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Audio: rbb24 Inforadio | 16.11.2023 | Amelie Ernst | Quelle: radioeins/Amelie Ernst

Nachwuchsmangel

Kosovarische Pflege-Azubis werden in Brandenburg ausgebildet

Neue Wege, um dem Pflegekräftemangel zu begegnen: Im Johanniter-Krankenhaus in Treuenbrietzen haben die ersten Schüler aus dem Kosovo ihre Pflege-Ausbildung begonnen – ein Vorbild für andere Krankenhäuser in Brandenburg. Von Amelie Ernst

Rheumatologie, Pneumologie, Allergologie – nach sechs Wochen Theorie sind Endrit Bilalli und die anderen drei kosovarischen Auszubildenden im Johanniter-Krankenhaus in Treuenbrietzen (Potsdam-Mittelmark) jetzt zum ersten Mal auf einer Station eingesetzt.

Manche Abläufe wie die Körperpflege sind noch neu für Endrit, andere kannte er schon von der Krankenpflegeschule im Kosovo: "Dort habe ich schon Infusionen und Injektionen gegeben und Wunden versorgt." Das Lernen mache Spaß, erzählen die vier, und die deutschen Klassenkameraden in der Pflegeschule seien sehr hilfsbereit. Trotzdem sei in Deutschland vieles anders als zu Hause im Kosovo.

Auch der 20-jährige Shasivar Kadrijaj war vorher noch nie im Ausland. Er telefoniere jeden Tag mit seinen Eltern und seinen Geschwistern, sagt er. Sie seien sehr froh, dass er den Ausbildungsplatz in Deutschland bekommen habe. Und sie seien stolz. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt im Kosovo bei über 50 Prozent.

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"Der Aufwand lohnt sich"

Gegen das gelegentliche Heimweh helfe das gemeinsame Kochen – wobei ihr der Start in Deutschland aber gar nicht so schwer gefallen sei, sagt Fitore Gashi. "Ich habe in Berlin meine Schwester. Meine Freunde machen es leichter für mich. Und wir haben Frau Koch – sie unterstützt uns sehr viel." Gemeint ist die Anne Koch, die Welcome-Managerin, die das Johanniter-Krankenhaus extra eingestellt hat, um ausländischen Azubis und Mitarbeitenden den Start in Treuenbrietzen zu erleichtern.

Anne Koch kümmert sich um Möbel, Krankenversicherungen, Handy-Verträge und darum, dass die Neuen sich hier schnell wohlfühlen. "Es läuft super", sagt sie. "Wir haben uns zum Beispiel eine gemeinsame Jogging-Runde ausgemacht, und mit einer Mitschülerin sind sie gestern mit dem Auto zum Einkaufen gefahren." Der Aufwand bei der Integration sei immens, so Koch, doch er sei auch immens wichtig und lohne sich langfristig.

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Langes Auswahlverfahren

Mehr als ein Jahr vergeht vom Auswahlverfahren bis zur Ankunft der kosovarischen Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler in Brandenburg. Vorbereitungskurs und Deutschunterricht finden im Kosovo statt - und erst wenn beides erfolgreich absolviert wurde und die Formalitäten geklärt sind, dürfen die jungen Leute nach Deutschland einreisen.

230.000 Euro investiert das Land Brandenburg pro Jahr in dieses Pilotprojekt "National Matching" - zunächst befristet bis 2024. Vorbild ist dabei Baden-Württemberg. Dort hat sich die Anwerbung von Pflege-Azubis aus dem Kosovo bereits über Jahre etabliert.

Den größten Teil der Vorbereitungskosten tragen allerdings die interessierten Brandenburger Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit etwa 4.000 Euro pro Azubi. Dazu kommen später die Kosten für Deutschkurse und die Unterbringung in Deutschland. Die Hoffnung der Treuenbrietzener Klinikleitung richtet sich dabei darauf, dass die sorgfältige Auswahl und eine gute Integration sich am Ende auch auszahlen, denn die Pflegekräfte aus dem Kosovo sollen bleiben und das Team langfristig verstärken.

Jeder fünfte Pflege-Azubi kommt aus dem Ausland

Andere Brandenburger Kliniken und Pflegeeinrichtungen wollen es machen wie die Kollegen in Treuenbrietzen. Auch Personalmanager Matthias Rehder von den Havelland-Kliniken ist bereits in den Kosovo gereist, um vier Azubis für seine Pflegeschule auszuwählen. "Als Schule brauchen wir Schüler, um die Klassen vollzubekommen", sagt Rehder. "Der Bedarf an Pflegekräften ist immens." Man habe immer schon viel ausgebildet und übernommen, brauche aber "noch mehr".

Ähnlich groß ist der Bedarf an Pflegekräften bei den Sana-Kliniken Niederlausitz. Mittlerweile komme etwa jeder fünfte Azubi in den beiden Pflegeklassen aus dem Ausland, berichtet Teresa Sommer, die dort für die Personalgewinnung zuständig ist.

Begleitete Projekte wie das im Kosovo machten die Verfahren für die Kliniken einfacher - allerdings gebe es auch viele direkte Bewerbungen aus dem Ausland. "Wir haben jetzt auch Schüler aus Afrika, die sich super gut machen, die sich sehr gut integrieren und die ein hohes Maß an Eigeninitiative zeigen." Voraussetzung für einen Ausbildungsvertrag seien allerdings immer gute Sprachkenntnisse, oder zumindest solche, auf denen man aufbauen könne, so Sommer.

Nach dem erfolgreichen Vorbereitungskurs und der Deutschprüfung im Kosovo könnten im kommenden Jahr die nächsten 30 Pflege-Azubis nach Brandenburg kommen. Die acht Kliniken und Pflegeeinrichtungen im Projekt rechnen fest mit ihnen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2023, 16:20 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

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