Interview | Landeskompetenzzentrum Eberswalde
Immer wieder gehen Pilzesammler im Wald verloren. Am Wochenende musste per Hubschrauber nach einem 60-Jährigen gesucht werden, der sich verlaufen hatte. Wie man sich in so einer Situation selbst helfen kann, erklärt Experte Jan Engel.
Bunte Blätter und die Pilz-Saison locken vor allem im Herbst zahlreiche Menschen in die Brandenburgischen Wälder. Allerdings können Wanderer auf längeren Strecken schon mal die Übersicht verlieren. In den vergangenen Tagen haben zwei vermisste Pilzsucher in Oder-Spree und Cottbus Suchaktionen der Polizei ausgelöst.
Aber wie kann man sich im Wald orientieren, wenn man sich verlaufen hat? Jan Engel vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde (Barnim) erklärt, wie es gehen kann.
rbb|24: Herr Engel, zunächst einmal: Was haben wir aktuell für ein Pilz-Jahr?
Jan Engel: Es ist ein ziemlich gutes und auch ein langes Pilz-Jahr. Wir haben noch keine strengen Fröste gehabt, die die Pilze wieder zunichtemachen. Und die Pilzsammler sind auch munter unterwegs und haben gute Ernten.
Haben Sie den Eindruck, dass sich aktuell mehr Menschen als sonst im Wald verlaufen?
Es sind viele Menschen im Wald unterwegs und die Kollegen im Außendienst bemerken, dass sie immer mal wieder nach dem Weg gefragt werden. Verlaufen kommt eher selten vor. Man hört gelegentlich davon, aber es ist doch nicht so häufig. Wir hatten in unserer Gegend aktuell keine Fälle, wo jemand gar nicht mehr aus dem Wald herausgefunden hat.
Erst am vergangenen Wochenende hat sich allerdings ein Mann auf Pilzsuche im Wald bei Eisenhüttenstadt verlaufen. Am Montag gab es einen Fall in der Cottbuser Region. Woran liegt es, dass sich Menschen verlaufen?
Wir haben zwei Sorten von Sammlern, die wir beobachten. Manche, die ihr Auto gar nicht aus dem Blick lassen und nur auf sehr kurzen Wegen von beispielsweise Straßen unterwegs sind. Und dann manche, die richtige Fernexpeditionen unternehmen. Vielleicht verlieren die Leute sich beim Pilze sammeln und gehen ihrem Jagdinstinkt so nach, dass sie Raum und Zeit vergessen. Man sollte sich schon seinen Ausgangsort merken und wenigsten schon mal ein bisschen wo man hinläuft, und die Richtung halten.
Verlassen sich die Waldgänger vielleicht zu sehr auf ihre Technik?
Die Gefahr sehe ich. Es gibt schöne Apps zum Wandern oder zu Rettungspunkten im Wald, womit man navigieren kann. Aber wir wissen alle: meistens ist der Akku leer, wenn man ihn braucht. Außerdem haben wir viele Gebiete in Brandenburg, wo wir gar kein richtiges Netz haben - insbesondere in den großen Waldgebieten nicht.
Möglicherweise geht die natürliche Orientierung auch etwas verloren. Wir von der etwas älteren Generation haben so etwas teilweise noch in der Schule gelernt. Vielleicht fehlt auch einfach die Erfahrung, wenn man nicht oft genug im Wald ist oder sich eben zu sehr auf die Technik verlässt.
Schon bei Hänsel und Gretel hat sich gezeigt, dass Brotkrumen nicht dazu taugen, verlässlich seine Wege zu markieren. Womit geht es besser?
Man kann sich irgendwo einen Holzstock hinwerfen, Kiefernzapfen oder mal einen kleinen Ast abbrechen, um sich Wiedererkennungspunkte zu schaffen. Oder man merkt sich markante Wegepunkte. Man kann sich aber zum Beispiel auch an Geräuschen orientieren. Wenn in der Nähe eine Eisenbahnstrecke oder Autobahn zu hören ist, dann weiß man immerhin schon mal seine Richtung. Am besten möglichst alle Informationen aufnehmen und zusammentragen.
Ist es denn in den Brandenburger Wäldern überhaupt notwendig, sich seine Strecken zu markieren oder sind nicht genug Markierungen wie beispielsweise Wanderschilder vorhanden?
An den Wegen sind vielfach Markierungen, die häufig auch von den Kommunen unterhalten werden. Aber gerade Pilzsammler sind auch abseits der Wege unterwegs. Da kann es dann doch schon mal passieren, dass man sich verläuft.
Gibt es denn allgemeine Tipps zur besseren Orientierung?
Es gibt es ein paar Grundsätze. Da wäre erst einmal der Lauf der Sonne. Man sollte wissen, wo sie auf- und im Tagesverlauf rumgeht, sodass man dem anhand der Uhrzeit ein bisschen folgen kann. Mittags um 12 Uhr steht die Sonne im Süden. Da ist man immer auf der sicheren Seite.
Eine wirkliche Empfehlung ist es deshalb, eine Uhr und einen Kompass mit in den Wald zu nehmen. Vielleicht, um es einfach auch mit ein bisschen Spaß zu üben und es mal den Kindern zu zeigen.
Die Waldwege in Brandenburg bei uns im Flachland sind oft sehr rechtwinklig angelegt. Die großen Wege verlaufen meist von Ost nach West, die etwas kleineren von Süd nach Nord. Und wer diese kleinen Steine im Wald kennt - diese forstlichen Abteilungs- oder Jagensteine -, die haben eine Nummerierung. Wer da genau hinschaut wird bemerken, dass die oft von Südost nach Nordwest verlaufen. Wenn man sich genau auskennt und ein bisschen Ahnung davon hat, kann man sich daran orientieren.
Gruppen sollten zusammenbleiben und nicht noch einzelne Leute losschicken, die sich dann nicht wiederfinden.
Und wenn man sich wirklich mal verlaufen hat?
Am besten eine Richtung beibehalten, die man geht - auch anhand der Sonne und von Geräuschen. Nicht immer nochmal abbiegen, denn man neigt dazu, im Kreis zu laufen. Und man sollte vor allem auch Ruhe bewahren, nochmal überlegen, wo man herkam und ob dort irgendwelche Zeichen waren.
Es wird momentan schnell dunkel in dieser Jahreszeit. Vielleicht sind auch irgendwo Lichter zu sehen. Und wenn es wirklich so dunkel geworden ist, dass man nicht mehr weiter findet, am besten an einem Ort verharren und schauen, ob es Netz gibt.
Vielleicht ist auch nochmal ein Jäger, Förster oder jemand unterwegs, der sich auskennt. Und man sollte sich durch Rufen akustisch bemerkbar machen.
Was sind die größten Gefahren, die in den hiesigen Wäldern drohen?
In dieser Jahreszeit würde ich sagen, ist es die Kälte: Wenn man nicht warm genug angezogen ist. Die Unterkühlung kann eintreten, wenn man nicht ständig in Bewegung ist. Die Gefahr von Wildtieren schätze ich eher nicht so hoch ein. Dehydrierung kann schon mal eintreten, aber eher selten.
Wie lang müssen Spaziergänger denn im Brandenburgischen Wald laufen, eher sie auf größere Wege, Straßen oder Ortschaften treffen?
Wenn ich an große Waldgebiete wie die Schorfheide oder die Lieberoser Heide denke, können das schon zwischen fünf und acht Kilometer werden, bis man irgendwo ankommt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tony Schönberg für Antenne Brandenburg. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 21.11.2023, 16:40 Uhr
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