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Video: rbb24 Abendschau | 21.09.2023 | Anja Herr | Quelle: dpa/O. Ring

Berliner Krebskongress

"Der Körper merkt sich, wie viel Sonne er im Lauf des Lebens abbekommen hat"

Die Zahl der Hautkrebsdiagnosen ist in Berlin und Brandenburg deutlich gestiegen. Zudem sind während der Pandemie viele nicht zum Screening gegangen. Wiebke Ludwig-Peitsch, Chefärztin am Vivantes-Klinikum erklärt, wie wir uns schützen können.

rbb|24: Frau Ludwig-Peitsch, warum sehen Sie in Ihrer Klinik gehäuft problematische Fälle von schwarzem Hautkrebs, wie erklären Sie sich das?

Wiebke Ludwig-Peitsch: Leider stellen sich die Patienten oft erst dann vor, wenn der Tumor schon sehr dick ist. Das ist auch eine Folge der Covid-Pandemie: Viele sind währenddessen nicht zum Arzt und zum Hautscreening gegangen. Das betrifft auch Bewohner aus Pflegeheimen, die während der Pandemie nicht ins Krankenhaus gekommen sind und sich jetzt mit sehr dicken Melanomen vorstellen.

Das Problem ist, dass der schwarze Hautkrebs Metastasen im ganzen Körper bilden kann, also auch in anderen Organen. Dazu sollte es am besten erst gar nicht kommen. Früherkennung ist das A und O. Ein dünnes Primär-Melanom kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Operation heilen - da liegen die Heilungsraten bei 98 Prozent.

Barmer-Daten

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Wenn der Hautkrebs nun bereits in andere Organe gestreut hat – wie wahrscheinlich ist es heutzutage, dass man überlebt?

Eine Revolution war die Einführung von Immuntherapien in die Behandlung des schwarzen Hautkrebses. Das körpereigene Immunsystem wird aktiviert, damit es gegen die Tumorzellen ankämpfen kann. Mittlerweile haben wir dadurch sehr moderne und effektive Therapieoptionen. Manchmal kann man dadurch das Melanom sogar in sehr fortgeschrittenem Stadium heilen – man hat Fünf-Jahres-Überlebensraten von über 55 Prozent. Das wäre in der Ära der Chemotherapien nicht denkbar gewesen.

Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung | Quelle: rbb

Wie gefährlich ist der weiße Hautkrebs?

Weißer Hautkrebs ist gewissermaßen eine Volkskrankheit – es gibt mehr als 200.000 Fälle in Deutschland pro Jahr. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens mal weißen Hautkrebs zu bekommen, liegt bei 30 Prozent. Der weiße Hautkrebs kommt häufiger vor als der schwarze und ist weniger gefährlich, sollte aber trotzdem möglichst früh behandelt werden. Er bildet deutlich seltener Metastasen als der schwarze Hautkrebs. Es gibt zwei Arten: das Basalzell-Karzinom und das Plattenepithel-Karzinom. Letzteres kann Metastasen bilden, etwa in fünf Prozent der Fälle. Die allermeisten sind aber mit einer Operation heilbar.

Infobox

Wie entstehen weißer und schwarzer Hautkrebs?

Patienten, die jetzt erkranken, haben möglicherweise in der Kindheit oder in der Jugend Sonnenbrände erlitten. Zum Beispiel Menschen, die in der Nachkriegszeit groß wurden, als es noch keinen adäquaten Sonnenschutz zur Verfügung gab. Oder Menschen, die in den 1960er Jahren erstmals im Süden im Urlaub waren, und dort nicht auf Sonnenschutz geachtet haben, weil man einfach noch nicht um die Gefährlichkeit von Hautkrebs in dem Ausmaß wusste und keine Sonnenschutzcremes mit so hohem Lichtschutzfaktor zur Verfügung hatte.

Der Körper merkt sich gewissermaßen, wie viel Sonne er im Lauf des Lebens abbekommen hat. Und dieser Lichtschaden ist dann in den Zellen vorhanden, so dass sich irgendwann – wenn weitere Faktoren dazukommen – Krebs entwickeln kann.

Natürlich gibt es auch jetzt noch Menschen, die im Urlaub unkontrolliert in der Sonne sind und Sonnenbrände bekommen. Und auch Menschen, die Solarien besuchen. Das sollte vermieden werden, da sind Aufklärungskampagnen ganz wichtig. Im Solarium ist ja kein Arzt dabei, der die Stärke einstellt. Aus medizinischer Sicht ist von Solarien dringend abzuraten. Es gibt auch Studien dazu, dass Patienten, die viel im Solarium waren, ein höheres Risiko für Hautkrebs haben.

Zur Person

Haben Sie den Eindruck, dass Kinder und Jugendliche heutzutage über die Gefahren von Hautkrebs genug wissen?

Bei den jungen Menschen ist die Awareness ganz unterschiedlich: Es gibt viele, die sich gut vor Sonne schützen, viel besser als vor einigen Jahrzehnten, und die das gesetzliche Hautkrebs-Screening in Anspruch nehmen. Es gibt auch Kampagnen in Kindergärten, beispielsweise ein SunPass-Projekt, da werden Kindergartenkinder und ihre Eltern geschult, das ist in meinen Augen sehr hilfreich.

Aber es gibt auch junge Leute, die immer noch unvorsichtig im Umgang mit der Sonne sind und dann doch den ein oder anderen Sonnenbrand einkassieren. Die Folgen hiervon sieht man dann ein paar Jahrzehnte später. Bei Männern entsteht der Hautkrebs meistens am Rumpf, bei den Frauen sind es die Beine. Das erklärt sich möglicherweise durch das Freizeitverhalten: Die Männer sind im Sommer oft mit unbedecktem Oberkörper unterwegs, und die Frauen tragen Röcke – da sind die Beine dann der Sonne ausgesetzt.

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Was kann man präventiv tun?

Ganz wichtig ist, die regelmäßigen Hautkrebs-Screenings in Anspruch zu nehmen – die werden von allen Krankenkassen ab dem Alter von 35 Jahren alle zwei Jahre bezahlt. Viele Krankenkassen erstatten das gesetzliche Hautkrebsscreening auch schon ab dem Alter von 20, hierzu rate ich.

Und natürlich ist es wichtig, sich vor der Sonne zu schützen. Wenn man einen hellen Hauttyp hat und im Sommer lange draußen ist, sollte man bei Cremes Lichtschutzfaktor 50 wählen, bei dunklerem Hauttyp reicht Lichtschutzfaktor 30.

Wenn man keine Haare mehr auf dem Kopf hat, sollte man eine Kopfbedeckung tragen. Wenn man längere Zeit in der Sonne ist, sollte man ein leichtes Tuch um die Schultern binden. Und wenn man Urlaub in Gebieten macht mit sehr hohem UV-Index macht – zum Beispiel in Australien – dann sollte man bei sehr empfindlichem hellem Hauttyp auch UV-Schutzkleidung tragen.

Außerdem die Mittagssonne meiden und sich nicht der prallen Sonne aussetzen, sondern sich eher im Schatten aufhalten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anja Herr, rbb24 Abendschau.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21.09.2023, 19:30 Uhr

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