Endhaltestelle für den 822er
Das Umsteigen vom Auto in den Öffentlichen Nahverkehr ist erklärtes Ziel der Politik. Doch im ländlichen Raum ist das gar nicht so einfach. Noch schwieriger wird es bald in Birkenwerder - dort soll zum Jahresende eine wichtige Buslinie eingestellt werden. Von Karsten Zummack
Durch Pfützen und über teils holprige Sandpisten kommt er angepoltert: der 822er Bus. Hier am nördlichen Ende von Birkenwerder (Oberhavel), am Waldfriedhof, steigen morgens um halb acht vor allem Kinder ein, die zur Schule wollen. Aus dem Dunkel der Straßen des neuen Wohngebietes kommen sie mit Ranzen zur Haltestelle.
Auch die zehnjährige Luna nutzt die Verbindung Richtung Pestalozzi-Grundschule in der Innenstadt. "Meine Tochter ist sehr dringend darauf angewiesen. Sie müsste sonst bei jedem Wetter immer ungefähr anderthalb Kilometer zur Schule laufen, durch dunkle Straßen oder über die Autobahnbrücke", sagt Mary Tjardes. Die 41-jährige Mutter zweier Kinder macht im Ort mobil für die Beibehaltung der sogenannten Birkenlinie. Seit zwei Jahren rollt der Bus zwischen Birkenwerder und Hohen Neuendorf testweise.
Zumindest morgens vor Schulbeginn ist der Bus recht gut gefüllt, "teilweise sogar überfüllt", wie die rührige Frau betont. Außerdem könne man dadurch den Autoverkehr und die Zahl der "Elterntaxis" reduzieren. Trotzdem soll das Projekt nun auslaufen.
Mehr als 2.300 Unterschriften hatten Mary Tjardes und ihre Mitstreiter gegen das drohende Ende der Verbindung gesammelt und während einer Kreistagssitzung im Oktober dem Landrat von Oberhavel, Alexander Tönnies (SPD) übergeben. Trotzdem besiegelte das Kommunalparlament an jenem Abend mit knapper Mehrheit (22 zu 19) das Aus für den 822er Bus.
Grundlage für die Entscheidung waren Fahrgastzählungen der zuständigen Oberhavel Verkehrsgesellschaft (OVG). "Wir mussten dabei leider feststellen, dass gerade der Teil in der Gemeinde Birkenwerder schwach nachgefragt wird", erklärt OVG-Geschäftsführer Andreas Ernst. Die Zahlen, die der Nahverkehrsplan vorgibt, würden nicht erreicht. Deshalb wollte der Kreis die Finanzierung der Buslinie nicht übernehmen. Insgesamt 5,2 Millionen Fahrgäste befördert die Gesellschaft pro Jahr im ganzen Kreis, bedient 43 Linien.
Der 822er wird ab dem kommenden Jahr wohl nicht dazu gehören. Zumindest in der jetzigen Form dürfte Schluss sein. Hohen Neuendorf will die Linie selbst weiterführen. "Wir werden die Verbindung nun aus eigenen finanziellen Mitteln stemmen", verspricht Bürgermeister Steffen Apelt (CDU). Allerdings soll der Bus dann nur noch zwei Haltestellen im Nachbarort ansteuern, ansonsten in der eigenen Gemeinde unterwegs sein.
Der mögliche Partner indes winkt ab. "Das Geld ist so knapp, dass wir den Bus nach zwei Jahren einstellen", räumt Birkenwerders Bürgermeister Stephan Zimniok (parteilos) ein. Die Gemeindevertretung hatte die Finanzierung des Projektes abgelehnt. Zimniok sieht für die "Daseinsvorsorge mit Anbindung an den ÖPNV" ohnehin Land und Landkreis in der Pflicht. Dabei weiß er um die Befindlichkeiten im Ort. Auch auf seinem Schreibtisch liegt ein vorweihnachtlicher Wunschzettel, auf dem Schüler für die Fortführung des 822er unterschrieben und gemalt haben.
Bisher waren die Aktionen erfolglos. Doch aufgeben möchte Mary Tjardes auch zwei Wochen vor dem eigentlichen Stichtag nicht. Sie hofft zumindest auf einen Kompromiss. "Ich möchte, dass der Bus wenigstens für die Schüler weiterfährt", so Tjardes. Denkbar ist eine abgespeckte Linie, die nur noch zu den Stoßzeiten unterwegs ist. Doch auch an einer solchen Notvariante müsste sich Birkenwerder finanziell beteiligen – verbunden mit einem neuen, positiven Votum der Gemeindevertreter.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 13.12.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Karsten Zummack
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