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Video: rbb24 Abendschau | 23.10.2023 | M. Schiblinsky | Quelle: rbb

"Klima 2050" in Berlin

Wie Lehm zur Klimaanlage der Zukunft in Wohnbauten wird

2050 wird Berlin ein Klima haben wie heute Toulouse. Bebauung und Stadtplanung sind daran bislang aber nicht angepasst. An der TU Berlin suchen Forschende nach Wegen, die die Stadt klimaresilienter machen. Das Zauberwort heißt dabei: Lehm. Von Maren Schibilsky

Der Berliner Architekt Julian Mönig rührt in einer Werkstatt des Natural Building Lab in der Ackerstraße Lehm an. Vorsichtig gießt er zu einer Mischung aus Sand und Lehm immer wieder Wasser und vermischt das mit einer Maurerkelle. Die Masse darf nicht zu flüssig sein.

Mönig möchte künftig den Jahrtausende alten Baustoff Lehm als natürliche Klimaanlage im städtischen Wohnungsbau einsetzen. "Was mich am meisten an dem Baustoff fasziniert, ist, dass er ein ganz besonderes Innenraumklima hinbekommt und deshalb sollte er auch für alle Menschen in der Stadt zugänglich sein und nicht nur für Leute, die sich das leisten können", sagt Mönig.

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20 Millimeter könnten schon reichen

Noch ist Lehm als Baustoff sehr teuer. Und viel Wissen ist in letzter Zeit verloren gegangen: "Die meisten Planenden haben mit dem Baustoff keine richtige Erfahrung mehr", sagt Architekt Mönig. "Die ausführenden Firmen müssen wieder herangeführt werden und deswegen ist es auch wichtig, sich auf einer wissenschaftlichen Ebene mit dem Baustoff auseinander zu setzen."

Julian Mönig bestreicht in der Werkstatt eine Wand mit Lehm - kaum 20 Millimeter dick. So ein Lehmputz könnte in Zukunft die Klimaanlage in Innenräumen ersetzen, wenn sich Gebäude aus Glas, Stahl und Beton im Sommer stark aufheizen. "Der Lehm hat die Eigenschaft, dass er eine sehr hohe Wasseraufnahmefähigkeit besitzt. Das ist bei anderen Baustoffen nicht so", erklärt Mönig während er weiter die Wand mit Lehm bestreicht. "Dadurch wirkt der halt temperaturregulierend. Wenn die Feuchtigkeit aufgenommen wird und es im Sommer heiß wird, dann kann durch die Verdunstungskühle ein natürlicher Klimaanlageneffekt eintreten."

Wie stark dieser Effekt tatsächlich ist, wollen die Forschenden im Natural Building Lab der TU Berlin herausfinden. Masterstudentin Sophie Blochwitz führt regelmäßig Versuche mit Lehmbauplatten in einem Klimaschrank durch. Bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit stellt sie die Platten eine definierte Zeit lang in den Schrank. Vorher und nachher wiegt sie die Platten. "Wie viel Gewicht der Baustoff zu- oder abnimmt, darüber können wir die Wasseraufnahmefähigkeit und damit den Klimaeffekt, also die Regulierung der Luftfeuchtigkeit errechnen", berichtet Blochwitz. "Wir vergleichen unterschiedliche Lehmbauplatten mit konventionellen Baustoffen wie Gipsfaser, um die klimatischen Vorteile von Lehm zu zeigen."

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Klimaangepasste Architektur fehlt in Berlin noch im großen Rahmen

Architekt Julian Mönig hält diese Arbeit für die Klimaanpassung von Städten für sehr wichtig. Daten aus dem Brandenburgischen Landesamt für Umwelt zufolge wird Berlin 2050 rund 45 Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius und um die 13 sogenannten Hitzetage mit mehr als 30 Grad haben - der spürbare Klimawandel. Die Innenstadt kühlt sich demnach kaum ab - auch, weil Tropennächte zunehmen und im Sommer kaum Regen fällt. Die Trockenzeiten verlängern sich im Vergleich zu heute deutlich.

Von einer klimaangepassten Architektur sei Berlin weit entfernt, so Mönig. In einem Pilotprojekt der Wohnungsbaugesellschaft "Stadt und Land" soll in Britz-Süd moderner Lehmputz jetzt im Mietwohnungsbau eingesetzt und getestet werden. An einem Wandmuster im Institut für Architektur der TU Berlin am Ernst-Reuter-Platz zeigt Architekt Mönig, wie dieser Putz in Schichten aufgebaut ist. Auf einer Laminierungsauflage mit Feinputz erfolgt der Lehmanstrich. "Die Wand mit Lehmputz sieht genauso aus, wie man es gewöhnt ist. Ganz weiß mit glatter Oberfläche", zeigt Mönig. "Nur, dass hier der Vorteil ist, dass Wasserdampf eindringen und bei Bedarf, wenn es zu trocken ist, auch wieder austreten kann. Und das bringt dann die natürliche Kühlung mit sich."

Pilotprojekt in Britz-Süd startet 2024

Im kommenden Jahr sollen zwei Mietshäuser mit Lehmputz als Pilotprojekt in Britz-Süd gebaut werden. Auch bei der Sanierung von Bestandsbauten könnte sich Julian Mönig künftig Lehmputz vorstellen. Mit dem Projekt in Britz möchte der Berliner Architekt auf jeden Fall zeigen, dass sich die höheren Investitionskosten für den Lehm durch niedrige Energiekosten wieder amortisieren. "Da ist es auf jeden Fall so, dass man keine Klimaanlage nachrüsten muss und im Winter, wenn wir dann heizen, auch da wollen wir mit dem Projekt beweisen, dass die Innenraumtemperatur durch den Lehmputz als angenehmer empfunden wird und damit auch Heizkosten gespart werden können."

Modelle im Natural Building Lab. | Quelle: rbb

Nicht nur die TU Berlin sondern auch die BTU in Cottbus experimentiert mit dem Baustoff Lehm, der in Innenräumen für ein besseres Klima sorgen soll. Professorin Susan Draeger vom BTU-Lehrstuhl "Klimagerechtes Bauen und Betreiben" entwickelt Visionen für die Stadt Cottbus im Jahr 2050. Dabei setzt sie auf die Sanierung von bestehenden Gebäuden und Anbauten aus natürlichen Materialien. "Der Bestand hat sich schon amortisiert - ökologisch und von der Ökobilanz her", so Draeger: "Das heißt, diese Bausubstanz sollten wir nutzen und dann entsprechend sanieren und auch regenerative Energiesysteme für diese Bestandsbauten planen."

Allerdings existiert klimagerechtes Bauen bisher mehr in der Theorie als in der Praxis. "Der Spagat, den die Studierenden momentan bewältigen müssen: Hier an der BTU eignen sie sich das Wissen an, wie sie bauen für morgen, in der Praxis hapert es aber oft noch. Da treffen sie auf die alten, konventionellen Strukturen", so Draeger weiter.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Maren Schibilsky

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