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Welttierschutztag
Viele Berliner ärgern sich über den Kot von Stadttauben. Dabei gibt es ein Konzept, mit dessen Hilfe die Bahnhöfe sauberer und die Tauben gesünder würden. Doch nur wenige Bezirke wollen es umsetzen. Von Naomi Donath
Mindestens 10.000 Stadttauben gibt es schätzungsweise in Berlin. Zum Brüten suchen sie sich Nischen, oft in Bahnhöfen. Dort fühlen sich viele Menschen vom Kot der Tiere belästigt.
Die Berliner Landestierschutzbeauftragte Kathrin Herrmann hat im April diesen Jahres ein Stadttaubenkonzept [berlin.de] veröffentlicht, das der Verschmutzung des öffentlichen Raums durch Taubenkot entgegenwirken, die Anzahl der Tauben reduzieren und die Gesundheit der Tiere verbessern könnte. Erarbeitet hat sie es noch im Auftrag des rot-grün-roten Senats. Doch auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD [berlin.de] heißt es: "Für mehr Sauberkeit in der Stadt wollen wir ein Taubenmanagement etablieren mit dem Ziel, die Taubenpopulation zu reduzieren."
Das Konzept, das sich am "Augsburger Modell" orientiert (siehe Infobox), sieht vor, dass in der Nähe von Bahnhöfen - dort, wo sich viele Menschen vom Kot belästigt fühlen - betreute Taubenschläge gebaut werden sollen. Die wilden Brutplätze und Nistmöglichkeiten im Bahnhof und in der Umgebung sollen tierschutzgerecht verschlossen werden (sogenannte "Vergrämung"). Im Taubenschlag sollen die Tiere artgerechtes Futter und frisches Wasser bekommen und Nistplätze vorfinden. Um den Taubenschlag herum soll ein Fütterungsverbot für Tauben erlassen und kontrolliert werden (das besteht auf Bahnhöfen generell schon), sodass die Tauben, die standorttreue Tiere sind, den Taubenschlag als neues Zuhause annehmen. Dann würden sich die Tauben weniger im Bahnhof aufhalten und den weniger verschmutzen - im Idealfall gar nicht mehr.
Im Taubenschlag werden die Eier der Tauben dann gegen Attrappen aus Gips oder Kunststoff ausgetauscht. So soll die Anzahl der Stadttauben in Berlin tierschutzgerecht reduziert werden - es würde weniger, aber gesündere Tauben geben. Und die Bahnhöfe würden sauberer werden. Denn durch artgerechtes Futter - Körner wie Mais und Weizen sowie Samen wie Sonnenblumenkerne - würde der Kot der Tauben fester werden und damit leichter zu entfernen sein als der dünnflüssige Kot, den sie von Imbissresten und Brot bekommen. Betreut werden soll der Taubenschlag von ehrenamtlichen Tierschützer:innen. Die füttern die Tauben, tauschen die Eier, machen den Taubenschlag sauber und bringen kranke und verletzte Tiere zum Tierarzt. "Der Gesundheitszustand der Stadttauben in Berlin ist aus tiermedizinischer Sicht prekär und bedarf aus Gründen des Tierschutzes dringender Hilfe", sagt Kathrin Herrmann.
Die Berliner Bezirke sind sich indessen uneinig, wie sie mit den Stadttauben umgehen sollen.
Treptow-Köpenick möchte das Konzept umsetzen. Aktuell wird ein möglicher Standort für einen betreuten Taubenschlag geprüft, teilt das Bezirksamt auf Anfrage von rbb|24 mit. Auch Marzahn-Hellersdorf möchte dem Konzept grundsätzlich folgen. Es sei allerdings davon abhängig, ob sie einen geeigneten Standort und eine Finanzierung finden, teilt das Bezirksamt mit. Das werde gerade geprüft.
Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Pankow lehnen das Konzept ab. Sie argumentieren, trotz Austausch der Eier sei die Errichtung betreuter Taubenschläge ein "Nettogewinn" für die Population der Stadttauben. Eine Vergrämung von Brutplätzen sei an vielen Stellen unrealistisch. Die Tauben hätten dann einfach einen zusätzlichen Nistplatz und zusätzliches Futter.
