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Video: rbb24 | 14.03.2024 | Giuliana Koch | Quelle: picture alliance/Sebastian Gollnow

Cannabisgesetz

Berliner Justizsenatorin warnt vor "Bürokratiemonster"

Ab April soll das neue Cannabisgesetz in Kraft sein. Justizbehörden würde es erheblich belasten, kritisiert Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg. Sie möchte die darin enthaltene Amnestieregelung streichen oder verzögern. Von Susett Kleine und Carla Spangenberg

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) warnt vor der Einführung des Cannabisgesetzes. Im Interview mit dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" bezeichnet sie das Vorgehen der Bundesregierung gar als "absolut unverantwortlich". Mit dem Gesetz werde ein riesiges "Bürokratiemonster" geschaffen, das die Justiz allein zu bewältigen habe. Wie dies zu bewerkstelligen sein könnte, ist offenbar bei Weitem nicht geklärt.

Hintergrund der Bedenken ist vor allem die geplante Amnestieregelung. Das Gesetz sieht vor, dass noch nicht vollständig vollstreckte Strafen wegen Cannabisdelikten, die künftig nicht mehr strafbar wären, erlassen werden müssen. Um wie viele Fälle es dabei insgesamt geht, ließ sich bislang nicht ermitteln. Aussagen von Justizministerien der Länder auf Anfrage von Kontraste legen nahe, dass bundesweit wohl mindestens zehntausende Verfahren betroffen sind.

Tausende Einzelprüfungen

Die Justiz soll jene Vollstreckungsverfahren einzeln prüfen. So müsste die Staatsanwaltschaft Berlin nach eigenen Angaben rund 3.500 Verfahren darauf untersuchen, ob rechtskräftige Urteile ganz oder teilweise unter die Amnestieregelung fallen. "Man muss schauen, welche Akten einschlägig sein könnten. Dann müssen diese Akten aus den Archivräumen, aus den Kellerräumen erst mal zusammengetragen werden und dann müssen sie manuell gesichtet werden", sagt Badenberg. Wer wegen eines Cannabisdelikts im Gefängnis sitze, müsse womöglich sofort entlassen werden. Zu prüfen sei aber auch: "Stand nur der Vorwurf des Cannabisbesitzes im Raum oder standen auch andere Straftaten im Raum, wie beispielsweise Diebstahl, Untreue, Hehlerei? Da muss eine neue Strafe festgesetzt werden."

Die als liberal geltende "Neue Richter:innenvereinigung" lässt solche Argumente nicht gelten. Schon im September des vergangenen Jahres sei der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf befasst gewesen. "Dass die Regelung organisatorischen Aufwand für die Justiz bedeuten würde, hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt. Es wäre also möglich – und geboten – gewesen, Vorkehrungen für den Gesetzeserlass zu treffen", erklärt sie in einer Stellungnahme. Auch die mangelnde Digitalisierung der Verfahrenspflege und die unzureichende Erfassung der Gründe von Verurteilungen, die nun zum erheblichen Mehraufwand bei der Prüfung der Vollstreckungsverfahren führen sollen, dürften nicht zulasten der Verurteilten gehen.

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Auch Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband hält die Argumentation der Justizbehörden für eine Hinhaltetaktik: "Es sind insbesondere diejenigen, die sowieso immer schon gegen die Legalisierung waren, wie der Richterbund zum Beispiel, die jetzt dieses Thema noch mal hochpumpen, sozusagen als letzter Strohhalm, um noch mal irgendwie Sand ins Getriebe zu werfen", sagt er zu "Kontraste".

Das Gesundheitsministerium weist in einer Stellungnahme an die Bundesländer die Kritik der Justizbehörden zurück und geht von deutlich weniger Fällen aus, die es zu überprüfen gilt.

Kleinteilige Kontrollen

Ein erklärtes Ziel der Entkriminalisierung des Cannabiskonsums durch das neue Gesetz ist es, Behörden zu entlasten. Berlins Justizsenatorin Badenberg befürchtet stattdessen einen langfristigen Mehraufwand für Behörden. Grund dafür seien die kleinteiligen Regelungen des Gesetzes. So müssten in der Öffentlichkeit Konsumierende einen Abstand von 100 Metern etwa zu Eingängen von Schulen und Kitas halten. Die sogenannte "Bubatzkarte" [bubatzkarte.de] eines Koblenzer Softwareentwicklers vermittelt einen Eindruck davon, was diese Vorgabe in der Praxis bedeuten könnte: Orte, an denen im dicht besiedelten Berlin gekifft werden dürfte, wären demnach eher die Ausnahme.

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Mehraufwand für Behörden

Auch das Justizministerium in Brandenburg sowie fünf weitere Bundesländer, die "Kontraste" angefragt hat, rechnen mit einer langfristigen Mehrbelastung durch das Gesetz.

Acht teilten mit, sie könnten dies noch nicht abschätzen. Eine Ausnahme stellt Bremen dar. "Wir gehen davon aus, dass es nach der Abarbeitung der Rückwirkungsproblematik deutlich weniger Verfahren gegen Cannabis-Konsument:innen geben wird als bisher", so eine Sprecherin von Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD).

Der Verkauf von Cannabis soll auch mit dem neuen Gesetz verboten bleiben. Allerdings soll es möglich sein, dass sogenannte Anbauvereinigungen gemeinschaftlich Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben können. Die Vereinigungen müssten dafür eine Lizenz beantragen. Möglich sein soll das erst ab Juli, obwohl das Gesetz nach derzeitigem Stand bereits ab April in Kraft treten soll.

Offenbar ist noch nicht einmal klar, welche Behörde dafür zuständig sein würde. Kontraste hat die Berliner Senatskanzlei gefragt, welche Behörde für die Vergabe der Lizenzen für Anbauvereinigungen sowie für deren Kontrolle zuständig sein soll. Die knappe Antwort eines Sprechers des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU): "Wir bitten um Verständnis dafür, dass die Senatskanzlei sich nicht zu einem laufenden Gesetzgebungsverfahren äußert."

Entscheidung im Bundesrat

Justizsenatorin Badenberg hofft indes auf den Vermittlungsausschuss des Bundesrates. Sie fordert, auf die geplante Amnestieregelung ab April zu verzichten oder der Justiz eine großzügige Übergangszeit zur Bearbeitung der Fälle zu gewähren. Alternativ könnte das Gesetz auch erst später in Kraft treten. Entscheiden soll darüber am 22. März der Bundesrat.

Sendung: rbb24, 14.03.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von Susett Kleine und Carla Spangenberg

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