Oberhavel
Am Oranienburger Inselweg wird die nächste Bombenbergung aufwendig vorbereitet, inklusive einer Grundwasser-Absenkung. Die Stadt wünscht sich eine stärkere Beteiligung an den Kosten durch den Bund.
Die Stadt Oranienburg (Oberhavel) wirbt für mehr finanzielle Unterstützung durch den Bund bei der Bergung von Bomben und anderen Sprengkörpern aus dem Zweiten Weltkrieg. "Bund und Land unterstützen uns, aber diese Hilfe reicht nicht aus", sagte Oranienburgs Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos) am Montag dem rbb.
Oranienburg wurde im Zweiten Weltkrieg besonders stark bombardiert, weil die Alliierten gezielt die Waffen- und Chemie-Fabriken in der Stadt beschossen. Nach Schätzungen liegen dort noch rund 250 Blindgänger aus dieser Zeit im Boden, viele mit chemischen Langzeitzündern, die noch immer explodieren könnten.
Deshalb sucht die Stadt seit vielen Jahren systematisch das Erdreich auf Kampfmittel ab, was mit viel Aufwand, hohen Kosten und immer wieder auch mit Einschränkungen verbunden ist, beispielsweise wenn Sperrkreise eingerichtet werden. Jeder Euro, den die wachsende 50.000-Einwohner-Stadt für die Suche nach Bomben ausgeben müsse, fehle für andere Aufgaben wie Kitas, Schulen oder Infrastrukturausbau, heißt es seitens der Stadt. Der Neubau einer Schleuse an der Havel etwa sei auch wegen der hohen Kosten für die Kampfmittelbeseitigung fast zwei Jahre in Verzug. Auf bis zu zwei Millionen Euro bleibe die Stadt jährlich sitzen.
Aktuell gibt es in Oranienburg eine Bomben-Räumstelle auf einem Privatgrundstück im Inselweg im Ortsteil Lehnitz. "Das Besondere an der Bombe ist: Sie ist mitten in der Stadt", sagte Bürgermeister Alexander Laesicke vor Ort dem rbb. Rund um den Fundort wurde bereits eine riesige Splitterschutzwand aus 50 haushoch gestapelten Überseecontainern teils auf Privatgrundstücken sowie eine eigene Baustraße für Arbeitsgeräte und Fahrzeuge errichtet.
Zwischenzeitlich mussten 37 Menschen ihre Häuser verlassen, der Oder-Havel-Kanal war Ende des Jahres für den Schiffverkehr unterbrochen, inzwischen wurde aber ein Spundwandkasten in zehn Metern Tiefe rund um die Bombe installiert, damit diese geborgen werden kann. Auf immerhin rund sieben Meter muss das Grundwasser später noch abgesenkt werden, um die Bergegrube trocken zu haben. "Die Bauwerke, die dort entstehen, um überhaupt die Bombe freilegen zu können, sind so ein technischer Aufwand, das kann man sich nur vorstellen, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat", so Laesicke weiter.
Die durch spezielle Messungen festgestellte mutmaßliche Bombe soll am 12. März soweit freigelegt sein, dass nähere Aussagen über ihren Zustand und den Zünder möglich sind. Sollte der Zünder noch intakt sein, folgt die Entschärfung am Tag darauf. Dafür richtet die Stadt dann am 13. März einen Sperrkreis mit einem Radius von einem Kilometer um den Fundort ein und stellt einen Busshuttleservice zu zwei Gebäuden zur Verfügung, in denen sich betroffene Anwohner während der Sprengung aufhalten können. Im Sperrkreis um den Inselweg wohnen 4.300 Menschen, zahlreiche soziale Einrichtungen wie Kitas sind betroffen, ebenso ein S-Bahnhof und Gleisanlagen.
Als Ordnungsbehörde ist die Stadt Oranienburg für die Gefahrenerforschung und -abwehr auf privaten Grundstücken verantwortlich und stellt dafür jährlich rund vier Millionen Euro im Haushalt ein. Einen Teil davon erstattet der Bund auf Grundlage einer Richtlinie des Bundesfinanzministeriums, die zum Ende 2024 ausläuft. Oranienburg hofft nun auf finanzielle Hilfe über 2024 hinaus über eine "Verlängerung der Richtlinie und eine Ausweitung der Förderung zugunsten der Kommune, am besten mit einer Sonderregelung für Oranienburg", so Bürgermeister Laesicke.
"Der Haushaltsausschuss hat das Thema Kampfmittel im Blick", sagte dazu Wiebke Papenbrock (SPD), Abgeordnete im Haushaltsauschuss des Bundestages. "Welche weiteren finanziellen Hilfen folgen, wird aktuell diskutiert", so Papenbrock.
Vom Land kann sich Oranienburg ebenfalls einen Teil der Kosten erstatten lassen. Von den 15,4 Millionen Euro, die das Innenministerium für die Kampfmittelräumung im aktuellen Haushalt beziffert, entfielen allein 4,35 Millionen Euro auf die Kampfmittelbeseitigung in Oranienburg.
In ganz Brandenburg sind nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums im vergangenen Jahr rund 570 Tonnen Kampfmittel gefunden und 530 Tonnen vernichtet worden, darunter Zehntausende Granaten, Waffen, Raketen und knapp 2000 Bomben. In Oranienburg wurden 2023 zehn Bomben entschärft, seit 1990 waren es mehr als 200 Blindgänger.
Lokale Schwerpunkte sind neben Oranienburg auch Potsdam, die Oder-Neiße-Linie und der Bereich südlich Berlins. Rund 580.000 Hektar der Fläche des Landes Brandenburg stehen auch fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch unter Kampfmittelverdacht.
Sendung: Brandenburg aktuell, 19.02.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Michaela Grimm
Artikel im mobilen Angebot lesen