Silvester in Berlin
Wenige Tage vor Silvester bereitet sich Berlin auf eine weitere Krawallnacht vor. Einsatzkräfte bitten, nicht angegriffen zu werden. Zivilpolizisten sind bereits auf den Straßen unterwegs, und es werden Forderungen nach einem Präventivgewahrsam laut.
Die Polizei und die Feuerwehr in Berlin warnen zum Start des Feuerwerksverkaufs am Donnerstag mit einem gemeinsamen Video vor dem Missbrauch von Böllern und Raketen. "Wir gehen gemeinsam in den Einsatz. Damit ihr Silvester sicher feiern könnt. Und um euch zu helfen, wenn ihr uns braucht", sagen eine Polizistin, ein Polizist und ein Feuerwehrmann in dem am Mittwoch auf der Plattform X (früher Twitter) veröffentlichten Posting.
"Bitte respektiert unsere Arbeit. Gebt uns genug Platz dafür. Und folgt unseren Anweisungen", heißt es weiter: "Greift uns nicht an. Beschießt uns nicht mit Böllern, Raketen oder Schreckschusswaffen. Ihr macht euch strafbar und euch drohen mehrere Jahre Gefängnis." Die drei Beteiligten appellieren: "Also verbaut euch nicht eure Zukunft. Und respektiert uns. Die Menschen, die für euch und eure Familien da sind."
Im vergangenen Jahr sorgten Vorfälle für bundesweite Empörung - in der Hauptstadt wurden Rettungskräfte nach Worten von Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik gezielt in mutmaßliche Hinterhalte gelockt.
In Berlin soll es nun zum Jahreswechsel den größten Polizeieinsatz an Silvester seit Jahrzehnten geben. Slowik sagte am Mittwoch, dass bereits Zivilpolizisten im Stadtgebiet unterwegs seien, um die Lage zu beobachten und Randalierer festzunehmen. Zum Jahreswechsel selbst seien dann insgesamt bis zu 2.500 Beamte aus Berlin und anderen Bundeslänern im Einsatz. Hinzu kämen 500 Bundespolizisten und noch einmal 1.000 Beamte in Wachen und Streifenwagen. Auch mehr Staatsanwälte sollen in der Silvesternacht im Dienst sein.
Die Berliner Feuerwehr kündigte am Donnerstag an, am Silvesterabend um 19 Uhr planmäßig den Ausnahmezustand auszurufen. Damit einher ginge unter anderem eine personelle Verstärkung der Feuerwachen. Auch Freiwiliige Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Bundeswehr und Technisches Hilfswerk würden für den Jahreswechsel eingebunden. Die Feuerwehr gab an, mit 782 hauptamtlichen sowie 545 ehrenamtlichen Feuerwehrkräften im Einsatz zu sein. Insgesamt habe man die Personalstärke im Vergleich zum Regelbetrieb verdreifacht. Man sehe sich als Berliner Feuerwehr daher gut vorbereitet.
Welche Wirkung die Böllerverbotszonen haben werden, ist noch offen - aber die Feuerwehr setzt zudem zu Silvester auf eine technische Neuerung. Die Rettungskräfte können unterwegs online sehen, wo es zu Angriffen kommt. Anfahrende Kräfte, die eventuell nur einen Transfer durch einen derartigen Bereich hätten, könnten diesen auf diese Weise umfahren, sagte der Landesbranddirektor. "Kräfte die in diese Bereiche hineinfahren müssen, können über die zweite technische Neuerung eine direkte Ansprache mit verfügbaren Polizeieinheiten vor Ort eingehen, um Schutz zu erfahren", erklärte Homrighausen.
Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch sagte im rbb24 Inforadio, nach den Übergriffen im vergangenen Jahr habe man in den betroffenen Kiezen Projekte mit Jugendlichen angestoßen und die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert. "Wir können davon ausgehen, dass es auch wieder solche Szenen wie im vergangenen Jahr geben wird - aber wir haben uns da eben jetzt anders aufgestellt, in der Abstimmung mit der Polizei, in der Information der eigenen Einsatzkräfte", sagte Kasch.
Anders sieht dies die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG). Es reiche nicht, wenn der Senat 14 Tage vor Silvester Richtlinien herausgebe, wie man sich bei Angriffen am Einsatzort verhält, kritisierte Manuel Barth, stellvertretender Landesvorsitzender der DFeuG Berlin-Brandenburg, am Mittwoch. Die Einsätze hätten geübt werden müssen, bis es einem in Fleisch und Blut übergehe. Im Gespräch mit Kollegen der Wache Neukölln hätten ihm diese zurückgemeldet, dass ihnen nichts gesagt worden sei, sagte Barth. Unabhängig davon hätte beispielsweise der freie Verkauf von Schreckschusswaffen längst eingeschränkt werden müssen.
"Ich kenne die Kritik. Wenn ich es im September veranlasst hätte, dann ist es zu weit weg von Silvester, man hats nicht mehr im Kurzzeitgedächtnis. Insofern kann man da sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein", entgegnete der Berliner Landesbranddirektor Karsten Homrighausen. Am Tag vor Silvester soll es in den Feuerwachen noch mal ein Online-Briefing geben.
Der CDU-Innenexperte Burkard Dregger plädiert derweil für ein entschiedenes Vorgehen gegen Straftaten zu Silvester. Nach den Ausschreitungen vor einem Jahr und angesichts der "Emotionalisierung auf Berlins Straßen" nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sei ein Kurswechsel erforderlich, sagte Dregger am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
"Wer öffentlich ankündigt oder dazu aufruft, Polizei, Rettungskräfte, Unbeteiligte oder fremdes Eigentum in der Silvesternacht anzugreifen", sei in Präventivgewahrsam zu nehmen, forderte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Das Gleiche gelte für diejenigen, bei denen Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden würden, die ersichtlich dazu bestimmt seien, in der Silvesternacht Polizei, Rettungskräfte, Unbeteiligte oder fremdes Eigentum anzugreifen.
Präventivgewahrsam für die Dauer der Nacht hält Dregger auch bei denen für sinnvoll, die bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlass bei Angriffen auf Polizei, Rettungskräfte, Unbeteiligte oder fremdes Eigentum aufgefallen seien - "wenn nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist", so der CDU-Politiker.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.12.23, 19:30 Uhr
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