabschiedet.

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Regierungsterminal oft zu klein

Das derzeitige Regierungsterminal war ursprünglich nur als Provisorium für einen Übergang von fünf Jahren geplant. Es sollte der Vorläufer eines deutlich größeren Terminals sein. Aus finanziellen Gründen wurden die Pläne aber wieder kassiert. Stabsfeldwebel Paul Müller hat mit dem Provisorium leben gelernt, macht aber keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, dass es nun kleiner gekommen ist. Müller, gebürtiger Cottbuser, organisiert seit zwölf Jahren die Arbeit am Terminal und hat seine Erfahrungen bei der Gestaltung des Gebäudes in Schönefeld einfließen lassen.

"Wir versuchen, das minimalistisch hinzuzaubern und trotzdem immer noch ansehnlich. Wir können damit umgehen, müssen uns aber jeden Tag einschränken", sagt Müller. Wenn etwa Delegationen großer Nationen wie aus den USA oder aus China erwartet werden, platzt das Areal aus allen Nähten. Dann stauen sich auf dem Parkplatz die Kolonnen, das Gelände des Deutschen Roten Kreuzes gleich nebenan wird zum Ersatz-Parkplatz und in Schönefeld müssen die Bewohner mit Straßensperrungen leben.

Die "VIP"-Lounges sind schlicht gehalten | Quelle: rbb/Hanno Christ

Betrieb eng getaktet

Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen können: Durchgehende Spiegel in den Aufzügen, in denen sich die "VIPs" für den protokollarisch korrekten Auftritt begutachten können, Hinterausgänge in Konferenzräumen, Redner-Pulte, die auch für Politiker in Rollstühlen geeignet sind, Bäder mit entsprechenden Möglichkeiten, sich zu schminken oder geschminkt zu werden. Über Details und Namen ihrer Fluggäste bewahren sie hier im Terminal diskretes Stillschweigen. Müller hat schon viele Politiker und Politikerinnen kommen und gehen sehen. Die Flugbereitschaft ist ein Service der Luftwaffe für die Vertreter der Verfassungsorgane, also für den Bundespräsidenten, die Mitglieder der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichtes.

Der Betrieb ist eng getaktet, es geht um Minuten. Aufgabe der Flugbereitschaft und der Besatzung am Terminal ist es, den "VIPs" möglichst viel Zeit zu verschaffen. "Zeit ist unheimlich wertvoll. Ehemalige Regierungsmitglieder waren teilweise bis zu fünf Minuten getaktet. Wenn die hier angekommen sind und festgestellt haben: Ich bin jetzt fünf Minuten zu früh, dann kam dann schon eine Aussage: 'Mensch, dann hätte ich ja im Büro noch einen Schriftsatz aufsetzen können und mir dieses und jenes durchlesen können'", so der Stabsfeldwebel. Im Vergleich zu früher habe sich die Taktung erhöht. "Was schon eine hohe Belastung ist, das darf man nicht verkennen", sagt Müller. Die Politiker hätten ein hohes Pensum. "Und ganz ehrlich: Ich möchte es nicht machen."

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Einblicke in die "VIP"-Lounges

Auch in Lounges der "VIP" können wir Journalisten – zum Teil erstmals – einen Blick werfen. Die Räume sind alle benannt nach berühmten Frauen, wie der Schriftstellerin Ricarda Huch oder der Komponistin Clara Schumann. Ein Kontrapunkt zum alten Standort in Tegel, in denen die Aufenthaltsräume allesamt Männernamen trugen. Die Räume sind in dezenten Farben gehalten, mit eleganten schlichten Möbeln und viel Holz. An den Wänden hängen Kunstwerke aus den Beständen des Auswärtigen Amtes, etwa ein Gemälde, das Schloss Sanssouci zeigt – ein Willkommensgruß aus Brandenburg. Alle Zimmer haben große Fenster mit Ausblick auf das große Flugfeld und das Terminal des BER auf der anderen Seite.

Man sei, so Stabsfeldwebel Müller, in Deutschland nicht für Pomp bekannt, sondern eher für Zurückhaltung. Insofern passe das Gebäude gut zur Regierung. Es sei nicht immer einfach gewesen, Diplomaten aus anderen Ländern vom Rauchen abzuhalten. Dem "Geschick des Auswärtigen Amtes", so Müller aber sei es zu verdanken gewesen, dass bis heute dort nie eine Zigarette angesteckt worden sei. Das Terminal bietet aber auch Möglichkeiten diskreter Diplomatie abseits der Öffentlichkeit. Die Räume sind abhörsicher, geschaffen für den Fall, dass Politiker anderer Nationen hier für eine Kurzvisite landen.

"Unser Ziel ist es, perfekt zu sein", sagt Stabsfeldwebel Müller über die Mitarbeiter. | Quelle: rbb/Hanno Christ

Beschäftigte: Kritik am Flugbetrieb ist überzogen

Am späteren Nachmittag setzt der weiße A319 mit dem Bundespräsidenten pünktlich auf Brandenburger Boden auf. Die Maschine mit der Aufschrift "Bundesrepublik Deutschland" und dezenten Streifen in Deutschlandfarben an der Seite kommt gerade aus Belgien, von einem Staatsbesuch. Nachdem die Maschine zum Stehen gekommen ist, fährt die lange Reihe schwarzer Limousinen vor. Nur wenige Sekunden nach dem Ausstieg sind Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender schon wieder unterwegs Richtung Berlin. Es ist ein Einsatz nach Plan, der Flug diesmal ein ruhiger, ohne Pannen. Keine Selbstverständlichkeit.

