Klimaaktivisten "Letzte Generation"
Mit Schnellverfahren sollten etwa Delikte der "Letzten Generation" schneller bearbeitet werden. Doch die tagespolitische Forderung ließ sich juristisch nicht umsetzen - zu viele Fragen blieben unbeantwortet. Nun löst das Amtsgericht Tiergarten zwei Abteilungen auf.
Der Versuch der Berliner Justiz, Klimaaktivisten der Letzten Generation in Schnellverfahren zu verurteilen, ist einem Zeitungsbericht zufolge weitgehend gescheitert. Die dafür eingerichteten Abteilungen am Amtsgericht Tiergarten seien nach gut einem halben Jahr wieder aufgelöst worden, berichtete die "Welt am Sonntag" ["WamS", Bezahlschranke] unter Berufung auf Angaben der Gerichte. Andere Abteilungen bearbeiten demnach nun die zahlreichen noch offenen Anträge auf beschleunigte Verfahren.
Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft sind von 149 dieser Schnellverfahren 137 weiterhin offen. Seit Juni wurden demnach elf Urteile gefällt - sieben Geldstrafen und vier Freisprüche. Nur die Freisprüche sind bislang rechtskräftig. Weitere 48 Anträge der Staatsanwaltschaft auf beschleunigte Verfahren seien abgelehnt worden.
"In vielen Fällen hatte sich im Verlauf der Bearbeitung gezeigt, dass sich die Verfahren zur Verhandlung im beschleunigten Verfahren nicht eignen, beispielsweise, weil die Beweislage nicht klar war oder Nachermittlungen erforderlich waren", zitierte die Zeitung eine Sprecherin der Berliner Strafgerichte.
Im Verfahren gegen die "Gruppierung Aufstand der letzten Generation" müssten Fragen geklärt werden wie: Wie lang war der durch die Blockade ausgelöste Rückstau? Befanden sich etwa Krankenwagen in dem Stau? Gab es Ausweichmöglichkeiten? - Zu viele Fragen für ein schnelles Verfahren. "In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass dies im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens meist nicht geklärt werden konnte", so die Sprecherin.
Die Konsequenz: "Dann mussten die Verhandlungen trotz bereits erfolgter Beweisaufnahme ausgesetzt werden - und die Verfahren mussten dann in diesen Spezialabteilungen von vorne begonnen werden, sozusagen im Regelverfahren." Das habe sich als unpraktisch erwiesen, weil die oft doppelte Arbeit zu einer zu großen Belastung dieser Abteilungen geführt habe. "Dass die Abteilungen für beschleunigte Verfahren aufgelöst wurden, ist letztlich also nur eine Umstrukturierung, um effektiver zu arbeiten."
Die Sprecherin erklärte, dass Verfahren gegen Klimaaktivisten der Letzten Generation ohnehin bearbeitet werden müssten - egal mittels welchen Verfahrens: "Das ist keine Belastung, das ist unsere Aufgabe." Fortan würden Anträge nicht mehr nur in zwei Spezialabteilungen bearbeitet, sondern würden auf 67 Abteilungen des Amtsgerichts Tiergarten verteilt.
Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bedauerte dies, er respektiere jedoch "selbstverständlich" die Entscheidungen der Richter. "Ich wünsche mir aber, dass beschleunigte Verfahren gerade in solchen Fällen häufiger angewendet werden", sagte er dennoch der "WamS".
Der Deutsche Anwaltverein kritisierte den Ruf nach einer "Sonderbehandlung für einzelne Deliktsphänomene" als "politische, von populistischem Aktionismus getriebene Forderungen". Die Berliner Richterinnen und Richter hätten hingegen klargestellt, "dass sie nicht bereit sind, rechtsstaatliche Garantien tagespolitischen Versuchen einer Einflussnahme zu opfern".
Sendung: Fritz, 06.01.2024, 16:30 Uhr
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