Das Bezirksamt Pankow teilt auf Anfrage mit, das Konzept sei "schon aus praktischen Gründen untauglich, weil mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand hunderte solcher Taubenschläge errichtet und betrieben werden müssten". Es gibt laut S-Bahn Berlin im Berliner Stadtgebiet und im Brandenburger Umland allein 168 S-Bahnhöfe [sbahn.berlin]. Die Bezirksämter Mitte und Pankow empfehlen stattdessen, das Füttern von Stadttauben zu verbieten. So ein Fütterungsverbot wäre aber aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar.
Neukölln verweist auf fehlende personelle Kapazitäten im Bezirksamt. Die Bezirksämter Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg verweisen auf einen fehlenden Etat in ihren Bezirkshaushalten.
Für den Bau der Taubenschläge können die Bezirke Mittel bei der Landestierschutzbeauftragten beantragen. Dieser stehen, nach eigenen Angaben, zu diesem Zweck dieses Jahr 50.000 Euro und für 2024 und 2025 voraussichtlich jeweils 200.000 Euro zur Verfügung. Die Bezirke müssen allerdings mittelfristig die laufenden Kosten für die Taubenschläge übernehmen und in ihren Produktkatalog aufnehmen, beispielsweise für das Futter für die Tauben.
Bislang hat nur Treptow-Köpenick diese Mittel für die Errichtung eines Taubenschlags beantragt. Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg hat eine Finanzierung der Unterhaltskosten für den Haushalt 2024/2025 abgelehnt. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt mit, es wäre das "sinnvollere Modell (…), wenn die Landestierschutzbeauftragte die Errichtung und Unterhaltung der Taubenschläge übernehmen würde."
Reinickendorf möchte das Konzept nicht umsetzen. Taubenschläge hätten sich in der Vergangenheit als "personalkostenintensiv ohne den gewünschten Effekt" dargestellt und seien daher eingestellt worden, teilt das Bezirksamt mit. In Reinickendorf betreibt die gemeinnützige C.U.B.A. GmbH seit 2010 mehrere Taubenschläge - einige wurden wieder geschlossen, weil sie von den Tauben wohl nicht angenommen wurden.
Tempelhof-Schöneberg möchte die Einrichtung eines Taubenmanagements aus Tierschutzgründen unterstützen, aber selbst keine Taubenschläge betreiben. Das Bezirksamt verweist darauf, dass es bereits Taubenschläge im Bezirk gibt, beispielsweise am S-Bahnhof Südkreuz. Der wird auch von C.U.B.A. betrieben, gemeinsam mit ehrenamtlichen Tierschützer:innen - und wird von den Stadttauben erfolgreich angenommen. "Leider gilt nach Aussage der Tierschutzbeauftragten die zur Verfügung gestellte finanzielle Förderung nicht für die Unterstützung zur Pflege von bestehenden Taubenschlägen. Ein Antrag dazu musste daher abgelehnt werden", heißt es vom Bezirksamt. Im Taubenhaus am Südkreuz werden rund 800 Tauben betreut. Kathrin Herrmann sagt, der Taubenschlag sei zu klein. Sie würde es finanziell unterstützen, wenn der Bezirk dort einen zweiten Taubenschlag errichten lassen wollen würde.
Das Bezirksamt Spandau ließ die rbb|24-Anfrage unbeantwortet.
Die Landestierschutzbeauftragte hat eine beratende Funktion gegenüber dem Senat. Sie sagt, sie sei erstaunt über die Rückmeldungen aus den Bezirken. "Momentan fehlt der politische Wille in den meisten Bezirken", sagt Herrmann. "Dabei ist das Leid der Tauben groß." Sie hofft, dass sich noch weitere Bezirke für das Geld bewerben wollen. Eine Frist gebe es nicht mehr.
Beitrag von Naomi Donath
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