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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 03.03.2024 | Ismahan Alboga | Quelle: dpa/Charisius

Reerdigung in Brandenburg

Noch viele Berührungsängste bei Kompostierung von Toten

Schleswig-Holstein erlaubt es bereits im Modellprojekt: die Kompostierung von Toten, die sogenannte Reerdigung. In Brandenburg sind Teile der Politik offen gegenüber der neuen Bestattungsform, aber es gibt auch viele Bedenken. Von Stephanie Teistler

Auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf ruhen die Verstorben nach einer Erd- oder Feuerbestattung. Es sind die beiden einzigen Bestattungsformen, die laut dem Brandenburgischen Bestattungsgesetz zugelassen sind. Die sogenannte Reerdigung gibt es hier, wie in fast allen Bundesländern, nicht.

Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt könnte sich diese Art der Bestattung künftig aber auch hier vorstellen. "Wir sind dem Thema gegenüber auf jeden Fall offen, denn die Menschen suchen nach neuen Möglichkeiten", weiß Ihlefeldt.

Wie funktioniert Reerdigung?

Bei einer Erdbestattung im Sarg dauert es etwa 20 Jahre, bis der Leichnam zu Erde kompostiert. Die Reerdigung verspricht, diesen Prozess in 40 Tagen umzusetzen. Dafür wird der Körper in eine Mischung aus Stroh, Heu und Pflanzenkohle gelegt, verschlossen in einer Art Kokon. Unter konstanter Temperatur um die 70 Grad und Sauerstoffzufuhr erledigen Mikroorganismen den Rest.

Pietät oder Profit?

Was für und was gegen die Bestattungsform "Reerdigung" spricht

In 40 Tagen einen Leichnam zu Erde kompostieren: Das ist das Versprechen eines Berliner Startups. Bei Bestattern sorgt das für Skepsis. Am Montag hat der Senat das Bestattungsgesetz geändert, die "Reerdigung" war jedoch kein Thema. Von Jenny Barke

Für diese Form der Bestattung gibt es in Deutschland bisher nur einen Anbieter. Eine Studie, die von den Gründern in Auftrag gegeben wurde, kommt zum Ergebnis, das tatsächlich nach 40 Tagen im Kokon Humus entstanden ist. Die übrigen Knochen hätten demnach den Zustand wie nach 20 bis 50 Jahren Erdruhe gehabt, menschliches Gewebe sei in den Proben auch mikroskopisch nicht mehr festzustellen gewesen.

Innenministerium kritisiert "Schnellkompostierung"

Um dieses Ergebnis zu erreichen, wird während des Reerdigungs-Prozesses der Kokon regelmäßig bewegt, damit sich die Flüssigkeit darin gleichmäßig verteilt. Das Brandenburger Innenministerium findet auch deshalb an der Methode Anstoß. Dass der Leichnam während des Prozesses regelmäßig gedreht würde, entspreche keiner pietätvollen Behandlung des Toten.

Im Antwortschreiben auf eine kleine Anfrage der Grünen wird außerdem auf weitere Fragen der Pietät hingewiesen. Das "Schnellkompostierverfahren" entspreche nicht der Würde des Verstorbenen. Bestrebungen, die Reerdigung neben der Sarg- und Urnenbestattung anzuerkennen, seien deshalb nicht geplant.

Der Landtagsabgeordnete Heiner Klemp (Grüne), der die kleine Anfrage mit gestellt hat, ärgert sich darüber. Er wünscht sich eine gesellschaftliche Debatte. Klemp sehe nicht, wie die Reerdigung das allgemeine Pietätsempfinden verletze. "Aber die Frage ist, möchte ich das jemand anderem verwehren, der diese Form der Bestattung will?" Klemp sagt, er wünsche sich in diesem Bereich "Technologieoffenheit".

Viele offene Fragen

Bei den übrigen Fraktionen überwiegt die Skepsis gegenüber der Reerdigung. Viele Fragen seien noch offen. Johannes Funke von der SPD fürchtet etwa um den weiteren Bedeutungsverlust von Friedhöfen als Gedenkorten. Er betont aber auch die Position der Kirche, die keine ethischen Bedenken gegen die Reerdigung habe.

Die AfD-Fraktion lehnt die Reerdigung ab. Man halte an einer Bestattungskultur fest, die dem Gedenken der Verstorbenen einen Anknüpfungspunkt gebe, sagt Fraktions-Chef Hans-Christoph Berndt. "Unsere Toten sind keine Biomasse."

In der Linksfraktion habe man sich noch keine abschließende Meinung zur Reerdigung gebildet, man beobachte aber den Versuch, den es in Schleswig-Holstein gibt. Entscheidend sei der Wille der Verstorbenen, so Marlen Block, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, "solange sich deren Vorstellungen mit den allgemeinen Regelungen zur Hygiene vereinbaren lassen."

Interview | Südwestkirchhof Stahnsdorf

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BVB/Freie Wähler sehen in der Reerdigung keinen Vorteil gegenüber der Feuerbestattung, finden den Ansatz "aber durchaus makaber". Insbesondere die Hoffnung darauf, dass die Reerdigung umweltfreundlicher sei, sei zu bezweifeln. Allerdings sagt Matthias Stefke, innenpolitischer Sprecher der Gruppe, auch: "Wenn die Studien aber keine negativen Konsequenzen feststellen, sehen wir keinen Grund, den Bürgern diese Bestattungsmethode zu verbieten."

Die CDU-Fraktion hat sich laut einer Sprecherin noch nicht mit dem Thema beschäftigt.

Wie geht es weiter?

In einer Pilotphase fanden in Schleswig-Holstein seit 2022 Reerdigungen statt. Der Kieler Landtag hat Anfang dieses Jahres außerdem beschlossen, die Bestattungsform weiter zu erproben. Der durch Reerdigung entstandene Humus darf außerdem auf Friedhöfen in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg beerdigt werden.

Für Olaf Ihlefeldt vom Südwestkirchhof Stahnsdof sind noch viele praktische Fragen nicht beantwortet. Welche Friedhofsplätze kämen für eine Reerdigung infrage? Wie funktioniert die Logistik, in der die Biomasse vom Ort der Reerdigung zum Friedhof geschafft wird?

Bis es daran geht, solche Fragen zu beantworten, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen. In dieser Legislatur wird das Bestattungsgesetz nicht noch einmal geändert werden. Für Heiner Klemp ist die Debatte dennoch nicht zu Ende. Er will noch einmal auf das Innenministerium zugehen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 03.03.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Stephanie Teistler

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