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Wohnungsnot bei Berliner Studierenden
Coco ist 23, studiert, und weil sie kein bezahlbares Zimmer gefunden hat, lebt sie wieder mit ihren Eltern zusammen. Vanessa Klüber war auf WG-Besuch.
Wenn Coco von der Uni nach Hause kommt, fährt sie in einem gläsernen Aufzug hoch in ihre Prenzlauerbergwohnung mit 106 Quadratmetern und Blick auf den Fernsehturm. 2.060 Euro im Monat kostet die Wohnung kalt, aber Coco wohnt hier gratis – zumindest fast: Die Miete zahlen ihre Mutter Tina und ihr Vater Ben, mit denen sie hier zusammenwohnt, so wie ein weiterer WG-Mitbewohner, ein 28-jähriger Student. Cocos Kindergeld wird für die Miete verwendet.
Dass Coco mit 23 Jahren wieder bei ihren Eltern wohnt, ist so eigentlich nicht vorgesehen. Sie kommt nach Berlin, sucht ein WG-Zimmer - und findet wie so viele andere Studierende keins auf Dauer.
Coco wächst als Kind in New York in den USA mit ihrer Mutter, Deutsche, und ihrem Vater, Engländer, auf. Nachdem sie von zu Hause auszieht, sammelt sie gute und weniger gute WG-Erfahrungen in Philadelphia. In Berlin beginnt sie, zeitgenössischen Tanz und Choreografie an der Universität der Künste zu studieren und auch Vater und Mutter ziehen unabhängig von Cocos Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche nach Berlin. Cocos Wohnungsnot ist jedoch schließlich einer der Gründe, warum sich die Familie entscheidet, im Dezember 2022 zusammenzuziehen.
"Ich habe das total unterschätzt. Berlin ist eine andere Nummer", sagt Coco und meint den Wohnungsmarkt im Vergleich zu New York und Philadelphia. Ein paar Freunde hätten sie ja gewarnt. "Aber ich hab' das glaube ich nicht so gecheckt oder nicht so ernst genommen. Dann war ich in diesem Studium, hatte nur diese kurzfristige Wohnung, musste plötzlich was finden und kannte niemanden."
"Fuckoff" steht auf Cocos T-Shirt. Vielleicht ist das ein Statement an die Herausforderungen des Berliner Mietmarkts, die sie auch erlebt hat. Denn die Angebotsmieten klettern von 6,65 Euro pro Quadratmeter kalt 2012 auf 10,62 Euro 2018. Nach einer kurzen Atempause bis Anfang 2022 erfolgt ein ruckartiger Anstieg auf über 13 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete.
Die Wohnsituation von Studierenden wird durch umfassende Daten des CHE Hochschulrankings und der 22. Sozialerhebung des Studierendenwerks [bmbf.de] beleuchtet, die 2021 während der Coronapandemie gesammelt wurden - demnach leben in Deutschland 28 Prozent der Studierenden in Deutschland noch bei den Eltern, in Berlin sogar 32 Prozent. Vor der Pandemie (2018) waren es 25 Prozent. Coco ist damit Teil einer wachsenden Realität.
Als Coco ihre WG betritt, sind ihre Eltern gerade von einem zweiwöchigen Urlaub zurückgekommen, "Oh, you’re baaaack", schreit Coco, "Surprise!" wirft ihr der Vater entgegen und sich dann in ihre Arme. Coco hatte sie ein bisschen später zurückerwartet, wird nun auch von der Mutter fest gedrückt. Koffer werden durch die Perlenvorhänge geschoben, dann gemeinsames Tischdecken für ein Kaffeekränzchen. "Es fühlt sich erstmal gut an, wenn die Kinder ihr eigenes Ding machen. Ich war stolz, wie sie sich ein Leben aufgebaut hat", sagt Mutter Tina über ihre Tochter. "Und dann fand ich es sehr schade, dass sie mit uns wieder zusammenziehen muss. Für sie."
Coco strahlt aus, dass sie das Ganze gar nicht so schade findet: Sie, Mutter und Vater suchten auch wieder die Nähe zueinander, weil der Vater an Krebs erkrankt ist. Auch deswegen wollen sie jetzt füreinander da sein. Darüber hinaus sagt Coco: "Oh mein Gott, es ist so gut, mit älteren Menschen zusammenzuwohnen, die Kommunikation ist viel direkter." Bei Problemen fresse man nicht in sich hinein, sondern versuche darüber zu reden.
Und es sei viel ordentlicher als in damaligen Studenten-WGs. Einen starren Putzplan gibt es nicht, "hält sich eh keiner dran", sagt Tina. Stattdessen trage jeder zur Sauberkeit bei. Doppelfensterscheiben müssen laut Tina vom Kondenswasser befreit, Pflanzen gegossen werden, der Rest ergebe sich.
Stil und Interessen von Coco und ihren Eltern ähneln sich. Ein kleiner Altar steht sowohl bei Coco, als auch bei den Eltern im Zimmer. Wände sind in beiden Zimmern in purpurtönen, gemeinsam geschaffene Kunst an jeder Ecke, Sitzkissen zum Meditieren. Manchmal musizieren alle miteinander. Besuch ist jederzeit willkommen, heißt es. Auch wenn der manchmal fremdele. "Da ist oft so eine Zurückhaltung", sagt Tina. "Die sehen dann aber, dass das eigentlich ganz locker hier ist. Dass sie sich nicht benehmen müssen." Rauchen bei Coco im Zimmer ist erlaubt.
Es sei aktuell nicht ihre Priorität, auf Wohnungssuche zu gehen, sagt Coco. Ohnehin hat sie Druck: Das Studium ist für sie intensiv. Und weil Coco ansonsten für sich selbst sorgen möchte, macht sie mehrere Nebenjobs mit schonmal 16 Stunden in der Woche. Zeit, die für die Wohnungssuche fehlt.
Günstiger als ein Zimmer auf dem normalen Wohnungsmarkt wäre noch ein Zimmer in einem Studierendenwohnheim. Allerdings kommen auf derzeit rund 9.200 Plätze in ganz Berlin rund 197.000 Studierende, die in diesem Semester in Berlin eingeschrieben sind. In Berlin leben verhältnismäßig die wenigsten Studierenden in einem Wohnheim im Bundesländer-Vergleich. 250 bis 280 Plätze will die Berliner Senatsverwaltung für Bauen bis Ende 2024 bewilligen, im Rahmen des vom Bundesbauministerium aufgesetztem Programm für studentisches Wohnen. Wann diese dann entstehen, kann die Senatsverwaltung auf rbb-Anfrage hin, allerdings nicht konkretisieren.
Irgendwann wird Coco trotzdem ausziehen, das ist allen klar, wann genau weiß niemand. Bis dahin will die Familie aber das Zusammenleben noch genießen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.12.2023, 19:30 Uhr
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