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Quelle: picture alliance/dpa-tmn/C.Klose

Interview | Schlafmedizinerin

"Während des Schlafs kommt die Müllabfuhr und sammelt alte Proteine ein"

Viele Menschen klagen über schlechten Schlaf. Die Medizinerin Theresa Toncar erklärt im Gespräch, was schlechter Schlaf mit dem Leben in einer Großstadt zu tun hat, wer zum Arzt gehen sollte und was Menschen mit Schlafstörungen helfen kann.

rbb|24: Frau Toncar, können Sie sagen, wie viele Menschen an Schlafstörungen leiden?

Theresa Toncar: Der neuste DAK-Gesundheitsreport sagt, dass 43 Prozent der Deutschen unter Schlafstörungen leiden. Die Hauptschlafstörungen sind die Schlaflosigkeit und die schlafbezogenen Atmungsstörungen. Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen sind die meisten Personen therapierelevant, das heißt, dagegen muss man auch was tun.

Würden Sie sagen, dass das Leben in einer Großstadt wie Berlin Schlafprobleme fördern kann - zum Beispiel durch Verkehrslärm oder Lichtverschmutzung?

Das ist definitiv so. Lärm und Licht sind zwei Faktoren, die unseren Schlaf wesentlich beeinflussen können. Was Licht angeht, da kann der Patient sehr viel selber machen. Dass man zum Beispiel in dunklen Räumen schläft, wenn man jetzt zur Straße hinaus ein Zimmer hat, oder auch mit Schlafbrille. Lärm ist manchmal ein bisschen schwieriger. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sein Zimmer zum Hinterhof auszurichten oder sich ruhige Nachbarn zu suchen. Das ist gerade in einer Stadt wie Berlin, in der mehrere Familien oder Parteien in einem Haus wohnen, in der Straßenlärm und auch ein aktives Nachtleben aufeinanderprallen, sicherlich ein Problem.

Kann man sagen, dass Berlin immer schlechter schläft? Gibt es da eine Tendenz oder einen Trend?

Ich persönlich kenne da keine Zahlen. Grundsätzlich gibt es natürlich einen Wandel, vor allem durch soziale Medien. Wir müssen ständig erreichbar sein. Wir legen unsere Smartphones nicht mehr weg, sondern denken ständig, wir könnten etwas verpassen - und das fördert natürlich Schlafstörungen. Insoweit gibt es definitiv eine Zunahme.

Welche Rolle spielt eigentlich Stress dabei?

Beispielweise bei der Insomnie, der Schlaflosigkeit, spielt Stress häufig eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass Patienten Gedankenkarussells haben und den Off-Schalter nicht finden. Sie denken darüber nach, dass so viel zu tun ist und die Zeit dafür nicht reicht. Oder wir haben es häufig, dass einschneidende Erlebnisse in der Historie der Patienten - sei das ein Todesfall, eine Scheidung, finanzielle Sorgen, die Corona-Pandemie mit Krankheitsängsten - dazu führen, dass Patienten nicht einschlafen und nicht durchschlafen können.

Wie therapieren Sie die Menschen, die zu Ihnen kommen?

Das ist abhängig von der Ursache. Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen beispielsweise nutzen wir als erstes eine Überdrucktherapie. Da bekommen Patienten eine Maske auf und werden über einen Schlauch an ein Gerät angeschlossen und durch dieses Gerät verdichtet sich die Luft und verdichtete Luft hat mehr Kraft. Das hält die Atemwege offen und dann kann die Luft besser in die Lunge reingehen.

Bei der Insomnie guckt man erstmal, was die Ursache ist. Gibt es dafür eine organische Ursache? Zum Beispiel diese Atemaussetzer oder zappeln die Beine arg? Dann kann man das spezifisch therapieren. Wenn wir für die Insomnie keine organische Ursache finden, dann bekommt man zum einen eine kognitive Verhaltenstherapie, das ist ganz wichtig. Und bei den wirklich schweren Insomnikern, die brauchen wirklich medikamentöse Unterstützung.

Sollte jeder, der schlecht schläft, auch zum Arzt gehen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich bei Ihnen vorzustellen?

Jeder schläft mal schlecht, das ist vollkommen normal. Zum Problem wird es, wenn der Schlaf unser Tagesempfinden langfristig beeinflusst. Erste Anlaufstelle ist immer der Hausarzt, der kennt einen, der kann einem erste Anhaltspunkte geben. Wir werden aktiv, wenn man über drei Mal in der Woche länger als 30 Minuten braucht, um einzuschlafen, oder länger als 30 Minuten nachts wach liegt. Und das tatsächlich über mehrere Monate bestehen bleibt.

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Was kann schlechter Schlaf eigentlich für Auswirkungen haben?

Wenn wir wenig schlafen, haben wir tagsüber ein Problem. Den Tiefschlaf brauchen wir, um wieder aufstehen zu können, um körperliche Kraft zu haben. Menschen, denen Tiefschlaf fehlt, sind wirklich schläfrig. Die schlafen ein, obwohl sie es nicht wollen. In der zweiten Nachthälfte haben wir eher den REM-Schlaf, das bedeutet Rapideyemovement. Den brauchen wir, um psychisch stabil zu sein. Wir sind viel schlechter gelaunt, wenn uns diese Traumphasen fehlen. Deswegen ist Schlaf so wichtig.

Kann man von zu wenig Schlaf krank werden?

Zum einen erholen wir uns im Schlaf und wir brauchen Regeneration für unser Herz-Kreislauf-Systhem, damit es einfach mal eine Ruhephase gibt. Zum anderen kommt während des Schlafs sozusagen die Müllabfuhr vorbei und sammelt alte Proteine ein, die wir nicht mehr brauchen. Und wenn der Schlaf fehlt, dann haben wir auch ein höheres Risiko, beispielsweise an Demenz zu erkranken.

Welche Rolle spielen bei einer Therapie Medikamente?

Je nachdem welche Erkrankung vorliegt, können Medikamente eine große Rolle spielen. Beispielsweise bei der Überschläfrigkeit brauchen wir Medikamente, die den Menschen wach machen. Bei den unruhigen Beinen ist es auch ganz wichtig, dass wir den Patienten Medikamente geben, die dazu führen, dass die Beine weniger zappeln. Bei der Insomnie machen wir das bei den schweren Fällen.

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Machen Medikamente abhängig?

Letztlich ist eine chronische Insomnie eine chronische Erkrankung, und chronische Erkrankungen bedürfen einer dauerhaften Therapie. Deswegen wird man davon abhängig ähnlich wie von Blutdruck-Tabletten. Wenn das Schlafmedikament nicht mehr gegeben wird, kommt die Schlafstörung zurück. Es ist wichtig, dass nicht jedem Patienten ein Medikament gegeben wird, aber dass ausgewählte Patienten diese Medikamente auch bekommen.

Was halten Sie von Alternativen, wie Baldrian oder Schlafhormonen, die man sich selbst in der Apotheke holen kann?

Pflanzliche Produkte sind häufig Sachen, die die Patienten auch schon ausprobiert haben, wenn sie hierher kommen. Das können sie gerne probieren. Einer geringen Prozentzahl an Patienten hilft das tatsächlich. Melatonin verordnen wir über 55-Jährigen in der langwirksamen Version. Also so, dass es wirklich auch die zweite Nachthälfte mit stabilisiert. Aber das ist tatsächlich etwas, was Patienten gut ausprobieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Anna Bordel und Felix Edeha.

Sendung: Fritz, 20.03.2024

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