Einheitsdenkmal in Berlin-Mitte
Die Eröffnung des Einheitsdenkmals in Berlin-Mitte droht sich weiter zu verzögern. Dem ausführenden Stahlunternehmen wurde der Vertrag gekündigt - dieses meldete inzwischen Insolvenz an. Die Beteiligten werfen sich gegenseitig Vertragsbruch vor. Von Oda Tischewski und Jonas Wintermantel
Es könnte so schön sein. Eine begehbare Schale, die die Menschen nur durch gemeinsames Handeln in Bewegung setzen können. Eine Ode an die Freiheitskämpferinnen und -kämpfer der friedlichen Revolution, die gemeinsam ein totalitäres Regime zu Fall brachten. Eine 50 Meter lange Metapher aus Edelstahl. Und: ein Symbol für die Einheit (und Einigkeit) des Landes.
Wäre alles nach Plan verlaufen, wäre das, umgansprachlich bereits "Einheitswippe" genannte, Freiheits- und Einheitsdenkmal vor dem Berliner Stadtschloss seit dem 30. Einheitsjubiläum im Jahr 2019 fertiggestellt und begehbar gewesen.
Es kam alles ganz anders - mehr als einmal. Mal waren es seltene Wasserfledermäuse, die im Sockel ihren Nistplatz fanden, den Umweltschutz auf den Plan riefen und die Bauarbeiten unterbrachen. Sie wurden umgesiedelt - dann kam Corona dazwischen - die Eröffnung wurde erneut verschoben.
Und nun?
Das Denkmal ist beinahe fertig, doch jetzt beenden die Auftraggeber ihre Zusammenarbeit mit dem beauftragten Stahlunternehmen. Es herrscht Uneinigkeit in Sachen Einheitsdenkmal.
Anfang der Woche wurde bekannt, dass das Stahlunternehmen "Heinrich Rohlfing GmbH" vor dem Amtsgericht Bielefeld einen Insolvenzantrag gestellt hat. In einer dessen Werkshallen in Ostwestfalen liegt die 120 Tonnen schwere Stahlschale, die bereits zu 85 Prozent fertiggestellt ist. Doch seit über einem Jahr wird daran nicht weitergearbeitet. Die Schuld daran geben sich Auftraggeber und Stahlunternehmer gegenseitig.
Inzwischen ist auch klar: Die ausführende Kreativagentur "Milla & Partner" hat dem westfälischen Stahlunternehmer Rohlfing Anfang Dezember den Vertrag gekündigt. Der ist damit - Insolvenz hin oder her - ohnehin nicht mehr für die Vollendung seines Werks zuständig. Die Kündigung des Vertrages sei im Einvernehmen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Claudia Roth geschehen.
Der Stahlbauer Rohlfing aus Ostwestfalen sagt, ihm stünden noch Zahlungen im sechsstelligen Bereich zu - für Mehrarbeiten am Denkmal, die den ursprünglichen Vertragsrahmen gesprengt hätten. Außerdem seien ihm Verluste entstanden, weil das Denkmal eine seiner drei Werkshallen blockieren würde. Er habe sich zu jeder Zeit "straff an den Vertrag" gehalten.
Rohlfings Vorwurf an die Agentur "Milla und Partner": Diese habe ihm nun den Vertrag gekündigt, um sich diese Mehrkosten zu sparen. Dem Vorwurf, er sei terminsäumig geworden, widerspricht Stahlbauer Richard Rohlfing vehement. Ihm zufolge hätten die Auftraggeber immer wieder veränderte Wünsche an ihn herangetragen - außerdem fehlten finale Vorgaben für die Fertigstellung.
"Die ganzen letzten zwölf Monate haben wir alle sechs Wochen neue Statik-Vorgaben bekommen. Permanent kamen statistische Veränderungen. Und das beste Beispiel, woran es hapert: Bis heute hat uns die Arbeitsgemeinschaft nicht den Endfarbton vorgegeben." Rohlfing zufolge seien eben diese fehlenden Angaben der Grund dafür, dass seit Monaten die Arbeiten stockten.
Die Kreativagentur "Milla und Partner", die für die Umsetzung des Einheitsdenkmals zuständig ist, widerspricht dieser Darstellung. Vielmehr sei der Stahlunternehmer Rohlfing ohne ihr Verschulden vertragsbrüchig geworden:
"Die Firma Rohlfing hat seit Jahren alle Angaben, die sie brauchen, um daran zu arbeiten. Die Firma hat vor mehr als einem Jahr begonnen, ihre Tätigkeit am Freiheits- und Einheitsdenkmal einzustellen und unberechtigte Mehrforderungen gestellt und versucht, durch die Einstellung der Arbeiten Druck auszuüben", sagte Johannes Milla, der Geschäftsführer und Kreativdirektor, dem rbb. "Er ist terminuntreu, technisch untreu und vertragsuntreu. Deswegen haben wir den Vertrag mit der Firma gekündigt."
Die Agentur habe deshalb bereits einen neuen Stahlbauer mit der Fertigstellung des Denkmals beauftragt. Dieser hätte sich vor Ort in Rohlfings Halle bereits ein Bild machen können. Mit Blick auf den Zeitplan sagte Johannes Milla: "Wir werden bald die zu 85% fertige Schale aus der Halle entfernen und dann wird es nahtlos und übergangslos weitergehen."
Fraglich bleibt, ob das Freiheits- und Einheitsdenkmal wie geplant am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober eröffnet werden kann.
Denn: Dazu muss erst einmal die 120 Tonnen schwere Stahlkonstruktion aus der Halle in Westfalen abtransportiert und an einem anderen Ort fertiggestellt werden.
Stahlunternehmer Richard Rohlfing macht gegenüber dem rbb bereits deutlich, dass auf seine technische Unterstützung dabei niemand zählen solle, solange seine offenen Forderungen bestehen: "Ihr könnt das ja haben, ist gar kein Problem. Holt das doch ab. Aber meine Brückenkräne? Da ziehe ich den Stecker, dann haben die keinen Strom."
Johannes Milla wiederrum zeigt sich zuversichtlich, dass es mit dem neuen Stahlunternehmen jetzt zügig weitergehen kann. Auf eine Fertigstellung bis zum Jubiläumstag im Oktober will er sich jedoch nicht festlegen: "Ich denke, dass wir damit vielleicht einen Monat Zeitverzögerung haben. Aber wir werden zum Jahresende fertig sein mit dem Projekt."
Der Tag der Deutschen Einheit dürfte dann aber - auch dieses Jahr - vorbei sein.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.02.2024, 14:30
Die Kommentarfunktion wurde am 15.02.2024 um 12:40 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.
Beitrag von Oda Tischewski und Jonas Wintermantel
Artikel im mobilen Angebot lesen