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Audio: rbb24 Inforadio | 28.09.2023 | Miriam Berger | Quelle: dpa/Karl-Heinz Spremberg

Auftrag der Mitarbeitervertretungen

Gutachten bezeichnet Wahl der neuen rbb-Intendantin als "rechtswidrig"

Ein juristisches Gutachten sieht gravierende Mängel bei der Wahl der neuen rbb-Intendantin. Der entscheidende Wahlgang hätte demnach nicht stattfinden dürfen. Die Senderspitze hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Von Oliver Noffke

Die Wahl zur neuen rbb-Intendantin litt laut einem juristischen Gutachten unter zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern. Das Gutachten von einem Experten für Medienrecht im Auftrag der rbb-Mitarbeitervertretungen kommt zu dem Schluss, dass "nur eine Neuwahl den eingetretenen rechtswidrigen Zustand beheben kann".

Das Papier kritisiert insbesondere die Arbeit der Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat, einen Brief von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), den Ablauf der Wahl sowie die Eignung von Ulrike Demmer. Sie ist seit Anfang September die neue Intendantin des Senders.

Rundfunkratssitzung

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Sender hat keine Zweifel an Rechtmäßigkeit der Intendantinnenwahl

Zu Beginn der Rundfunkratssitzung am Donnerstag kündigte der Vorsitzende des Gremiums, Oliver Bürgel, an, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um die Wahl aufzuarbeiten. Am Vortag hatte rbb|24 Bürgel um eine Stellungnahme zu dem Gutachten gebeten. Auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Benjamin Ehlers, und die Intendantin wurden damit konfrontiert.

Am Donnerstag teilte ein Sprecher des rbb mit: "Der Sender hat keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl von Ulrike Demmer. Die Wahl wurde unter Anwesenheit der Rechtsaufsicht durchgeführt, die ebenfalls keinerlei Beanstandungen geäußert hat." Die Rechtsaufsicht des Rundfunks Berlin-Brandenburg liegt bei den Ländern.

Intendantin Demmer teilte mit, dass das gesamte Wahlverfahren von starken Emotionen begleitet worden sei. "Es ist richtig, wenn damit zusammenhängende Rechtsfragen nüchtern geprüft werden. Ich habe einen transparenten und konstruktiven Dialog versprochen und begonnen. Diesen Weg werde ich mit dem rbb auch weitergehen, um das Beste für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer zu bewirken." Der rbb dürfe nicht erneut zum Stillstand kommen.

Gutachten sieht Mängel im Bewerbungverfahren

In dem Rechtsgutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam, heißt es, formelle Fehler seien bereits bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen passiert. Die Bewerbungsschreiben seien unter Zeitdruck eingesehen worden. Übliche Standards zur besseren Vergleichbarkeit des Kandidatenfelds wurden ignoriert, heißt es. Dies habe das Recht auf Chancengleichheit von 45 Bewerber:innen zunichte gemacht.

Bemängelt wird weiter, dass fünf Personen, die in eine engere Auswahl gezogen wurden, nicht durch externe Expert:innen überprüft worden seien. Für eine "so hochrangige Position wie die rbb-Intendanz" hätte dies geschehen müssen, heißt es. Auch bei den Bewerbungsgesprächen seien formelle Fehler gemacht worden. Etwa, weil ein vorher erarbeiteter Fragebogen nicht verwendet worden sei.

Die Verantwortung für diese Fehler sieht das Gutachten beim Vorsitzenden der Findungskommission, einer sechsköpfigen Gruppe, die dem Rundfunkrat eine Auswahl der besten Kandidaten und Kandidatinnen präsentieren sollte. Geleitet wurde die Findungskommission von Oliver Bürgel, der seit diesem Jahr auch den Vorsitz des Rundfunkrats inne hat.

Kompetenzüberschreitung des Verwaltungsratsvorsitzenden

Auch Benjamin Ehlers, seit April 2023 neuer Vorsitzender des rbb-Verwaltungsrats, habe in dem Bewerbungsverfahren Fehler gemacht, heißt es.

Ehlers habe während des Bewerbungsverfahren einen Kandidaten unzulässigerweise nach seinen Gehaltsvorstellungen gefragt. Dies hätte aber erst nach einer Wahl durch den Rundfunkrat besprochen werden dürfen – nicht vorher. Ehlers Verhalten sei eine "Kompetenzüberschreitung" gewesen, so der Gutachter.

Daran ändere auch nicht, dass Ehlers vom Vorsitzenden der Findungskommission, Bürgel, mit diesem Schritt beauftragt worden sei. Die gesamte Kommission hätte dieses Vorgehen autorisieren müssen. Was nicht geschehen sei.

Obwohl dies nicht in seiner Zuständigkeit gelegen habe, hatte Ehlers den Kandidaten abgelehnt, es dem Betreffenden aber nicht persönlich mitgeteilt. Stattdessen hatte der Bewerber einen Tag vor der Intendantenwahl aus der Presse von seiner Ablehnung erfahren. Dies mache Ehlers "für die Leitung dieses wichtigsten Aufsichtsgremiums des rbb dauerhaft untragbar", so die Einschätzung des Rechtsexperten.

