Wie der Berliner Drogenmarkt vor der Cannabis-Legalisierung aussieht
Keine andere Droge beschäftigt die Berliner Polizei mehr als Cannabis, das zeigen aktuelle Zahlen, die rbb|24 exklusiv vorliegen. Mit der möglichen Legalisierung von Cannabis könnte sich die Statistik allerdings ändern. Von Sebastian Schöbel
Wenn die Berliner Polizei bislang mit Drogenkriminalität zu tun hatte, ging es in den allermeisten Fällen um Cannabis. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten parlamentarischen Anfrage der Linken hervor, die rbb|24 vorliegt.
Demnach zählte die Polizeistatistik im vergangenen Jahr insgesamt fast 9.000 Delikte im Zusammenhang mit Cannabis - vom illegalen Besitz bis zum Handel mit der Droge. Bei mehr als der Hälfte aller Drogendelikte war Cannabis im Spiel. Zum Vergleich: Kokain machte laut Polizeiangaben ein Fünftel aller erfassten Drogendelikte aus.
Linke fordern Strategiewechsel bei der Polizei
"In den vergangenen Jahren lag ein Schwerpunkt der Rauschgiftermittlungen in der Verfolgung von Cannabis", sagen die beiden Linken-Politiker Sebastian Schlüsselburg und Niklas Schrader, die im Abgeordnetenhaus die aktuelle Statistik erfragt hatten. "Durch die bevorstehende Legalisierung des Konsums sollten jetzt personelle Ressourcen umgeschichtet werden, um insbesondere die organisierte Kriminalität hinter dem ansteigenden Handel und Schmuggel mit Kokain und anderen Substanzen zu bekämpfen." Denn mit Cannabis, so die Erwartung von Schrader und Schlüsselburg, wird es die organisierte Kriminalität künftig deutlich schwerer haben, Geld zu verdienen.
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Mehr erfasste Kokain-Delikte
Während die Zahl der Cannabis-Delikte seit 2020 zurückgeht, steigt die Zahl der Delikte mit Kokain und Crack. Auch die Zahl der ausgehobenen illegalen Cannabis-Plantagen sinkt: von 54 im Jahr 2018 auf 35 im vergangenen Jahr.
Bei Kokain und Crack zählte die Polizei den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 2.043 Fälle. Im Jahr 2021 waren es noch etwa 1.700 Fälle, 2019 etwa 1.300 und 2017 weniger als 900 Fälle. Die Zahlen verdoppelten sich damit in nur sechs Jahren. Beim Handel und Schmuggel von Kokain sieht es ähnlich aus: Im Jahr 2017 waren es noch rund 300 registrierte Straftaten, 2019 schon 437, 2021 über 730 und im letzten Jahr 1.186 Fälle.
Weniger verdient haben Drogenhändler mit illegalen Substanzen aber offenbar nicht: Allein im vergangenen Jahr wurden im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten in Berlin Vermögenswerte in Höhe von 14,5 Millionen Euro eingezogen. Der Wert hat sich seit 2020 mehr als verdreifacht. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres sind bereits Vermögenswerte im Wert von knapp 440.000 Euro eingezogen worden.
Auch beim Produkt Cannabis selbst hat sich einiges getan: Der Anteil des Wirkstoffes THC hat sich laut Berliner Polizei kontinuierlich erhöht - ein Trend, den auch andere Polizeibehörden zuletzt bestätigten. Lag der Anteil 2017 noch bei 13,6 Prozent, waren es 2022 bereits 20,6 Prozent.
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Sicherheitsbehörden rechnen nicht mit Entlastung
Ob die teilweise Legalisierung von Cannabis die Arbeit der Polizei wirklich leichter macht und der Fokus künftig auf andere Drogen gelegt werden kann, muss sich erst noch zeigen. Ein aktuelles Gutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) [lto.de | pdf] kommt zu einem anderen Schluss. Es sei eher zu erwarten, so das BKA, "dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen in Form von Personal- und Sachkosten zukommen werden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Detail beziffert werden können".
So müsse unter anderem sichergestellt werden, dass der legale Cannabis-Anbau in speziellen Vereinen wirklich nicht-kommerziell bleibt. Zumindest der Kontrollaufwand dürfte zumindest kurzfristig eher größer werden. Außerdem müsse damit gerechnet werden, dass ein Anstieg beim legalen Cannabis-Konsum zu mehr Unfällen im Straßenverkehr führt, so das Gutachten.
Ob mit der Teillegalisierung von Cannabis auch der illegale Handel mit der Droge zurückgeht, lässt sich laut Angaben der europäischen Polizeibehörde Europol [emcdda.europa.eu] ebenfalls noch nicht sagen. Zwar seien andere Länder, zum Beispiel die USA, deutlich weiter beim Aufbau eines legalen Cannabis-Marktes, doch valide Daten zur Auswirkung auf das organisierte Verbrechen gebe es bislang noch nicht.