Rekordnasser Winter
Der Winter wird wohl der feuchteste, den man jemals in der Region gemessen hat, der Dürremonitor ist derzeit wasserblau getränkt. Was bedeutet das für die Waldbrandgefahr? Von Julian von Bülow
"Jeder, der was von Pflanzen versteht und sie vielleicht sogar reden hört, der hört das Seufzen, das Aufatmen vieler Bäume und Sträucher." So beschreibt der Berliner Stadtnatur-Experte Derk Ehlert die Regenzeit. Andere fluchen wohl eher angesichts des Hochwassers, etwa im Oderbruch.
"Es sieht so aus, dass wir diesen Winter auf einen Niederschlagsrekord in Brandenburg hinauslaufen", sagt Andreas Walter, Klimatologe vom Deutschen Wetterdienst dem rbb. Damit werde voraussichtlich auch der bisherige Niederschlags-Höchstwert von 1948 gebrochen.
Die Zahlen des brandenburgischen Landesamts für Umwelt stützen diese Vermutung: In Potsdam und Angermünde fiel im Februar mehr als doppelt so viel Niederschlag wie im Mittel. Die Wasserstände der Elbe bei Torgau und Wittenberge sind nahezu doppelt so hoch, ebenso die der Oder in Eisenhüttenstadt oder der Unterspree bei Sophienwerder. Und in den nächsten Tagen werde noch Regen dazukommen, so Walter.
Das viele Wasser ist für die Pflanzen erstmal positiv, wie die untenstehende Karte zeigt. Der Boden bis 25 Zentimeter Tiefe ist an vielen Stellen sowohl deutschlandweit als auch in der Region mehr als gesättigt (dunkelblau). Das überschüssige Wasser fließt entweder in die Flüsse oder dringt in tiefere Schichten ein. Das geht aus dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig hervor.
Ehlert sagt dazu: "Der Februar ist mit der Regenmenge spitze, aber in der Summe fehlt uns nach wie vor sehr viel Regen im Boden, vor allem im Grundwasser." Das liegt mehrere Meter unter der Bodenoberfläche. An diesen Wassermangel hätten sich viele Pflanzen womöglich angepasst, so Gerd Schurig von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Seit 1988 misst er die Grundwasserstände im Potsdamer Park Sanssouci.
Einerseits freue ihn, dass sich der Wasserstand im Boden etwas erholen kann. "Aber gleichzeitig kriege ich ein bisschen Angst, wie das auf Bäume wirkt, die sich mit ihren Faserwurzeln auf der Suche nach Wasser weiter nach unten entwickelt haben und für die jetzt Staunässe zur Belastung werden kann." Dann verdrängt das Wasser um die Wurzeln den Sauerstoff, den sie benötigen.
Das viele Wasser zeige sich bei den Bäumen vermutlich in einem starken Blattaustrieb. Es könne sich aber auch auf die Standfestigkeit auswirken, und wie gut die Wurzeln den Baum noch halten können - daher würden Schurigs Kollegen, die für die Sicherheit in den Parken zuständig sind, in den nächsten Tagen und Wochen die Bäume etwas mehr in den Blick nehmen.
Im Beelitzer Stadtwald hat Revierförster Martin Schmitt die Bäume im Blick. Er freut sich über den vielen Regen, denn der Dürremonitor vom Helmholtz-Institut zeige, dass der Boden bis auf 1,80 Meter Tiefe durchfeuchtet ist. "Das ist die Tiefe, die für unsere Waldbäume notwendig ist, damit die auch wieder entsprechend Wasser bekommen", sagt Schmitt.
Das sei auch hinsichtlich der Waldbrandsaison erstmal positiv. "Je länger es feucht ist, je mehr Wasser wir im Wald haben, desto weniger entstehen Waldbrände und dementsprechend sind wir da positiv gestimmt." Er weiß aber auch, die Waldbrandsaison beginnt erst im Mai, Juni oder Juli, wenn es dann richtig heiß und trocken wird. "Da ist noch alles offen", so der Förster.
Auch Klimatologe Walter sagt: "Laut unseren Klima-Vorhersagen nimmt das Niederschlagsgeschehen in den Wochen bis zum 24. März ein bisschen ab." So komme man in Brandenburg wieder in den normalen bis leicht trockenen Bereich. Sollte es im Sommer wieder zu Hitzewellen kommen und der Boden schnell austrocknen, dann sei es mit dem Schutz vor Waldbränden relativ schnell wieder vorbei.
Auch ein Waldumbau könne vor Waldbränden schützen und hätte wiederum Einfluss auf den Grundwasserspiegel, sagt Förster Martin Schmitt. "Es geht letztendlich um die Grundwasserneubildung. Da sind wir mit den Kiefernmonokulturen sehr schlecht aufgestellt, weil die Kiefer im Gegensatz zu Laubbäumen mehr Wasser verbraucht", so Schmitt.
Außerdem sollte abseits der Siedlungen mehr Pflanzenmaterial im Wald verbleiben, sagt der Förster. So könne mehr Regenwasser im Boden gehalten werden, denn durch den Sandboden rinnt es zu schnell davon.
Dass es in der Region immer wieder zu starker Trockenheit kommt, hat zwei Gründe. Zum einen liegt es am märkischen Sand. Zwar kann dank ihm "der Regen relativ schnell in das Schichtenwasser beziehungsweise Grundwasserniveau einsinken und steht dann als Trinkwasser zur Verfügung", sagt Ehlert. Das hat auch den Vorteil, dass Starkregen vergleichsweise schnell abfließen könne. Aber: der Sandboden ist dann eben auch schnell wieder sehr trocken.
Der zweite Grund für die Trockenheit: Ein zentralasiatisches Hochdruckgebiet. "Das liegt über dem eurasischen Kontinent wegen der globalen Luftdruckkonstellationen mehr oder minder stationär", erklärt Klimatologe Andreas Walter. Berlin und Brandenburg liegen am westlichen Rand dieses Hochdruckgebiets, welches das Wetter in der Region beeinflusst. Daher sei es bei uns trockener als in anderen Teilen Deutschlands, so Walter.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.02.2024, 17:05 Uhr
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