Neue Gesamtschule ohne Radweg - Wenn sich Kinder den Schulweg mit 34.000 Autos teilen
Die neue Gesamtschule für den Spree-Neiße-Kreis ist ein Prestige-Projekt. Das Millionenunterfangen hat aber einen Haken: Ein sicherer Schulweg wurde nicht mitgeplant.
- Rad- und Fußweg bei 48 Millionen-Euro-Schulbau in Spree-Neiße nicht mitgedacht
- Betroffene berichten von gefährlichen Überholmanövern auf vielbefahrener Straße zu Schule
- Behörden schieben sich gegenseitig Verantwortung zu
Sie ist das Großprojekt im Spree-Neiße-Kreis, die neue Gesamtschule in Kolkwitz. Fast 48 Millionen Euro investiert der Landkreis hier. Die Schule soll eine große Lücke in den Bildungsangeboten im Landkreis schließen - mit der größten Einzelinvestition, die Spree-Neiße jemals getätigt hat.
Das neue Schulgebäude hat allerdings ein Problem. Obwohl Schüler ab August hier lernen können sollen, ist der Weg zur Schule nicht Teil der Planungen gewesen. Das Gebäude liegt am Rand eines Gewerbegebietes. Nach aktuellem Stand müssen sich die Schüler, die aus Kolkwitz kommen, ihren Schulweg mit Autos und Lkw teilen. Einen Rad- oder Fußweg gibt es nämlich nicht - und er ist aktuell auch nicht vorgesehen.
Tausende Autos und Lkw mit auf der Straße
Es geht um einen Streckenabschnitt von 1,5 Kilometern durch den Kolkwitzer Ortsteil Hänchen. Ein Radweg endet hier, eine Verbindung für Fußgänger oder Radfahrer bis zur neuen Schule existiert nicht. Die Landstraße hingegen befahren rund 34.000 Fahrzeugen pro Woche. Mehr als 5.100 im Schnitt davon sind Lkw.
Betroffene berichten dem rbb von gefährlichen Überholmanövern auf der engen Straße. Außerdem würden sich viele Autofahrer nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.
Die Eltern wollen ihre Kinder so nicht mit dem Fahrrad in die Schule schicken. "Morgens, wenn die Kinder losfahren müssen, geht hier der gesamte Berufsverkehr nach Cottbus durch", sagt Katharina Heyne vom Förderverein der Schule. Gemeinsam mit anderen Eltern hat sie sich organisiert und fordert nun einen sicheren Radweg.
Niemand will zuständig sein
Von einem Planungsfehler wollen die Verantwortlichen allerdings nichts wissen. Der Landkreis als Schulträger sieht sich nicht in der Pflicht, für einen sicheren Schulweg zu sorgen. Ende Januar erklärte der zuständige Baudezernent von Spree-Neiße, Olaf Lalk, dass der Landesbetrieb Straßenwesen und die Gemeinde Kolkwitz in dieser Angelegenheit zuständig seien.
Noch im vergangenen Jahr hatte der Sozialdezernent von Spree-Neiße Michael Koch zudem erklärt, dass die Aufsicht beim Schulweg von den Eltern selbst getragen werden müsse. "Ich fühle mich als Mutter einfach verarscht", sagt die Elternvertreterin Katharina Heyne. "Jeder, der irgendwann mal von uns Bürgern gewählt wurde sagt, 'ich bin nicht zuständig'", so Heyne. Die Gemeinde Kolkwitz habe lange nichts von einer Verantwortung wissen wollen, ebenso wenig das Land oder der Landkreis. "Ich bin in diesem Fall Mutter und es ist mir wirklich egal, wer zuständig ist. Ich möchte, dass mein Kind einen sicheren Schulweg hat", so Heyne.
Lösung weiter nicht in Sicht
Dabei ist klar, wer für einen Radweg zuständig wäre. Obwohl sich der Landesbetrieb Straßenwesen um die eigentliche Straße kümmern muss, ist es Aufgabe der Gemeinde, Fuß- oder Radwege zu errichten.
Der Großgemeinde Kolkwitz ist das Problem auch seit Jahren bekannt. Allerdings ist hier trotzdem nichts passiert. Im rbb erklärt Bürgermeister Karsten Schreiber, dass es nicht zu einer Lösung führe, wenn nun "irgendjemandem die Schuld in die Schuhe" geschoben werde.
Nach wie vor ist kein Radweg durch die Gemeinde geplant. Der Bürgermeister setzt auf andere Mittel. "Wir haben schon Geschwindigkeitskontrollen, die dort turnusmäßig jeden Monat durchgeführt werden", sagt Schreiber. Diese könnten mit dem Start der Schule im August auch ausgeweitet werden, "um einen gewissen Aha-Effekt" bei den Autofahrern zu erzielen, so Schreiber.
Für die Schüler und deren Eltern ist das keine Beruhigung. Denn die bisherigen Messungen ergeben zum Teil Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als dem Doppelten des erlaubten Tempos: Statt der erlaubten 30 Stundenkilometer fahren viele Autofahrer hier mit 70 über die enge Landstraße. Von einem Aha-Effekt kann da keine Rede sein.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.03.2024, 19:30 Uhr