In der Vergangenheit war die Flugbereitschaft immer wieder im Fokus wegen Defekten an den Maschinen. Zuletzt musste Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis90/Grüne) eine Reise nach Australien abbrechen. Die mitreisenden Journalisten verbreiteten die Pannen-Nachricht in alle Welt. Für die Flugbereitschaft war es ein technisches und mediales Desaster.

Regierungsflughafen

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Man stehe nun mal im Fokus, so Oberstleutnant Christian Beste, der derzeit Standortkommandeur in Schönefeld ist. "Negative Presse hört man natürlich nie gerne. Jetzt muss man aber sehen: Wenn wir pünktlich sind, dann ist es ja das, was man von uns erwartet. Ich vergleiche das gerne mit der Deutschen Bahn. Wenn die Züge pünktlich sind, nimmt keiner Notiz von, aber wenn was ausfällt, dann ist man gleich in so einer Situation, wo man sich darüber aufregt."

Auch Stabsfeldwebel Müller wurmt die Berichterstattung. "Wir hier für uns wissen, dass wir eine sehr gute Arbeit machen und dass die kleinen Fehler, die hier passieren, uns mehr stören und ärgern als die Presse, die darüber berichtet. Unser Ziel ist es, perfekt zu sein." Die Flotte aus 18 Maschinen, darunter mehrere Hubschrauber, ist tatsächlich mittlerweile in großen Teilen erneuert. Außenministerin Baerbock war in einer Maschine unterwegs, die kurz vor der Ausmusterung stand.

Pendelbetrieb noch für mindestens zehn Jahre

In der Kritik steht die Flugbereitschaft aber auch immer wieder, wenn es um den umweltschädlichen und teuren Pendelverkehr zwischen dem Standort am BER in Schönefeld und dem derzeitigen Hauptquartier der Flugbereitschaft am Flughafen Köln-Bonn geht. Die Flächen in Schönefeld sind für die Stationierung der gesamten Flugbereitschaft noch zu klein. Wegen des Bauverzuges am BER verzögerten sich auch mehrfach die Planungen für den Umzug. Der ist nun frühestens für 2032 vorgesehen. So lange müssen die 18 Flugzeuge der Bereitschaft pendeln.

Die zahlreichen Leerflüge der Maschinen, die dadurch entstehen, würden als Ausbildungsflüge für die Besatzungen genutzt, so Standortkommandeur Beste. Die Flugbereitschaft sei Taxibetrieb und Fahrschule in einem. "Das ist notwendig. Was wir nicht haben wollen, sind untrainierte, unerfahrene Besatzungen, die die Spitzen unserer Verfassungsorgane durch die Welt fliegen." Das Hin- und Her werde gut ausgenutzt, so Beste.

Regierung fliegt häufiger, nicht weniger

Immer wieder wird aber auch die Grundsatzfrage gestellt: Braucht es eine Flugbereitschaft im Eigentum des Bundes überhaupt oder ließe sich der Betrieb auch privat günstiger und effizienter organisieren? Die Bundesregierung prüft keine anderen Betreibermodelle, heißt es in einer Antwort des Bundesverteidigungsministeriums. Gleichwohl übernehme die Bundesregierung "zielgerichtete Maßnahmen" um den Flugbetrieb "nachhaltig zu dekarbonisieren", also umweltfreundlicher zu gestalten.

Laut einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag flog die Flugbereitschaft in den vergangenen fünf Jahren am BER im Schnitt dreimal am Tag. Rechtfertigt dieses Aufkommen einen solchen Aufwand? Fragt man langjährige Mitarbeiter am Regierungsterminal, so fallen die Antworten auf die Frage nach Sinn und Unsinn einer bundeseigenen Flugbereitschaft eindeutig aus. Die Flugbereitschaft würde mehr denn je gebraucht, was sich auch daran zeige, dass die derzeitige Bundesregierung - entgegen ihrer einst gefassten Vorsätze - nicht weniger, sondern mehr fliege.

Alleine seit dem Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine gäbe es deutlich mehr Bedarf, nicht selten auch sehr kurzfristig. Innerhalb von zwei Stunden nach Anruf aus dem Ministerium muss eine Maschine bereit stehen zum Abflug an die entferntesten Orte der Welt. Tag und Nacht. Eine solche Flexibilität könne keine private Airline bieten, sagen sie am Terminal. Linienflüge würden sich nicht nach Regierungsmitgliedern richten, sondern umgekehrt. Und schon gar nicht könnten dann Wunschflughäfen angeflogen werden. Auch deshalb ist Stabsfeldwebel Paul Müller da eindeutig: "Wenn wir überall mitspielen wollen, brauchen wir ein Luftfahrzeug, eine Flugbereitschaft, die jederzeit bereit ist, unsere Politik dahin zu bringen, wo sie gebraucht wird."

Hinweis der Redaktion: Aus Sicherheitsgründen wurden die Namen der im Text erwähnten Mitarbeiter verändert.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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