Medienbericht
Die Berliner Verkehrsbetriebe sollen eine Ausschreibung für halbautomatisierte U-Bahnen planen, die also zum Teil autonom fahren können. Doch bis solche Bahnen durch Berlins U-Bahntunnel fahren, könnte es sehr lange dauern. Von Yasser Speck
Der Job einer U-Bahn-Fahrerin bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) könnte in Zukunft etwas entspannter werden. Denn die BVG plant offenbar eine Ausschreibung für halbautomatisierte U-Bahnen. Das berichtet der "Tagesspiegel". Der Fahrgastverband Pro Bahn Berlin-Brandenburg begrüßt die Idee. "Das ist aus Fahrgastsicht natürlich zu begrüßen", sagt deren Pressesprecher Thomas Schirmer dem rbb.
Halbautomatisierte U-Bahnen sind Züge, die fast autonom fahren. In ihnen sitzt aber immer noch ein Fahrer oder eine Fahrerin. Die Ausschreibung soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden, berichtet der Tagesspiegel und bezieht sich dabei auf BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt. Der Bau könnte sich allerdings Jahrzehnte lang hinziehen. Außerdem stellt sich die Frage, wie barrierefrei immer automatisiertere U-Bahnen sind.
Bei U-Bahnen gibt es verschiedene Automatisierungstypen. Aktuell sind die U-Bahnen der BVG nicht automatisiert. Das bedeutet, dass die Fahrerin alles allein machen muss: Türen öffnen und schließen. Anfahren und Einfahren. Beim höchsten Automatisierungstypen, wie es ihn zum Beispiel in Paris gibt, fahren die Züge ganz ohne Fahrerin von Haltestelle zu Haltestelle.
Die BVG will in Zukunft wohl vorerst einen Mittelweg wählen. So heißt es im Tagesspiegel, es sollen halbautomatisierte U-Bahnen geplant sein, in denen immer noch eine Fahrerin oder ein Fahrer mitfahren soll. Er oder sie soll weiterhin für die Türsteuerung verantwortlich sein und dann am Bahnsteig die Abfahrt des Zuges auslösen. Den Rest würde dann aber die Bahn ganz allein machen. Damit sie nicht mit anderen Zügen zusammenstößt, sollen die Züge miteinander kommunizieren und sich gegenseitig steuern. Die Züge, Bahnhöfe und Strecken dafür umzubauen, könnte sehr lange dauern.
Der Weg zur halbautomatischen U-Bahn kann in Berlin eine Geduldsprobe werden. Die BVG hat vorgerechnet, so schreibt es der Tagesspiegel, dass man pro Jahr maximal zwei U-Bahnstationen umbauen könnte. Die BVG möchte sich wohl vorerst nur auf die U5 und U8 beschränken. Doch allein die beiden Linien haben zusammen insgesamt 50 Stationen.
Um sie umzurüsten, bräuchte die BVG nach eigener Rechnung also mindestens 25 Jahre. Ob es wirklich so lange dauern würde, ist unklar. rbb|24 hat die BVG angefragt, doch die möchte sich offiziell noch nicht konkret zu den Plänen äußern. Es wäre aber ein enormer Zeitaufwand für das kleine Ersparnis an Zeit, dass man dadurch gewinnen würde, heißt es.
Ein Argument für halbautomatisierte U-Bahnen ist nämlich die erhöhte Taktung. Aktuell fahren sehr viele U-Bahnen der BVG tagsüber im Fünf-Minuten-Takt. Durch die Halbautomatisierung soll ein 90-Sekunden-Takt möglich sein.
Eine Frage, die sich auch stellt, ist die der Barrierefreiheit. Wenn ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, in eine U-Bahn der BVG einsteigen will, kann er oder sie bislang die Hilfe von der Fahrerin oder vom Fahrer bekommen. Der oder die klappt dann zum Beispiel eine Rampe aus, auf der die Person im Rollstuhl barrierefrei in die U-Bahn kommt.
In einer halbautomatisierten U-Bahn ginge das immer noch, denn eine Fahrerin oder ein Fahrer wäre weiterhin an Bord. Doch was, wenn die Automatisierung voranschreitet? Wenn gar kein Fahrer oder keine Fahrerin mehr im Zug sitzt. "Auch dann muss Barrierefreiheit mitgedacht werden", sagt Thomas Schirmer vom Fahrgastverband Pro Bahn Berlin-Brandenburg.
"Es ist ganz einfach: Wenn die Barrierefreiheit nicht gegeben ist, dann bringen uns die selbstfahrenden Bahnen nichts", sagt Schirmer. Er fordert, dass auch auf Bahnsteigen, an denen in Zukunft automatisierte oder halbautomatisierte U-Bahnen fahren, Mitarbeiter des Mobilitätsservice anwesend sind. Für Schirmer ist wichtig: "Mobilitätseingeschränkte Menschen müssen mitgenommen werden. Ob Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen - ganz egal."
Wann die Ausschreibung der BVG veröffentlicht wird, steht noch nicht fest. Wie lange dann ein Vergabeverfahren und der anschließende Umbau dauern würde, wird die Zukunft zeigen.
Beitrag von Yasser Speck
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