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Audio: rbb24 Inforadio | 29.11.2023 | Sabine Müller | Quelle: dpa/C. Soeder

Streit in der CDU

Auf Distanz – Merz gegen Wegner, Wegner gegen Merz

Noch nie war es offensichtlicher als jetzt, dass Kai Wegner und Friedrich Merz nicht (mehr) miteinander können. Aber wie tief geht der Streit zwischen dem Regierenden Bürgermeister und dem CDU-Chef und was bedeutet er für die Partei? Von Sabine Müller

Wie es um das Verhältnis zwischen Kai Wegner und Friedrich Merz bestellt ist, zeigt sich nicht nur am Inhalt dessen, was gerade gesagt wird. Sondern auch und vor allem an der Form. Nachdem Wegner als erster CDU-Regierungschef eine Reform der Schuldenbremse gefordert und sich damit gegen Merz‘ Kurs gestellt hatte, war der Partei- und Fraktionschef hörbar verärgert.

Ob er schon mit den Ministerpräsidenten der CDU gesprochen habe, die sich offen für eine Reform zeigen, wird Merz am Montag von einem Journalisten gefragt und seine Antwort lässt tief blicken. "Es gibt einen Ministerpräsidenten - oder besser gesagt: Bürgermeister - der der Meinung ist, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz keinen Bestand haben sollte. Das ist nicht die Meinung der CDU. Das ist nicht die Meinung der Bundestagsfraktion".

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Merz greift Wegner an

Bürgermeister, sagte Merz, nicht einmal Regierender Bürgermeister. Der CDU-Chef wertet Kai Wegner zum Lokalpolitiker ab, versucht ihn da zu treffen, wo es richtig weh tut: bei der Eitelkeit. Außerdem stellt er Wegners Standpunkt als Einzelmeinung dar, will ihn ins Abseits schieben. Dabei haben andere CDU-Ministerpräsidenten durchaus erkennen lassen, dass auch sie für eine Überarbeitung der Schuldenbremse offen wären.

Es ist ungewöhnlich, wie Merz die Form nicht wahrt, obwohl das sonst auch bei harter Kritik üblich ist. Noch ungewöhnlicher ist, dass er es gleich zweimal hintereinander tut. Denn einen Tag später legt Merz vor dem versammelten Bundestagsplenum nach. "Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin", ruft er ins Rund und kanzelt Wegner ab. Ein Affront.

Wegner und Merz – Ein Duo mit Geschichte

Der Angegriffene wahrt die Form. Kai Wegner wiederholt am Dienstagmittag ruhig: "Ich will eine Reform dieser Schuldenbremse". Eine kleine Spitze schimmert aber durch, als er hinzufügt: "Wir hier in Berlin werben dafür, dass wir zu Lösungen kommen, die dem Land am Ende des Tages dienen". Das kann man so verstehen, dass Merz‘ Lösungsvorschläge dem Land nicht dienen.

Es ist noch nicht lange her, dass Kai Wegner zu den "Merzianern" gezählt wurde. Im Kampf um die CDU-Parteispitze sprach sich der Berliner 2020 für Friedrich Merz aus und lobte dessen "erkennbares Profil". Gemeint war: sein konservatives Profil, das für Wegner ganz offensichtlich genau seine Kragenweite und ein Pluspunkt des Kandidaten war. Exakt ist der Zeitpunkt, an dem es zwischen Merz und Wegner anfängt zu bröckeln, nicht festzumachen, aber klar ist, dass das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2021 für Unmut in der Bundes-Partei sorgte. Wegners CDU landete hinter SPD und Grünen nur auf Platz drei.

