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Audio: rbb 88.8 | 12.02.2023 | Andreas Marschner | Quelle: dpa-Zentralbild/A.Engelhardt

Schuss an Grenzübergang

Ehemaliger Stasi-Mitarbeiter wegen heimtückischen Mordes angeklagt

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat einen früheren Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit (Stasi) wegen heimtückischen Mordes angeklagt. Der heute 79-Jährige soll 1974 einen Mann aus Polen am damaligen Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße aus einem Versteck heraus erschossen haben.

Inhaftierte in der DDR

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"Schuss einem Versteck heraus"

Demnach soll das 38 Jahre alte Opfer in der polnischen Botschaft versucht haben, seine Ausreise nach West-Berlin mit einer Bombenattrappe zu erzwingen. Die Stasi sei zum Schein darauf eingegangen, habe ihm entsprechende Ausreisedokumente ausgestellt und ihn sogar bis zum Sektorenübergang am Bahnhof Friedrichstraße begleitet.

Der jetzt angeklagte Leipziger soll beauftragt worden sein, den Polen dann am letzten Kontrollpunkt zu erschießen. In der Anklage ist die Rede von "einem gezielten Schuss in den Rücken aus einem Versteck heraus". Der Beschuldigte soll zur Tatzeit einer Operativgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit angehört haben.

Entscheidender Hinweis fand sich im Archiv

Laut Staatsanwaltschaft waren die Ermittlungen über viele Jahre nicht vorangekommen. Erst 2016 habe es einen entscheidenden Hinweis zur Identität des Schützen aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv gegeben, sagte Sprecher Sebastian Büchner. Anders als heute sei man jedoch zunächst von einem Totschlag ausgegangen. In diesem Fall wäre die Tat verjährt gewesen. Knapp 34 Jahre nach dem Mauerfall sieht die Berliner Staatsanwaltschaft jedoch das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, wie Büchner sagte.

Das Berliner Landgericht muss nun entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird. Ausschlaggebend wird dabei sein, ob das Gericht der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgt und ausreichend Hinweise für einen Mordverdacht sieht.

Bis zum vorerst letzten Prozess im Jahr 2004 wurden 130 Personen rechtskräftig verurteilt - vom einfachen Mauerschützen bis zu hochrangigen Vertretern aus Politik und Militär. Die höchste Strafe erhielt dabei DDR- Verteidigungsminister Heinz Keßler mit siebeneinhalb Jahren Gefängnis.

Sendung: rbb 88.8, 12.10.2023, 11:30 Uhr

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