Podcaster Behroz zu RAF-Recherchen
Khesrau Behroz war mit seinem Team der untergetauchten Daniela Klette dicht auf der Spur. Sie stießen auf Bilder eines Kreuzberger Vereins, auf denen die RAF-Terroristin zu sehen war. Im Interview erzählt Behroz von den Recherchen.
Nach 30 Jahren im Untergrund ist in dieser Woche Daniela Klette gefasst worden. Sie soll an mehreren Straftaten beteiligt gewesen sein, die der dritten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) zugeordnet werden. Auch an mehreren Raubüberfällen solle Klette zwischen 2011 und 2016 beteiligt gewesen sein.
Der Journalist Khesrau Behroz und sein Team von Undone waren Ende des vergangenen Jahres unwissentlich auf der richtigen Spur zu Daniela Klette. Sie fanden Bilder von ihr auf der Webseite eines Berliner Capoeira-Vereins. Doch die Frau auf den Fotos war schon einige Jahre nicht mehr dort aufgetaucht. Und war das überhaupt möglich, dass eine gesuchte RAF-Terroristin sich in einem Sportverein fotografieren lässt?
rbb|24: Herr Behroz, Sie haben im Dezember 2023 mit Ihren Kolleg:innen nach der RAF-Terroristin Daniela Klette gesucht. Dabei waren Sie tatsächlich auf der richtigen Spur, konnten sie aber nicht finden. Was haben Sie gedacht, als Sie von der Verhaftung in dieser Woche erfahren haben?
Khesrau Behroz: Als die Nachricht kam, dachten wir: Oh, das ist jetzt doch relativ schnell passiert. Wir haben uns schnell zusammengewuselt in unseren Team-Chats und geschaut, ist das tatsächlich die Frau, der wir so nahe gekommen sind in unserer zweiten Episode von "Legion: Most Wanted"? Das war schon sehr überraschend in dem Augenblick.
Ihr Podcast endet mit den Worten, das sei eine Geschichte des Scheiterns gewesen. Jetzt steht fest: Sie waren an Daniela Klette dran.
Wir reden von einer Geschichte des Scheiterns, weil wir die Person konkret nicht gefunden und an ihre Tür geklopft haben. Rückblickend ist es für uns schön zu sehen, dass diese Recherche doch ein Erfolg gewesen ist. Auch wenn das erst ein paar Monate später klar wird. Ich muss aber sagen, dass wir auch bei der Veröffentlichung schon sehr zufrieden mit unserer Arbeit waren.
Wir wollten die Leute auf eine Recherchereise mitnehmen und zeigen, wie läuft das eigentlich, wenn man einen so irren Tipp bekommt. Wenn jemand anruft und sagt "Hey, ich glaube, ich habe vor Jahren auf einer Party in Köln möglicherweise eine RAF-Terroristin kennengelernt" und über Umwege gelangt man dann nach Kreuzberg: Das allein ist schon sehr spannend. Es ist natürlich schön, dass wir jetzt Klarheit haben. Aber es auch etwas erschreckend, wie nah wir Daniela Klette tatsächlich gekommen sind.
Inwiefern erschreckend?
Am Ende sind wir schon selbst sehr überrascht. Wir hatten nicht so viel Zeit für die Recherche. Netto haben wir vielleicht zwei, drei Monate Recherchearbeit in dieses Projekt reingesteckt. Die Idee war, vor Weihnachten eine kleine Geschichte zu erzählen. Darüber, dass diese Frau seit über 30 Jahren gesucht wird, und natürlich auch, dass wir eine sehr spezifische Sache herausgefunden haben. Nämlich, dass sie in Kreuzberg Capoeira getanzt hat. Auf eine bestimmte Art und Weise finde ich das schon ein bisschen erschreckend. Das hat also funktioniert. Was wäre, wenn wir noch ein paar Wochen mehr Zeit gehabt hätten?
Ärgern Sie sich darüber?
Wir sind jetzt nicht verärgert. Aber klar, Vielleicht hätten wir irgendwie weitere Details rausfinden können, wenn wir in der Geschwindigkeit weitergemacht hätten.
Im Podcast sprechen Sie auch über Irrwege in der Recherche und von Zweifeln an der Geschichte. Einmal werfen Sie auch die Frage auf: Warum machen wir das eigentlich? Was ist an der RAF nach wie vor so faszinierend?
Einerseits ist da tatsächlich journalistischer Ehrgeiz. Auch wenn es natürlich eine völlig wilde Annahme ist, zu sagen, wir machen jetzt einen Podcast und wollen eine seit 30 Jahren gesuchte Person finden. Auf der anderen Seite ist es trotzdem eine gute Geschichte, dass auf Legion ein Zuhörer zukam, wir nehmen die Sache ernst und gehen dem so nach, wie er es bei anderen Themen auch tun.
Die RAF trifft aber auch auf einer gesellschaftlichen Ebene auf großes Interesse. Das ist schon immer so gewesen und auch jetzt sehen wir, was das für Wellen schlägt. Immer wenn es Nachrichten dazu gab oder wenn Filme dazu gemacht wurden sind, haben sich Leute dafür interessiert.
