Nachruf auf Hans Joachim Meyer - Sein "Ossi-Herz" verleugnete er nie
Das deutsche Zusammenwachsen erlebte Hans Joachim Meyer als, wie er es nannte, assymetrische Einheit. Und: Er blieb bis ins Rentenalter aktiv. Der letzte Bildungsminister der DDR starb am Freitag im Alter von 87 Jahren. Ein Nachruf. Von Vera Kröning-Menzel
"Wer verstehen will, was ich ab 1990 tat und dachte, muss meinen Weg als Katholik in der DDR kennen", schreibt Hans Joachim Meyer in seiner Biografie mit dem Titel "In keiner Schublade", die er im Dezember 2015 veröffentlichte.
Minister für Wissenschaft und Bildung in der letzten DDR-Regierung, Wissenschaftsminister in Sachsen und viele Jahre lang Präsident des Zentralkomitees der Katholiken - das waren nur einige Aspekte im Leben von Hans Joachim Meyer, der beides war: Idealist und Realist.
1936 wurde Hans Joachim Meyer in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam.
Nach drei Jahren zwangsexmatrikuliert
Nach drei Jahren wurde der bekennende Katholik wegen mangelnder Verbindung zur Arbeiterklasse zwangsexmatrikuliert. Meyer wechselte an die Humboldt-Universität und studierte Anglistik und Geschichte, wo er später leitende Aufgaben im Bereich Fremdsprachen übernahm. Der Professor führte sein Leben in demonstrativer Distanz zum ideologischen Anspruch der DDR. Sein "Ossi-Herz", wie er es nannte, verleugnete er nie.
Als Mittfünfziger beginnt Meyer 1990 seine politische Karriere in der CDU als Bildungsminister unter Lothar de Maizière - die unverhoffte Erfüllung seines alten Traums, politisch handeln und gestalten zu können. Dabei war ihm besonders wichtig, die dringenden Bildungsreformen zusammen mit den Betroffenen zu gestalten.
Das deutsche Zusammenwachsen erlebte Meyer als, wie er es nannte, assymetrische Einheit.
Aktiv bis ins Rentenalter
Als sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst sah Meyer eine seiner Aufgaben darin, den sächsischen Universitäten auch internationale Anerkennung zu verschaffen. Erfolge, die er zuletzt durch das Erstarken der Fremdenfeindlichkeit in Sachsen gefährdet sah.
Seit seiner Jugend war Meyer engagierter Katholik. 1997 wurde er dann zum Präsidenten des Zentralkomitees Deutscher Katholiken (ZdK) gewählt. Meyer erzielte Fortschritte in der Ökumene – wie den ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003.
Sein Abschied als ZdK-Präsident 2009 hatte einen bitteren Beigeschmack für Meyer. Seinen vom ZdK vorgeschlagenen Nachfolger lehnten die Bischöfe ab – ein Affront für die katholische Laienbewegung. In Meyers Zeit fielen auch erhebliche Konflikte mit den Bischöfen um Donum Vitae, dem aus der Mitte des ZdK gegründeten Vereins zur Schwangerenberatung.
Auch im Rentenalter blieb Meyer aktiv. Im Erzbistum Berlin widersetzte er sich geplanten Gemeindefusionen und dem Umbau der Berliner Bischofskirche, der St. Hedwigskathedrale. Seine Frau Irmgard und Mutter seiner Kinder gab Hans Joachim Meyer, wie er sagte, Zusammenhalt, Austausch und gegenseitige Bestärkung über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg.