Debatte nach Räude-Fällen
Laut Landesjagdverband ist die Räude bei Wölfen in Brandenburg auf dem Vormarsch. Der Verband fordert daher, Wölfe in das Jagdgesetz aufzunehmen. Wolfsexperten sprechen bei der Parasiten-Erkrankung von einer natürlichen Todesursache. Von Tony Schönberg
Fälle von Räude bei Wölfen sorgen derzeit in Brandenburg für Uneinigkeit. So erklärte der Landesjagdverband Brandenburg (LJVB) nun, dass die Parasiten-Krankheit auf dem Vormarsch sei und reagierte damit am Dienstag auf einen Bericht des rbb aus der vergangenen Woche.
Nach dem Fund eines toten Tieres Anfang des Jahres in Rietz-Neuendorf (Oder-Spree) sprachen Wolfbeauftrage im Auftrag des Umweltamtes von "Einzelfällen" der Erkrankung und das diese "generell nicht problematisch" seien.
Der Geschäftsführer des Jagdverbandes Kai Hamann hält nun dagegen und unterstellt Verschleierung von Tatsachen. "Wir haben Kontakt mit Wolfsexperten im gesamten Land, die uns berichten, dass von Beginn der Wiederbesiedlung des Wolfes in Brandenburg die Räude in dieser Population vorkommt", sagt Hamann. "Durch den stark angestiegenen Bestand, ist die Häufigkeit jetzt auch deutlich nach oben gegangen, weil die Übertragungswege kürzer sind."
Entsprechend gebe es auch mehr Fälle der Tierkrankheit. Hamann zufolge liegen dem Verband im Zeitraum von vergangenem November bis Mitte Januar insgesamt rund 30 Videoaufnahmen von Jägern und Wildkameras vor, die Räude-kranke Tiere zeigen [ljv-brandenburg.de]. Diese stammten hauptsächlich aus dem Osten sowie Südosten Brandenburgs.
Offizielle Zahlen gibt es allerdings nicht. Da die Räude nicht meldepflichtig ist, gebe es kein Amt oder Institut in Brandenburg, welches valide Aussagen zulasse, die über ein Bauchgefühl hinausgehen, sagte Thomas Frey, Sprecher des Landesumweltamtes (LfU) am Dienstag.
In einer schriftlichen Antwort teilte er weiter mit: "Das LfU führt keine Statistik zu Räude-Erkrankungen bei Wölfen. Dementsprechend sind uns Aussagen zur Entwicklung der Räude im Land Brandenburg unmöglich. Auch die im Institut für Zoo und Wildtierforschungen an Totfunden von Wölfen gewonnenen Erkenntnisse lassen keine Aussage zur Entwicklung der Räude bei Wölfen in Brandenburg zu."
Zwei der insgesamt 40 ehrenamtlich tätigen Wolfsbeauftragten im Land erklärten dem rbb in der vergangenen Woche, dass ungewöhnliche Entwicklungen bei Räude im gemeinsamen Austausch kein Thema seien.
Dennoch fordert der Jagdverband, Wölfe in das Jagdgesetz aufzunehmen, um kranke Tiere töten zu können. "Stark mit Räude befallene Wölfe leiden qualvoll, sind kaum noch in der Lage selbst zu jagen und werden zumeist aus dem Rudel verstoßen", sagte Dirk- Henner Wellershoff, Präsident des Landesjagdverbandes in einer Mitteilung.
Die Tiere von ihrem Leid zu erlösen, sei unter der derzeitigen Gesetzeslage allerdings nicht möglich, da sie streng geschützt sind. "Wenn wir in der freien Wildbahn ein Tier, was dem Jagdrecht unterliegt - beispielsweise ein mit Räude befallener Fuchs - sehen, dürfen wir das Tier erlösen", ergänzt Geschäftsführer Kai Hamann. "Beim Wolf müssten wir zugucken, wie er qualvoll zugrunde geht, erfriert oder verhungert." Eine Bekämpfung der Krankheit durch den Einsatz von Medikamenten in der Natur komme nicht in Frage. Köder könnten nicht gezielt ausgelegt werden und kranke Tiere seien weiterhin mobil.
Forderungen des Jagdverbandes, den Wolf in das Jagdgesetz aufzunehmen, bezeichnet der ehrenamtliche Wolfsbeauftrage im Kreis Oder-Spree, Lutz Ittermann, am Dienstag als "völligen Bullshit". Er verwies erneut auf die Räude als natürliche Todesursache unter Wildtieren und Regulativ der Bestände. Der Wolf sei dort neben anderen Wildtieren, wie Füchsen, Marderhunden oder Waschbären nicht herauszuheben. Ittermann mahnt vor voreiligen Schritten und unnötigen Eingriffen in die Natur. Vielmehr sieht er hinter dem Vorstoß des Jagdverbandes politisches Kalkül unter dem Mantel des Tierwohls.
Auch vom LfU heißt es, dass zwar vor allem bei jüngeren Wölfen die Folgen der Räude tödlich verlaufen können. Erkenntnisse aus den Monitorings legen aber nahe, "dass ältere Wölfe die Räude häufiger folgenlos überstehen." Das bestätigt auch Ittermann.
Dem Wolfsbeauftragen zufolge, gibt es außerdem bereits Möglichkeiten, kranke und verletzte Wölfe zu töten. Das LfU hat - auch eigenen Angaben nach [lfu-brandenburg.de] - eine sogenannte Schadenshotline eingerichtet. Dort können Funde gemeldet werden. Veterinäre würden dann zur Begutachtung beauftragt und könnten entsprechende Schritte einleiten. Der Jagdverband bezeichnet das Prozedere allerdings als zu langwierig und will den Weg bis zur Tötung verkürzen.
Darüber hinaus erklärt der Sprecher des Umweltamtes Frey, dass Räude bei Wölfen auch zu auffälligem Verhalten führen kann. Eine Tötung bei "für den Menschen problematischem oder aggressivem Verhalten" sei der Brandenburger Wolfsverordnung nach möglich. Seit 2018 seien so insgesamt drei erkrankte Wölfe entnommen worden.
Sendung: 24.01.2024
Beitrag von Tony Schönberg
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