Diskussion in der CDU

Wegner pocht trotz Merz-Rüffel auf Reform der Schuldenbremse

Czaja und Wegner in inniger Abneigung verbunden

Als sich Ende 2022 dann die Wiederholungswahl abzeichnete, kam plötzlich das Gerücht auf, die Bundes-CDU wolle diesmal statt Wegner lieber Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn als Spitzenkandidaten sehen. Viele Christdemokraten vermuteten den damaligen Generalsekretär der Bundes-CDU, Mario Czaja, als Urheber des Gerüchts. Czaja und Wegner sind sich aus der Berliner Landespolitik in inniger Abneigung verbunden. Aber würde ein Generalsekretär solche Gedankenspiele streuen, ohne dass sein Chef dies gutheißt oder zumindest davon weiß?

Merz stellte sich nach den Gerüchten öffentlich hinter Wegner, aber in der Berliner CDU wurde genau registriert, wie mau die Unterstützung des Bundesparteichefs im Wahlkampf ausfiel.

Der Sommer der deutlichen Worte

Der deutliche Wahlsieg im Februar 2023 gab Kai Wegner Rückenwind, als Regierender Bürgermeister meldete er sich ab dem Sommer zunehmend bundespolitisch zu Wort - und ging dabei mehrfach deutlich auf Distanz zum Parteichef.

Etwa nach Merz‘ Aussagen im ZDF-Sommerinterview zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Wegner war der erste CDU-Regierungschef, der sich äußerte. Er twitterte: "Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist".

Diese klare Ansage wiederholte er am nächsten Morgen in einem Fernsehinterview. Von Wegners Leuten hieß es hinterher, das Interview sei länger geplant gewesen - man wollte offenbar den Eindruck vermeiden, der Regierende Bürgermeister sei zu forsch.

Im Sommer äußerte sich Wegner auch schon zu dem Thema, an dem sich der aktuelle Streit entzündet, und forderte eine Reform der Schuldenbremse. Für einen Mann, der früher als Hardliner in der CDU galt, waren das neue Töne, überhaupt tritt Wegner inzwischen deutlich liberaler auf.

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Wegner der "Anti-Merz"

Für noch mehr Aufmerksamkeit sorgte aber ein Interview zum Ablauf der nächsten Kanzlerkandidaten-Kür in der Union. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kommentierte danach, Wegner strenge "sich gar nicht mehr groß an, den Eindruck zu verwischen, er mache sich zum Sprachrohr derer in der CDU, die Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten verhindern wollen". Am Ende des Sommers hat Wegner in den Medien einen neuen Spitznamen: "Anti-Merz".

Von Politbeobachtern auf Landes- wie auf Bundesebene wird er eindeutig als Mitglied des "Team Wüst-Günther" identifiziert, als Teil einer Gruppe um die Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die ebenfalls nicht zu den Merz-Fans gehören. Klar ist: Nach seiner Neuerfindung als eher liberaler Christdemokrat passt Kai Wegner sicher besser zu seiner Stadt Berlin als früher, aber er passt nicht mehr zu Friedrich Merz.

Was bedeutet der Streit für die CDU?

Zwei führende CDU-Politiker beharken sich öffentlich. Ist das "nur" ein Scharmützel zwischen zwei Männern oder ist es viel mehr? Vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen Anfang Oktober kam aus verschiedenen Ecken der Partei die Prognose, die mit Merz Unzufriedenen würden danach nicht länger stillhalten und laut werden. Ist das, was gerade passiert, also eine Art verspätete Oktober-Revolution und der Auftakt dazu, Friedrich Merz auf offener Bühne anzuzählen, bevor es an die Entscheidung über die nächste Kanzlerkandidatur geht?

So prekär sei die Lage für Merz noch nicht, glauben Parteikenner und -insider, die Partei stehe nicht vor der akuten Zerfleischung. Aber es wird registriert, wie dünnhäutig und nervös der Parteichef ist, weil er weiß, wie viel für ihn auf dem Spiel steht. Wirklich neu dürfte die folgende Erkenntnis für Merz nicht sein, aber die vergangenen Tage haben ihm nochmal deutlich gezeigt, dass er auf die Unterstützung von Kai Wegner und der Berliner CDU bei seinen Kanzlerkandidaten-Träumen nicht zu setzen braucht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.11.2023, 16:45 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

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