Prignitz
Während viele Flüsse von der Industrie geprägt sind und durch den Menschen verändert wurden, zieht sich die Stepenitz fast unberührt durch die Prignitz. Zur Artenvielfalt gehören Eisvögel, Fischotter und sogar Lachse. Von Björn Haase-Wendt
Viel unberührte Natur und eine große Artenvielfalt, das zeichnet die Stepenitz in der Prignitz aus. Auf 84 Kilometer schlängelt sich der Fluss durch die Region – von seinem Quellort bei Meyenburg bis nach Wittenberge, wo er in die Elbe mündet.
Dabei ist die Stepenitz einer der wenigen verbliebenen naturnahen Flussläufe in Brandenburg. Jetzt gab es dafür die Auszeichnung "Flusslandschaft der Jahre 2024/25". Damit würdigen der Deutsche Angelfischerverband und die Naturfreunde Deutschland die Bedeutung des Flusses.
"Ihre Einzigartigkeit und ihr hoher Schutzwert, wie auch die aktuellen Herausforderungen hinsichtlich der laufenden Projekte zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der Wiederansiedlung seltener Tierarten haben den Ausschlag gegeben, die Stepenitz als "Flusslandschaft der Jahre 2024/25" auszuzeichnen", heißt es in der Begründung der beiden Verbände, die diesenTitel alle zwei Jahre ausrufen.
Für Stepenitz, den gleichnamigen Ort im Amt Meyenburg, hat der Fluss seit jeher eine besondere Bedeutung. Hier, wo sich der Fluss mit knapp zwei Metern Breite ruhig durch den Ort schlängelt, entstand vor fast 800 Jahren direkt am Ufer ein Zisterzienser-Nonnenkloster, das heutige Stift Marienfließ. "Wir nennen uns auch ohne Quellort, weil ohne Wasser, merkt euch das, wäre die Welt ein leeres Fass", sagt Prior Helmut Kautz. "Dass hier ein Kloster ist, liegt also daran, dass da Wasser war", sagt er.
Kautz selbst lebt seit gut vier Jahren im Ort und hat die Stepenitz schätzen gelernt, wie er sagt. "Ich mag die Wildheit, zum Beispiel ist hier eine Sandbank entstanden, die war vorher noch nicht da. Die Stepenitz macht also, was sie will", sagt Kautz. Und die Stepenitzer seien durchaus stolz auf ihren Fluss, sagt der Prior, denn er bringe das Leben ins flache Land.
Das zeigt sich aktuell bei einem Spaziergang. Am Fluss grünt es, unzählige Vögel sammeln sich zu einem fast ohrenbetäubenden Konzert in den Bäumen am Ufer, Fische ziehen durch den Fluss. "Hier an der Seite hat jeder sein Grundstück ran bis an den Fluss, man ehrt ihn", sagt Kautz. Die Stepenitz ist so sauber und klar wie kaum ein anderer Fluss in der Region.
Das schätzen auch die Angler. Denn die Stepenitz, die sich durch Wälder, Wiesen und Auenlandschaften schlängelt, hat mit ihren Nebenarmen eine große Artenvielfalt. Allein 38 unterschiedliche Fischarten kommen hier vor: etwa Schmerle, Bachforellen, Hechte und Aale.
"Die Fische haben hier nach ihrem Aufstieg gute geeignete Laichhabitate wie Kiesbetten", sagt Werner Wuschke vom Prignitzer Kreisanglerverband, der für den Abschnitt vom Quellort bei Meyenburg bis nach Wolfshagen verantwortlich ist.
Aufgrund des guten Zustands des Flusses gibt es seit 1999 in der Stepenitz auch ein besonderes Wiederansiedlungsprojekt: Meerforellen und der atlantische Lachs sollen hier wieder heimisch werden, nachdem sie Mitte des 20. Jahrhunderts in der Region als ausgestorben galten.
Jährlich werden dazu Zehntausende Jungfische durch das Institut für Binnenfischerei Potsdam und den Landesanglerverband Brandenburg in den Fluss gesetzt. Mit Erfolg: "Es gibt ja immer wieder Rückläufer, die man jedes Jahr feststellt und man sieht, dass es eine gleichmäßige Reproduktion bei den Fischen gibt", sagt Frank Grogert vom Kreisanglerverband.
Ganz ohne menschliche Unterstützung geht es aber noch nicht, dafür ist die Rückkehrerquote der Lachse zu gering. Der Verein "Fario" betreibt deshalb seit 2013 ein eigenes Bruthaus in der Prignitz, in dem der Nachwuchs der rückkehrenden Fische aus dem Atlantik künstlich großgezogen wird.
Trotz des Wiederansiedlungsprojektes darf an der Stepenitz aber auch geangelt werden. "Ich bin selber Fliegenfischer, hier gibt es schöne Fische, die sind sehr natürlich aufgewachsen und haben eine sehr gute Färbung, was zeigt, dass die Fische sehr gesund sind", sagt Frank Grogert.
Für Angler gibt es aber durchaus Einschränkungen, vor allem im Abschnitt zwischen dem Quellort Meyenburg bis zur Stepenitzbrücke in Wolfshagen bei Groß Pankow. Dort braucht es eine besondere Salmonidenerlaubnis. Damit sollen die Bestände geschützt werden. Ausgenommen von der Fangerlaubnis sind aber die Lachse, die komplett geschützt sind.
Trotz des guten Zustandes der Stepenitz gibt es aber auch noch Handlungsbedarf. Darauf machen der Deutsche Angelfischerverband und die Naturfreunde Deutschland mit ihrer Auszeichnung ebenfalls aufmerksam. So gibt es für die Fische weiterhin noch Hindernisse beim Wandern, vor allem in den Zuflüssen wie in der Dömnitz bei Pritzwalk. "Sie wird durch die Kathfelder Mühle unterbrochen. Da ist es fast unmöglich, dass sich Wanderfische hoch oder runter bewegen können", sagt Werner Wuschke vom Kreisanglerverband.
Mit der Auszeichnung als besondere Flusslandschaft wollen die beteiligten Partner auch in den nächsten zwei Jahren sorgen, dass solche Hindernisse beseitigt werden. Außerdem soll das Wiederansiedlungsprojekt von Meerforelle und Lachs unterstützt werden.
Die Stepenitz ist auch für den Tourismus ein wichtiger Baustein, denn neben viel unberührter Natur gibt es hier auch viele Tiere zu entdecken: Biber, Fischotter, Schwarzstörche und mit etwas Glück sogar Eisvögel. Im Sommer kann der Fluss zwischen Wolfshagen und Perleberg bei ausreichend Wasserstand per Kanu erkundet werden, zwischen Perleberg und Wittenberge gibt es keine Beschränkungen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 24.03.2024, 12:20 Uhr
Beitrag von Björn Haase-Wendt
Artikel im mobilen Angebot lesen