Wasser abgestellt
Bewohner eines Hauses in Schöneweide haben kein fließend Wasser - seit Wochen. Bewohner erheben Vorwürfe in Richtung Eigentümer, andere sehen den Bezirk in der Verantwortung. Die Wasserbetriebe machen etwas Hoffnung auf Besserung. Von Julian von Bülow
Seit Tagen müssen die Bewohner der Fennstraße 31 in Berlin-Niederschöneweide ihr Wasser aus dem behelfsmäßigen Wasserhahn an der Straßenecke abfüllen. Eines Tages kam ein Mann vorbei und habe im Keller einfach das Wasser abgedreht, schildern Bewohner und Unterstützer die Situation. Warum, das wissen Sie nicht. Eine Ankündigung oder einen ersichtlichen Grund habe es nicht gegeben.
Auch die Mülltonnen seien eines Tages weggewesen und die Heizung funktioniere nicht mehr, sagen Bewohner. Mittlerweile stapelt sich der Müll im Innenhof, in einer der knapp 50 Wohnungen heizt eine Familie mit den Platten ihres Herdes.
Duschen, Wäsche waschen, Kochen - ohne Wasser auf der Leitung alles schwierig. Das Bezirksamt ließ daher bereits vor rund zwei Wochen einen Wasserhahn an der Straßenecke aufstellen - als Notmaßnahme. Nun trägt eine ältere Bewohnerin vier Plastikkanister voll Wasser in eines der oberen Stockwerke. Der 15-jährige Ahmad sagt, er fahre immer zu seiner Schwester, die ein paar Minuten entfernt wohnt, um dort zu duschen.
Für Thomas Herr sind der Mangel an Wasser, Heizung und Mülltonnen kein Zufall. Er engagiert sich beim Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma-Empowerment (BARE) und unterstützt die Bewohner:innen mit mehrheitlich ausländischen Wurzeln, darunter Roma-Familien. Herr sagt: "Für uns ist es hier eine Strategie der kalten Entmietung. Die Leute sollen soweit verunsichert werden, dass sie letztlich freiwillig gehen." Vom Bezirk fordert BARE unter anderem Sofortmaßnahmen, damit das Haus wieder bewohnbar wird. Denn die Bewohner wollen bleiben, die Kinder gehen in der Gegend zur Schule.
Am Montag gab es eine Besichtigung des Gebäudes, Vertreter vom Bauamt, ein Anwalt des Eigentümers sowie zwei Polizisten seien da gewesen, sagt der ebenfalls anwesende Thomas Herr von BARE. Dabei sei festgestellt worden, dass der Wasserzähler ausgebaut und ein Wasserhauptstrang von der Straße abgedreht wurde. Die Fernwärme komme am Haus an, aber vom Keller aus gelange keine Wärme in die Wohnungen. Auch habe man die Mietverhältnisse der Bewohner geprüft. Eine Person habe keinen Mietvertrag vorweisen können.
Nach Schilderungen von Thomas Herr und Bewohnern hat es bisher mehrere Einschüchterungsversuche auf die Mieter gegeben. "Es kam ein Mann mit Hund und hat uns gesagt, er habe das Gebäude schon verkauft und wir müssten alle raus", sagt einer der Bewohner. Er habe den Mann gefragt, warum sie raus müssen. "Alle müssen raus", habe der Hunde-Besitzer geantwortet. Das sei vor etwas mehr einem halben Jahr gewesen.
Laut einer Mitteilung von BARE soll jener Mann Hauptmieter sein und noch letztes Jahr angegeben haben, das Haus sanieren und der Stadt zur Miete anbieten zu wollen. Vor einigen Wochen sei der Mann mit Hund wiedergekommen und habe im Keller das Wasser abgestellt, erzählt ein Bewohner.
Der Mann mit Hund kann das auch erklären. Er heißt Kai Berger und ist Geschäftsführer von HKI Consulting: Mit ihr habe der Eigentümer der Fennstraße 31 einen Vertrag abgeschlossen. Die Firma sollte das Haus verwalten, sanieren und vermieten, sagt Berger. "Im Endeffekt weiß ich von der Seite des Eigentümers, dass die Wasserbetriebe einen Zählertausch vornehmen wollten und dort in den Keller gegangen sind." Dort habe das Wasser wegen eines Schadens gestanden. Daher hätten die Berliner Wasserbetriebe aus Sicherheitsgründen das Wasser abgestellt. "Wir wurden gebeten, mitzukommen und uns das anzugucken", sagt Berger. Dass seine altdeutsche Schäferhündin dabei bedrohlich gewirkt haben soll, versteht Berger nicht. Mit ihr hätten die Kinder im Haus schon gespielt.
