Anklage gegen mutmaßliche Mitglieder von "Reichsbürger"-Gruppe erhoben
Gut ein Jahr nach der bundesweiten Razzia gegen eine "Reichsbürger"-Gruppe hat die Bundesanwaltschaft eigenen Angaben zufolge Anklage erhoben. Zu der Gruppe gehört auch die frühere Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen 27 mutmaßliche Mitglieder eines Netzwerks sogenannter Reichsbürger um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß erhoben. Das teilte die Bundesanwaltschaft am Dienstag [generalbundesanwalt.de] in Karlsruhe mit.
Bereits am Montag hatte unter anderem der MDR [mdr.de] darüber berichtet, dass es sich um den harten Kern der Verschwörer handle. Dem "Spiegel" zufolge geht es um den "inneren Zirkel", der nun vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main angeklagt worden sei.
Auch Anklage gegen ehemalige Berliner Richterin
Dazu gehören unter anderem Reuß selbst und die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann (in der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft abgekürzt mit B. M.-W.). Gegen die zwei und acht weitere Personen wurde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Anklage erhoben. [generalbundesanwalt.de]
Acht Anklagen gab es am Oberlandesgericht München [generalbundesanwalt.de] und neun vor dem Oberlandesgericht Stuttgart [generalbundesanwalt.de]. Die Vorwürfe lauteten auf Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereiten eines "hochverräterischen Unternehmens".
Am 7. Dezember vergangenen Jahres hatte die Bundesanwaltschaft in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien 25 Frauen und Männer festnehmen lassen. Darunter waren die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Als einer der Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß.
Der Kreis der Verdächtigen ist weitaus größer und wächst im Zuge der Ermittlungen stetig. Viele von ihnen sitzen in Untersuchungshaft.
Malsack-Winkemann seit Razzia in U-Haft
Das mutmaßliche Netzwerk war bei einer bundesweiten Razzia am 7. Dezember 2022 aufgedeckt worden. Seine Mitglieder sollen geplant haben, das demokratische System mit Gewalt zu stürzen.
Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann ist seit einer Razzia gegen die "Reichsbürger"-Szene in Untersuchungshaft. Nun darf sie vorerst nicht weiter als Richterin tätig sein, zudem werden ihr die Dienstbezüge halbiert.
Malsack-Winkemann befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Von 2017 bis 2021 saß sie für die AfD im Bundestag, im März 2022 kehrte sie zunächst in den Richterdienst zurück. Im März diesen Jahres entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Juristin nicht weiter als Richterin tätig sein darf.
Schon im Sommer 2022 hatte die Senatsverwaltung für Justiz versucht, Malsack-Winkemann aus dem Richterdienst zu entfernen und in den Ruhestand zu versetzen – "im Interesse der Rechtspflege". Als Beleg für problematische Einstellungen wurden Äußerungen von ihr aus Bundestagsreden und den sozialen Medien über Geflüchtete angebracht. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte den Ruhestandversetzungs-Antrag der Justizverwaltung jedoch zurückgewiesen.
Beschuldigte wollten das politische System in Deutschland stürzen
Malsack-Winkelmann soll zusammen mit den anderen Beschuldigten vorgehabt haben, das politische System in Deutschland zu stürzen. Sie hätten bewusst Tote in Kauf genommen. Strukturen für eine eigene Staatsordnung hätten sie in Grundzügen schon ausgearbeitet, hatten die Ermittler damals erklärt. Als Staatsoberhaupt hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Richterin Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen.
BGH-Akten zeigen, wie detailliert eine Gruppe von im vergangenen Jahr aufgeflogenen "Reichsbürgern" die Erstürmung des Bundestags geplant haben soll. Eine zentrale Figur bei den mutmaßlichen Vorbereitungen: die Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
Zentrales Gremium der Gruppe sei ein "Rat". Mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs hätte eine Übergangsregierung die neue staatliche Ordnung in Deutschland verhandeln sollen. "Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen ist aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation."
Ein "militärischer Arm" sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen "beseitigen", hieß es. Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ein weiterer Plan war den Ermittlungen zufolge, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen.
"Reihsbürgerszene" soll um die 23.000 Anhänger haben
"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene im vergangenen Jahr rund 23.000 Anhänger zu (2021: 21.000). Bei mehr als fünf Prozent - rund 1.250 Menschen - handele es sich um Rechtsextremisten. Als gewaltorientiert gelten demnach etwa 2.300 der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter".