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Video: rbb24 Abendschau| 20.03.2024 | Gespräch C. Kiziltepe (Senatorin für Integration und Arbeit) | Quelle: picture alliance/dpa/M.Murat

Anerkennung ausländischer Abschlüsse

"Ich habe Fachkräfte, aber ich darf sie nicht als solche beschäftigen"

Gerade in der Pflegebranche werden Fachkräfte aus dem Ausland dringend benötigt. Doch weil es den Behörden an Personal fehlt, warten die Beschäftigten mitunter jahrelang, bis ihr Abschluss in Deutschland anerkannt wird. Von Carl Winterhagen

In zehn Jahren werden in Deutschland mindestens 90.000 Pflegekräfte fehlen, prognostiziert das Statistische Bundesamt. Um diese Lücke zu schließen, braucht es Hilfe aus dem Ausland - in Person ausgebildeter Fachkräfte.

Pflegedienst-Leiterin Nare Yesilyurt | Quelle: rbb/Carl Winterhagen

Ohne die Mitarbeitenden aus dem Ausland wäre ihr Pflegedienst schon jetzt deutlich schlechter aufgestellt, erzählt Nare Yesilyurt. Ihr Dienst betreibt eine Pflege-WG in Berlin-Britz. Hier arbeiten Henrietta (49), gebürtig aus Nigeria, und Asya (55) aus Bulgarien. Sie sind als Pflegehelferinnen angestellt – nur. Aber eigentlich sind beide ausgebildete Krankenpflegerinnen.

Doch seit Jahren warten sie darauf, dass ihre Berufsabschlüsse in Deutschland anerkannt werden. Bis dahin dürfen sie bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen, etwa Blut abnehmen. Sie werden zudem schlechter bezahlt. Ihre Chefin Nare Yesilyurt ärgert das: "Ich kann nicht mehr Patienten aufnehmen, weil ich keine Fachkräfte habe. Dabei habe ich Fachkräfte, aber ich darf sie nicht als solche beschäftigen."

"Ich erkläre, wie es geht, aber ich darf es selbst nicht machen"

Darunter würden in erster Linie die Patienten leiden, sagt Yesilyurt. Die Wartezeit für eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung sei lang. In der Pflege-WG in Britz kümmern sich Henrietta und Asya um sieben Menschen, die intensiv gepflegt werden müssen.

Manchmal würden Kolleg:innen sie um ihre Expertise für bestimmte Pflegeabläufe bitten. "Ich erkläre es ihnen, aber ich darf es selbst nicht machen. Das tut weh", erzählt Henrietta.

Die Anforderungen für die Anerkennung der Abschlüsse sind hoch: Die Antragsteller:innen müssen zum einen Nachweise zu den persönlichen Voraussetzungen erbringen: Identitätsausweis, ärztliche Bescheinigung über die gesundheitliche Eignung für die Ausübung des Berufs, Führungszeugnis, Führungs- und Leumundszeugnis aus dem Herkunfts-/Ausbildungsstaat sowie Kenntnisse der deutschen Sprache. Sie müssen aber auch Dokumente über die absolvierte Ausbildung, den Ausbildungsabschluss, teilweise auch die Berufsausübungserlaubnis sowie Zeugnisse über Berufserfahrung vorlegen.

Schnellere Anerkennung

Jahrelange Verfahren

Henrietta wartet seit mittlerweile vier Jahren auf ihre Anerkennung. In Nigeria hat sie eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und Hebamme gemacht, danach zwischenzeitlich in den USA gelebt. Inzwischen ist sie deutsche Staatsbürgerin. Trotzdem möchte das in Berlin für die Anerkennung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zusätzlich zu ihrem deutschen und US-amerikanischen Führungszeugnis auch noch eines aus Nigeria von ihr. Doch das zu bekommen, gestaltet sich schwierig, weil sie schon so lange nicht mehr in ihrem Geburtsland lebt. "Das macht mich immer traurig, ich habe keine Kraft mehr", sagt Henrietta.

Ihre Kollegin Asya verzweifelt seit zwei Jahren an dem Verfahren. Sie hat ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin 1987 in Bulgarien abgeschlossen – mit Bestnoten. Danach hat sie 27 Jahre in der Türkei in einem Krankenhaus gearbeitet. Um in Deutschland anerkannt zu werden, benötigt sie Nachweise über ihre Ausbildungsinhalte. Aber die zu bekommen, ist nicht einfach. Schließlich bestand die sozialistische Volksrepublik Bulgarien, in der sie gelernt hat, nur bis 1990.

Die steigende Zahl der Anträge überfordert das Amt

Zwei in ihren Eigenheiten besondere Schicksale, die aber keine Einzelfälle sind. Denn die Zahl der Anträge auf Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse beim Lageso steigt – mit Ausnahme einer Corona-Lücke – seit Jahren an. Waren es 2017 noch 1.605, sind 2023 beim Lageso 3.132 Anträge eingegangen, ein Großteil davon bezieht sich auf einen Pflegeberuf.

Gleichzeitig hinkt die Zahl der Entscheidungen den Neuanträgen stets hinterher. So wurde im letzten Jahr nur in 2.712 Fällen eine Entscheidung ausgesprochen. Wobei eine Entscheidung nicht heißt, dass die Sache erledigt ist: Die Entscheidung kann auch bedeuten, dass noch bestimmte Kenntnisse geprüft oder Teile der Ausbildung nachgeholt werden müssen. Dann läuft das Verfahren weiter, während Neuanträge hinzukommen.

Für Matthias Merx, Abteilungsleiter für Gesundheits- und Verbraucherschutz bei Lageso, ist das eine Frage von fehlendem Personal: "Da hat sich eine Bugwelle an Antragsverfahren angebaut, die noch nicht bearbeitet sind. Wir bräuchten etwa zehn Personen mehr, um diese Bugwelle über die nächsten drei, vier Jahre abzubauen."

Gabriele Schlimper, Paritätischer Wohlfahrtsverbands Berlin | Quelle: rbb/Carl Winterhagen

"Papierkram" und "Wildwuchs" verhindern Willkommenskultur

Einen "Wildwuchs" nennt die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin, Gabriele Schlimper, die Bürokratie, mit der Anträge bearbeitet werden. Gerade in der Pflegebranche würden dringend Leute benötigt: "Wir brauchen eine Willkommenskultur, mit der das Signal ausgesendet wird: 'Wir wollen euch hier in Berlin haben!'"

Nur mit der Aussicht auf einen Job zu locken, reiche in Berlin nicht mehr, denn dann hätten die Menschen immer noch keine Wohnung. Mit Blick auf die Probleme, welche die Anforderungen für viele Menschen mit sich bringen, und auf das überforderte Lageso kritisiert Schlimper: "Wenn die Verfahren so lange dauert, dass die das nicht hinkriegen, dann muss ich mir darüber Gedanken machen, ob die Anforderungen passend sind."

Drittstaaten-Angehörige aus der Ukraine

"Ich kann einfach nicht nach Nigeria zurück"

Ein fertig studierter Bauingenieur soll in sein Herkunftsland Nigeria zurück, obwohl er in Berlin arbeiten möchte. So wie ihm geht es vielen Angehörigen aus Drittstaaten, die aus der Ukraine geflohen sind. Weil er Glück hat, hat er noch eine Chance. Von Anna Bordel

Allen, die wie Asya und Henrietta auf die Anerkennung ihrer ausländischen Berufsabschlüsse warten, käme das sicherlich zugute.

Und: Nachdem Henriettas Fall auf Nachfragen des rbb noch einmal vom Lageso überprüft wurde, hat das Amt entschieden, ausnahmsweise auf das nigerianische Führungszeugnis zu verzichten. Henrietta wurde ein Feststellungsbescheid zugesandt. Sie muss jetzt noch zu einigen Kenntnisse geprüft werden oder Ausbildungsinhalte nachholen.

In Asyas Fall wartet das Amt noch auf zwei Dokumente aus der Türkei.

Korrektur: In einer ersten Fassung dieses Textes war die Verfahrens-Wartezeit bei Henrietta mit zehn Jahren angegeben, bei Asya mit vier Jahren. Tatsächlich beträgt die Wartezeit bei Henrietta vier Jahre, bei Asya zwei Jahre.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2024, 6:00 Uhr

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Beitrag von Carl Winterhagen

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