Auf rbb|24-Nachfrage bei den Berliner Wasserbetrieben bestätigt eine Sprecherin Bergers Schilderung überwiegend. Wegen eines Wasserschadens sollten sie die Wasserversorgung trennen. Die Stimmung sei am Haus so aufgeheizt gewesen, dass ein Azubi im Auto gelassen wurde, um dort zu warten. Eine Meldung darüber, ob der Schaden behoben ist und gefahrlos wieder Wasser angestellt werden könnte, sei bei den Wasserbetrieben bisher nicht eingegangen, sagte die Sprecherin der Wasserbetriebe. Am Donnerstag (29.02.) wolle man zwei Kollegen vorbeischicken, die die Lage prüfen - sofern die Situation nicht wieder hochkoche.
Die Verwaltungsaufgaben als Hauptmieter lasse Berger allerdings gerade pausieren, sagt er. Denn: "Das Gebäude ist laut Bauordnungsamt und Bauamt in den Unterlagen sichtbar nur zur gewerblichen, zeitlich begrenzten Nutzung zugelassen. Das ist kein Wohnhaus." Ihm sei damals mitgeteilt worden, dass es deshalb nur gewerbliche, zeitlich begrenzte Mietverträge auf maximal sechs Monate geben dürfe - von Amtes wegen.
"Es ist auch ein Brandschutzgutachter im Haus gewesen, den habe ich damals noch mitbekommen. Sein Gutachten habe ich gelesen. Da ist Gefahr in Verzug." Dieses Gutachten liege auch dem Bezirk und der Polizei vor. Es fehlten einerseits Feuerlöscher, es stehe darin aber auch der Hinweis, dass die Feuerwehr bei einem Brandeinsatz das Gebäude nicht betrete, weil Estriche so aufgeweicht seien, dass die Brandschutzfunktion nicht mehr gegeben sei. "Natürlich würde der Eigentümer gerne sanieren, kann er aber nicht, solange das Gebäude besetzt ist", sagt Berger.
Thomas Herr von BARE hält dagegen, eine Prüfung durch eine Mieterberatung habe ergeben, dass die Mietverträge gültig und eine unbegründete Befristung darin nicht wirksam sei.
Berger bezweifelt, dass das für die Mehrheit der Verträge gilt: "Uns wurden damals nur Mietverträge vorgelegt, wo jemand mit Kuli irgendwas drüber geschrieben hatte." Wenn zwei oder drei Mietverträge gültig wären, dann müsse der Eigentümer für diese drei anderen Wohnraum beschaffen. Und alle anderen? "Da ist die Stadt Berlin gefragt, für die Leute eine gescheite Unterkunft zu finden, denn die Leute wissen ja nicht, wohin", sagt Berger. Warum der Bezirk wegen der Zustände nicht tätig werde, versteht der Geschäftsführer nicht.
Aufklären könnte den Fall möglicherweise Claudia Leistner. Sie ist Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Treptow-Köpenick (Grüne). Derzeit sei sie im Gespräch mit dem Anwalt des Eigentümers, sagt sie rbb|24. Bis Ende der Woche müssen Wasser und Heizung wieder laufen und die Mülltonnen wieder da sein, dazu habe der Bezirk den Eigentümer aufgefordert. Weiter möchte sie sich derzeit nicht zu dem Verfahren äußern, um die Gespräche nicht zu gefährden.
Eigentümerin des Gebäudes ist die Firma IPG V GmbH, bestätigt Leistner. rbb|24 konnte einsehen: Jene Firma steht auch im Mietvertrag eines Bewohners, der dort seit etwa eineinhalb Jahren wohnt. Der Geschäftsführer der IPG V ist Matteo Colusso, der Kopf von mindestens 18 weiteren Immobilienfirmen ist. Doch er sei "für die Mieter*innen abgetaucht", heißt es in einer Mitteilung von BARE.
Die IPG V hat ihren Sitz in Dreieich, wenige Kilometer südlich von Frankfurt am Main und ist Teil eines Firmengeflechts, dessen letztes Glied die Firma Flora S.A. (ehem. Chiminh) in Luxemburg ist. Doch möglicherweise sind sich beide Stellen näher, als es zunächst aussieht: Colusso gibt in seinem LinkedIn-Profil an, dass der Flora-Eigentümer sein alter Arbeitgeber ist und der hat Büros genau gegenüber von Colussos IPG V in Dreieich.
Unter der im Mietvertrag angegebenen Telefonnummer war niemand nicht zu erreichen, nach Anruf einer Telefonnummer, die auf einer Webseite von Colusso angeben ist, kommt der Hinweis: "Kein Anschluss unter dieser Nummer". Schriftliche rbb|24-Anfragen an Colusso blieben unbeantwortet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.02.2023, 07:44 Uhr
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