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Kritik am Wahlgang

Der schwerwiegendste Vorwurf, den das Gutachten erhebt, ist, dass die entscheidende Abstimmung bei der Intendantinnenwahl nicht rechtmäßig gewesen sei. Demmer erhielt erst im vierten Wahlgang die notwendige Zweidrittelmehrheit von 16 Stimmen, bei 24 anwesenden Personen. In einer dritten Abstimmungsrunde gelang dies nicht, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt die letzte verbliebene Gegenkandidatin bereits zurückgezogen hatte. Anschließend hatte ein 25. Mitglied des Rundfunkrats die Tagung verlassen, bevor der vierte Wahlgang stattfand.

Im Gutachten heißt es dazu: "Ist jedoch nur eine Kandidatin verblieben und erhält sie im – allein von ihr bestrittenen – dritten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit, so ist ihre Wahl gescheitert. Die Ansetzung eines vierten Wahlgangs ignoriert eine getroffene demokratische Entscheidung."

Die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat, Oliver Bürgel und Benjamin Ehlers, seien "zwingend abzuberufen und durch fachlich kompetente und im Öffentlichen Medienrecht ausgewiesene Experten zu ersetzen". Zudem sollte die Zusammensetzung des Verwaltungsrats kritisch überprüft werden

Die Pressestelle des rbb geht hingegen davon aus, dass die Intendantinnenwahl rechtmäßig war. "Nach erster Durchsicht erkennt der rbb allerdings weder neue Argumente oder neue Aspekte, vielmehr ergeben sich bereits jetzt ernsthafte Zweifel an der juristischen Haltbarkeit der dort gefundenen Ergebnisse", teilte ein Sprecher mit. "Der Ton trägt nicht zur Versachlichung der Debatte bei, sondern arbeitet bewusst mit Zuspitzungen und Polemik, das wird weder der Sache noch dem rbb helfen."

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Vorwurf: Fehlende Staatsferne

Kritisch betrachtet das Gutachten auch einen Brief von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an die Mitglieder des Verwaltungsrats, der am Tag der Vorstellung der Bewerber:innen im Rundfunkrat versandt worden war. Darin wird angemahnt, "die Hinweise der Rechnungshöfe zur Begrenzung der Vergütung der künftigen Intendanz bei der Neubesetzung zu prüfen und zu berücksichtigen".

Dies stelle einen Versuch der Einflussnahme auf die Kandidat:innenauswahl dar und sei als "Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Staatsferne zu beurteilen". Und zwar unabhängig davon, ob dieser Bitte am Ende nachgekommen wurde. Woidke habe "kompetenzwidrig" den Landesparlamenten von Brandenburg und Berlin vorgegriffen.

Eine Anfrage zu diesem Vorgang wurde von der Staatskanzlei nicht beantwortet. Eine Sprecherin der Berliner Senatskanzlei teilte mit, dass man sich in der Sache nicht äußern könne, da man das Gutachten nicht kenne.

Fehlende Staatsferne kritisiert das Gutachten auch mit Blick auf die Beschäftigungsbiografie von Ulrike Demmer. Bis 2021 war sie mehrere Jahre als Sprecherin der Bundesregierung tätig. Ihr fehle dadurch die gebotene Staatsferne, so der Gutachter, und fordert ihre "unverzügliche" Abberufung.

Im Auftrag der rbb-Personalvertretungen

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Laut einem juristischen Gutachten wurde die Wahl zur neuen Intendantin des rbb von gravierenden Mängeln bestimmt. Kritisiert wird insbesondere die Arbeit der Kontrollgremien. Der rbb sieht keinen Grund für Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Wahl.

Mitarbeitervertretungen wollten ihre Rechte überprüfen

rbb-Personalratschefin Sabine Jauer teilte auf Anfrage mit, dass die Mitarbeitervertretungen überprüfen lassen wollten, ob ihre Beteiligungsrechte im Wahl- und Findungsverfahren gewahrt worden seien. Deswegen sei das Gutachten in Auftrag gegeben worden.

Im Laufe dieses Verfahrens hätten die Mitarbeitervertretungen, die auch in der Findungskommission vertreten waren, Kritik an deren Arbeit geäußert, so Jauer. Man sei damit aber nicht durchgedrungen und habe zunehmend das Gefühl gehabt, "als Feigenblatt missbraucht zu werden". Man habe mehrfach überlegt, die Mitarbeit in der Kommission aufgrund der Mängel zu beenden, so Jauer. "Was uns abgehalten hat: Dann hätten wir überhaupt keine Chance der Mitsprache und Mitwirkung mehr gehabt."

Unruhe seit Beginn der Schlesinger-Affäre

Die Intendanz des rbb musste neu besetzt werden, nachdem im Zuge der sogenannten "Schlesinger-Affäre" ein Großteil der Führung abberufen oder gekündigt worden war. Der früheren Intendantin Patricia Schlesinger wird unter anderem der Missbrauch von Finanzmitteln für private Zwecke vorgeworfen, Verschwendung von Gebührengeldern sowie unseriöse Planung eines neuen Redaktionsgebäudes.

Schlesinger wurde vor etwa einem Jahr fristlos gekündigt. Gegen sie und den früheren Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, laufen Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft.

Oliver Noffke ist Freier Mitarbeiter der Redaktion rbb|24. Während der sogenannten Schlesinger-Affäre war er Teil des rbb-Rechercheteams, das sich mit der Aufarbeitung der Vorwürfe gegen die damalige Senderspitze beschäftigt hatte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.09.2023, 20:00 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

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