Daniela Klette soll an einigen schweren Verbrechen beteiligt gewesen sein. Haben Sie im Team darüber diskutiert, wer diese Frau sein könnte?
Man weiß über Daniela Klette wahnsinnig wenig. Bis heute. Auch jetzt wissen wir nicht viel mehr. Es gibt einige wenige biografische Informationen. Aber darüber, welche Rolle sie tatsächlich gehabt hat in dieser dritten Generation der RAF, wissen wir einfach nicht viel. Da gibt es einfach keine handfesten Beweise. Für uns ist jetzt sehr spannend zu hören, was in den nächsten Wochen passiert. Ob Daniela Klette tatsächlich mit den Ermittlungsbehörden spricht und was sie da zu sagen hat. Sie wird sich sicherlich verteidigen und da sind wir alle sehr gespannt drauf.
Wie gehen Sie so eine Recherche an, wenn gar nicht klar ist, was für eine Persönlichkeit jemand hat?
Bei all unseren Recherchen ist es so, dass wir nicht genau wissen, wie sind die Leute genau drauf. Wir versuchen uns da anzunähern. Wir schauen erst, was haben andere schon geschrieben? Was hat die Person für eine Mentalität? Wie verhält sie sich? Da versuchen wir so viele Informationen wie möglich zu bekommen. Am Ende des Tages bleibt dennoch ein großes Fragezeichen. Bis zur ersten Begegnung weiß man das alles nicht bei einer Person, die nicht in der Öffentlichkeit steht. Umso überraschender ist es für uns, dass wir sie überhaupt gefunden haben – anhand von sehr wenigen und qualitativ minderwertigen Fotos.
Sie hatten da einen Zufallstreffer, der eigentlich gar nichts mit Ihrem Tippgeber zu hatte.
Genau. Wir sind dem Tipp nachgegangen und landeten in einer Sackgasse. Dann haben wir etwas ganz Simples versucht. Wir haben alle Fotos, die wir von Daniela Klette haben, einem befreundeten Journalisten vom Recherchenetzwerk Bellingcat gegeben. Er hat sie dann in eine Art KI-gestützte Suchmaschine für Gesichter eingespeist und tatsächlich hat das ein Ergebnis gebracht. Relativ schnell konnte er sagen, es gibt da einige Fotos auf der Webseite eines Capoeira-Vereins. Das könnte sie sein. Dieser Spur sind wir dann nachgegangen. Aber die Frau auf den Fotos war einige Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.
Die Polizei sagt, sie sei durch einen Tipp aus der Bevölkerung auf die Spur von Daniela Klette gekommen. Ist das bei Recherchen zu Verbrechen ein Thema, ob Sie Ihre Erkenntnisse den Ermittlungsbehörden mitteilen sollten?
Wir haben schon sehr unterschiedliche Jobs. Die Behörden haben andere Erkenntnisinteressen als wir. Zudem sind wir natürlich dem Quellenschutz verpflichtet. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum wir weder mit Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten noch den Ermittlungsbehörden Ergebnisse unserer Recherchen schicken. Wir können aber schon davon ausgehen, dass die Ermittlungsbehörden wussten, dass wir an dieser Geschichte arbeiten. Wir haben sie zum Beispiel angeschrieben und gesagt: Wir haben hier dieses eine Dokument, ist das bei Ihnen auch eingereicht worden? Aber eine Zusammenarbeit gibt es keine.
Falls sich Daniela Klette äußert, wo könnte sie Licht ins Dunkle bringen?
Es gibt eine ganze Reihe ungeklärter Attentate, die dieser dritten Generation der RAF zugeordnet werden. Der Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen ist mit einem Sprengstoffanschlag getötet worden. Der Diplomat Gerald von Braunmühl ist auf offener Straße erschossen worden. Treuhandschaft Detlev Rohwedder ist durch ein Fenster in seiner Wohnung erschossen worden. All das sind Fälle, die ungeklärt sind.
Ihre Redaktion liegt nur einen Steinwurf von dem Ort in Berlin-Kreuzberg entfernt, an dem Daniela Klette sich aufgehalten hat. Fragen Sie sich, wie es möglich war, dass sie sich so lange inmitten der Öffentlichkeit verstecken konnte?
Ja klar, denn es war offenbar kein zu aufwendiges Versteck. Sie hat sich auch auf Fotos ablichten lassen. Im Podcast haben wir deshalb vermutet, es kann gar nicht sein, dass sie das wirklich ist. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass jemand, der verfolgt wird, in die Kamera schaut und lächelt. Allerdings sind diese Bilder zu einer Zeit entstanden, als Social Media noch nicht so laut war und in der es keine KI-Suchmaschinen gab.
Jetzt fragen wir uns: Wie war das möglich? Nachbarn kannten sie und haben sie Claudia genannt. Das wirkt nicht wie ein Versteckspiel. Scheinbar hat sie ganz normal ihr Leben gelebt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Oliver Noffke.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.02.2024, 19:30 Uhr
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