DDR-S-Bahnen in Berlin
Eigentlich sollte es schon vor 20 Jahren für sie vorbei sein, doch viele von den S-Bahnzügen der Baureihe 485 fahren bis heute über Berliner Schienen. Nun steht die Ausmusterung kurz bevor. Fans können am Sonntag Abschied nehmen.
Nun ist endgültig Schluss mit den S-Bahn-Zügen der Baureihe 485. Sie werden ausgemustert, wie die S-Bahn Berlin jüngst ankündigte.
Für die Letzten ihrer Art haben sich die S-Bahn-Choreografen noch mal einen besonderen Abschied ausgedacht: Am Sonntag rattern die in der DDR entwickelten und von der S-Bahn als "Kind des Ostens" bezeichneten Züge noch einmal für mehrere Stunden mitunter sternförmig durch die Stadt. Alle können mitfahren. Und um der Tragik dieser letzten Fahrten genug Raum zu geben, treffen sich einige Züge stündlich - für ein kurzes stilles Verweilen zum Abschied.
Die Züge der Baureihe 485 können nach Bahn-Angaben nicht mit dem sogenannten Zugbeeinflussungssystem (ZBS) ausgestattet werden, das ab 2024 auf allen Strecken des Netzes erforderlich sein wird. Dadurch lässt sich beispielsweise die Geschwindigkeit besser überwachen und ermöglicht notfalls eine Abbremsung.
Ein großer Nachteil der älteren Züge gegenüber den neuen ist - neben den deutlich schwächeren Motoren -, dass durch Schlitze der Luftkühlung Schneeflocken eindringen konnten, die an warmen Bauteilen schmolzen und sie so unter Wasser setzen konnten. Bei den neuen S-Bahnen werden die Unterboden-Container der Leistungselektronik weiterhin luftgekühlt - allerdings mit kalter Luft in separaten Kanälen.
Schon Mitte der 2000er Jahre sollte für die Baureihe 485 Schluss sein, es ging dann aber doch nochmal zurück auf die Schiene für einige Exemplare. Zur Unterstützung des Fuhrparks wurde ein Teil der Züge ab 2010 schrittweise reaktiviert.
Schließlich war der 13. April 2023 für die Ausmusterung der alten DDR-Baureihe vorgesehen, wurde dann aber wieder verworfen. Die Züge durften noch den Sommer über weiterfahren. Und zwar deshalb, weil mehrere Fahrzeuge der Baureihen 481 und 480 aktuell für den Betrieb in den kommenden Jahren ertüchtigt würden. Aktuell sind noch 22 Viertelzüge der Baureihe im Bestand, wie die S-Bahn mitteilte.
Die DDR-S-Bahnen wurden Ende der 1970er Jahre vom VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" in Hennigsdorf (Oberhavel) entwickelt. Das Werk ging nach der Wende unter anderem durch die Hände von AEG, wurde von der früheren Daimler-Benz-Bahnsparte Adtranz übernommen und gehört heute dem kanadischen Verkehrskonzern Bombardier.
Die Züge lösten ab 1987 schrittweise die ersten elektrischen S-Bahnen der Baujahre ab 1927 ab. Die dann nach der Wende gebauten, heute rund 30 Jahre alten S-Bahnen aus Hennigsdorf wurden speziell auf das Berliner S-Bahn-Netz zugeschnitten, dessen Standards vor gut 100 Jahren entwickelt wurden.
Lange fuhren diese mit roter Lackierung durch die Stadt, was ihr auch den Spitznamen "Coladose" einbrachte. Ab 2002 erfolgte dann schrittweise die Umlackierung. Offiziell trug die Baureihe bei der Deutschen Reichsbahn (Staatsbahn der DDR) die Bezeichnung 270, die Deutsche Bahn taufte sie später nach der Übernahme in Baureihe 485 um.
Der erste Zug der neuen Baureihe hatte am 1. Januar 2021 den Betrieb aufgenommen. Insgesamt hat die Berliner S-Bahn bei den Herstellern Stadler und Siemens 106 dieser neuen Züge bestellt. Seit September die neue Baureihe 483/484 nach Angabend er S-Bahn Berlin komplett. "Die mit Klimaanlagen, modernen Anzeigen und Kameratechnik ausgestatteten Züge bieten mehr Komfort, Kapazität und Zuverlässigkeit für unsere Fahrgäste", so Peter Buchner, Geschäftsführer S-Bahn Berlin dazu.
Auch nach der offiziellen Verabschiedung am Sonntag können die Fahrzeuge der S-Bahn Berlin zufolge noch vereinzelt zum Einsatz kommen. Bis zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 bleiben die Züge demnach noch als Reserve erhalten.
Ein Wagen der Baureihe soll im Frühjahr als Ausstellungsstück an das Deutsche Technikmuseum übergeben werden, einen zweiten soll der Verein Historische S-Bahn erhalten.
Bahnmitarbeitende können immerhin Teile der alten Züge nicht nur im Museum bewundern. Am 13. November können Mitarbeiter Gepäckablagen und Sitzbänke der S-Bahnene erstehen, wie ein Bahnsprecher rbb|24 auf Nachfrage mitteilte. Zuerst hatte die "Berliner Zeitung" darüber berichtet.
Sendung: rbb24 Abendschau, 12.11.2023, 19:30 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen