Zunehmend "rassistisches Klima"
In Brandenburg gab es 2023 offenbar deutlich mehr rechte Gewalttaten als im Jahr davor. Das wird zunehmend auch an Schulen zum Problem. Dort werden Kinder und Jugendliche vermehrt attackiert.
Die Zahl rechter Gewalttaten ist in Brandenburg nach Einschätzung des Vereins Opferperspektive im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Der Verein zählte 242 rechtsmotivierte Angriffe - nach 138 im Jahr 2022, wie er am Montag in Potsdam mitteilte. Seit Beginn der Zählung 2006 waren es nur 2016 mehr Angriffe gewesen.
Bei sechs von zehn Gewalttaten war demnach Rassismus das Hauptmotiv. Der Anstieg sei auf ein "zunehmend rassistisches Klima auch in Brandenburg zurückzuführen", sagte Geschäftsführerin Judith Porath. Die AfD habe dieses Klima angefeuert, andere Parteien hätten es mit "flüchtlingsfeindlichen Maßnahmen und Äußerungen gestärkt".
Es gebe auch vermehrt rassistische Übergriffe an Schulen. Der Verein sieht zudem eine sprunghafte Zunahme bei Körperverletzung.
Porath erklärte anlässlich der Vorstellung der Jahresstatistik 2023, in Brandenburg erfordere es inzwischen viel Mut, sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren: "Egal wo in Brandenburg sich Menschen gegen rechts engagieren, müssen sie mit Bedrohungen und Übergriffen rechnen." Umso mehr verdienten Demonstrationen und Kundgebungen, insbesondere in kleineren Orten, Anerkennung.
In Brandenburg waren im vergangenen Jahr nach Zählungen des Vereins mindestens 390 Menschen von rechter Gewalt betroffen (2022: 245, 2021: 215). Darunter waren 133 Kinder und Jugendliche (2022: 63).
In Bildungseinrichtungen ereigneten sich 15 Gewalttaten. Der Monitoring-Beauftragte der Opferperspektive, Joschka Fröschner, nannte die Vielzahl an Meldungen zu rassistischer Gewalt an Schulen ein "Zeichen einer zunehmenden Dynamik der Enthemmung". Der unzureichende Umgang von Schulen und Behörden mit Fällen wie Übergriffen eines Lehrers gegen ihm anvertraute Schüler in Cottbus mache deren Überforderung deutlich.
Die nahezu flächendeckende Zunahme rechter Gewalttaten lege nahe, dass sich Rassisten durch die verbreitete Zustimmung zu rechten Positionen darin bestärkt sehen, ihre Überzeugungen mit Gewalt durch- und umzusetzen, warnte die Leiterin der Gewaltopferberatung des Vereins, Anne Brügmann. Besonders alarmierend sei dabei der Anstieg bei gefährlichen Körperverletzungen um 54 Prozent von 39 im Jahr 2022 auf 60 im vergangenen Jahr.
In so gut wie allen Brandenburger Landkreisen verzeichnete die Opferperspektive gestiegene Angriffszahlen. Die meisten Angriffe und stärksten Zunahmen gab es zwischen 2022 und 2023 demnach in Dahme-Spreewald von sieben auf 24, im Landkreis Oberhavel von sieben auf 25 und der Uckermark von acht auf 21 Fälle.
Die Opferperspektive erfasste diesmal Bedrohungen und Nötigungen analog zu Körperverletzungen nicht nur, wenn sich Betroffene an sie wandten, sondern auch bei der Erfassung durch die Polizei. Auch bei der bisherigen Zählweise wäre laut dem Verein aber mit 178 ein deutlicher Anstieg bei der Zahl der Gewalttaten erreicht worden. Die Zahlen der Opferperspektive unterscheiden sich von denen der Polizei. Der Verein berät nach eigenen Angaben Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
Das Innenministerium hat die Bilanz politisch motivierter Straftaten für das vergangene Jahr noch nicht vorgestellt. Im Jahr 2022 war die Zahl der Straftaten mit rechtem politischen Hintergrund auf 2046 Fälle gestiegen - ein neuer Höchststand seit 2001.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.03.2024, 21:00 Uhr
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