Zehn Jahre Sternenpark Westhavelland
Der Sternenpark Westhavelland wird zehn Jahre alt. Die besonders dunkle Region entwickelt neue touristische Angebote für Sternengucker. Eine weitere Region in Brandenburg könnte diesem Beispiel bald folgen.
Thomas Becker, das darf man feststellen, guckt leidenschaftlich gerne in die Röhre. Er liebt Teleskope seit seiner Kindheit, selbst bei Sonnenschein kann er mit ihnen den Himmel erforschen. Seit acht Jahren ist der Berliner inzwischen Mitarbeiter und Astronomie-Experte im Sternenpark Westhavelland mit Sitz in Havelaue (Havelland). "Am Tage kann man nur eins sinnvoll beobachten, nämlich die Sonne. Die ist sehr spannend, weil sie jeden Tag anders aussieht", sagt Becker im Sternenpark dem rbb und erklärt, dass dafür ein spezieller Filter am Teleskop nötig ist. Seine Teleskop-Beobachtungen macht er auch für Gäste.
Der Sternenpark im Havelland eignet sich vor allem nachts optimal dafür. "Wir haben sehr wenig Lichtverschmutzung in der Region hier, wenig Industriegebiete, eine sehr dünne Besiedlung, viel Naturraum", erklärt Becker. Diese Besonderheit ist der Grund dafür, dass das Gebiet überhaupt den Titel Sternenpark erhielt und das soll auch so bleiben: Der "Schutz der natürlichen Dunkelheit" ist das wichtigste Ziel der Parkverwaltung.
"Vor zehn Jahren wusste noch keiner, wie ein Sternenpark in Deutschland aussieht. Das haben wir jetzt erkundet und bisschen was auf die Beine gestellt", sagt Jens Aasmann vom Förderverein Sternenpark Westhavelland. Dass es seinerzeit dazu kam, hat wiederum mit Andreas Hänel von der Gruppe "Dark Sky" zu tun, der Vereinigung der Sternfreunde.
Der Physiker und Astronom Hänel, früher Direktor des Planetariums Osnabrück, entdeckte 2009 die besonders guten Bedingungen für Sternengucker im Havelland. In Astro-Foren sei die brandenburgische Region damals sogar neben Namibia mit seinem berühmten Sternenhimmel genannt worden. Deshalb habe er erste Lichtmessungen durchgeführt, schildert er der Deutschen Presse-Agentur. Fünf Jahre später, am 12. Februar 2014, wurde der Naturpark Westhavelland als erster Sternenpark bundesweit anerkannt.
Das 1.380 Quadratkilometer große Areal umfasst das Gebiet des Naturparks in Brandenburg und die Gemeinde Schollene in Sachsen-Anhalt. Das gesamte Gebiet ist als Nachtschutzgebiet ausgewiesen und frei zugänglich: rund um die Uhr und ohne Eintritt.
Mit der Anerkennung als Sternenpark verpflichtet sich die Region, die Dunkelheit zu schützen, zum Beispiel durch – auch insektenfreundliche – Straßenlaternen. Der kleine Ort Parey war der erste Ort im Sternenpark, der seine Straßenbeleuchtung in der späten Nacht um 70 Prozent herunterdimmt. So spart er nicht nur Licht, sondern auch Strom. Auch Rhinow dimmt spätnachts seine Beleuchtung, andere Orte wie Großderschau und Alt Garz schalten sie im Ort nachts sogar ganz aus.
Der Titel "Sternenpark" wird durch die "International Dark Sky Association" verliehen, der Internationalen Gesellschaft zum Schutz des dunklen Nachthimmels mit Sitz in Arizona in den USA. Die Aufnahme in die Liste ist streng geregelt, das Verfahren aufwändig. Mittlerweile gibt es mehrere Sternenparks in Deutschland. Die Gesellschaft weist hierzulande aktuell sieben Regionen als "Dark Sky Places" aus: Pellworm in Schleswig-Holstein, den Nationalpark Eifel in Nordrhein-Westfalen, Fulda in Hessen, Spiekeroog in Niedersachsen, das Biosphärenreservat Rhön, die Winklmoos-Alm in Bayern – und das Gebiet im Westhavelland.
Auch die Kyritz-Ruppiner Heide will zusammen mit dem Naturpark Stechlin-Ruppiner Land künftig als eine der dunkelsten Regionen Deutschlands ausgewiesen werden. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin plant laut seiner Verwaltung, in diesem Jahr den Antrag für eine Sternenpark-Zertifizierung stellen, wie eine Sprecherin dem rbb auf Nachfrage bestätigt. Das könnte wiederum mehr Naturliebhaber und Astro-Touristen anziehen.
In Gülpe, das mit seinem See viele Beobachter von Kranichen und Gänsen anzieht, können Gäste seit Kurzem auf neu angeschafften, drehbaren Holzliegen und in Hängematten am Rande des Sportplatzes in den Sternenhimmel schauen. "Das ist ein idealer Blickwinkel von 45 Grad in den Himmel", sagt Thomas Becker vom Sternenpack beim Probeliegen.
Ende August wird in Gülpe ein Astro-Treff organisiert, die Sternschnuppen-Nächte im selben Monat sind stets gefragt. Ferienhaus-Vermieter werben hier mit Astro-Urlaub, bieten eine Teleskopstation neben dem Ferienhaus an und einen Sternenhimmel an der Schlafzimmerdecke. Es gibt spezielle touristische Angebote nachts wie Vollmondspaziergänge und Mondschein-Paddeln. "Die Astronomen kommen mit Ausrüstung hierher und genießen die Vorteile eines dunkeln Himmels", sagt Detlef Zemlin, der mit seiner Frau Liane Ferienhäuser in Lochow betreibt.
Zum Jubiläum des Sternenparks wird ein 13 Kilometer langer Radweg zwischen Kützkow und Milower Land gestaltet. Schülerinnen und Schüler aus dem Jahngymnasium in Rathenow gestalteten den Planetenweg als Schulprojekt, der Förderverein Sternenpark Westhavelland realisierte Schautafeln zu den Planeten des Sonnensystems. Die Wissenstafeln mit Quizfragen stehen unterschiedlich weit voneinander entfernt, sozusagen als Anhaltspunkte für eine Astro-Radtour. "Wir wollen damit die Abstände deutlich machen", sagt Jens Aasmann vom Förderverein des Sternenpark. "Man ist sehr schnell von der Sonne beim Merkur, aber bis man dann beim Neptun ist, hat man bisschen zu strampeln", sagt Aasmann.
Mit Material von Heike Schüler
Sendung: Brandenburg aktuell, 24.03.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Michaela Grimm
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