Interview | Bundesweiter Warntag
Am bundesweiten Warntag soll am Donnerstag über mehrere Kanäle möglichst die gesamte Bevölkerung erreicht werden. Im Ernstfall reiche das aber nicht aus, sagt Umweltpsychologin Anna Heidenreich. Das "Wie" sei entscheidend beim Warnen.
rbb|24: Frau Heidenreich, wie müssen Warnungen formuliert werden, damit sie ihre Wirkung nicht verfehlen?
Anna Heidenreich: Es gibt viele Faktoren, die helfen, dass eine Warnung ihr Ziel erreicht. Sehr wichtig ist, dass sie in einer leicht verständlichen Sprache verfasst und nicht zu fachspezifisch ist. Die Warnung muss klar vermitteln, welches Ereignis in welcher Intensität erwartet wird und was für Auswirkungen möglich sind. Es reicht zum Beispiel nicht, dass vor ergiebigem Dauerregen mit einer bestimmen Millimeter-Anzahl Niederschlag pro Stunde gewarnt wird. Die konkreten Folgen des Dauerregens, also Hochwasser, überflutete Keller oder überschwemmte Straßen sollten mitgenannt werden.
Idealerweise gibt es zur Warnung auch eine Visualisierung, also eine Karte, mithilfe derer man erkennen kann, ob man betroffen ist. Wichtig sind auch die Farben. Dunkles Rot oder Lila springen einem direkt ins Auge und weisen auf besonders starke Gefahren hin.
Am bundesweiten Warntag wird auf unterschiedlichen Wegen mit einem sogenannten Warnmittel-Mix gewarnt. Wie reagieren Menschen auf diese unterschiedlichen Warnmethoden?
Der Warnmittel-Mix ist in erster Linie wichtig, damit möglichst viele Menschen mit unterschiedlichen Mediennutzungs-Präferenzen erreicht werden. Wichtig ist die Kombination aber auch, weil nicht alle Warnwege gleich viel Informationen überliefern können. Eine Sirene erzeugt beispielsweise schnell Aufmerksamkeit – viele wissen die verschiedenen Sirenentöne aber nicht zu deuten.
Wenn die Bevölkerung danach die Möglichkeit hat, sich über unterschiedliche Wege mehr Informationen zu beschaffen, ist das hilfreich. Aus einer anderen Untersuchung wissen wir auch, dass die persönliche Ansprache sehr wichtig ist. Viele Menschen erfahren über Familienmitglieder, Nachbarn oder Kolleginnen und Kollegen über eine Warnung.
Bei welchen Warnungen werden Menschen auch tatsächlich aktiv und handeln?
Nach dem schweren Hochwasser 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben wir direkt eine Befragung durchgeführt und herausbekommen, dass etwa ein Drittel aller Befragten keine Warnung erhalten hatte. Doch selbst wenn sie eine Warnung erhalten hatten, waren viele überrascht von dem Ereignis und wussten nicht, was zu tun ist.
Das stellt eine große Schwierigkeit dar und zeigt, wie wichtig es ist, dass bei einer Warnung auch konkrete Handlungsempfehlungen gemacht werden wie: "Schalten Sie den Strom ab", "Gehen Sie nicht in den Keller" oder "Bringen Sie sich in Sicherheit". Die Empfehlungen müssen zur Schwere des zu erwartenden Ereignisses passen und dürfen sich gegenseitig nicht widersprechen.
Sie haben eine Arbeit über das Risikobewusstsein geschrieben. Inwiefern spielt das Risikobewusstsein eine Rolle bei der Wahrnehmung von Warnungen?
Gewarnt wird in der Regel nicht vor allgemeinen Risiken, sondern vor konkreten Gefahren. Dabei bildet das Risikobewusstsein so etwas wie die Grundlage, um eine Warnung besser verstehen zu können. Wenn ich in der Schule bereits etwas über Naturrisiken wie Hitze oder Hochwasser gelernt habe, kann dieses Wissen im Notfall besser aktiviert werden. Dann fällt auch das Handeln leichter.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Helena Daehler, rbb24 Inforadio.
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