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Landgericht Berlin

Schwieriger Mietmarkt - Gericht gewährt zwei Jahre Aufschub nach Eigenbedarfsklage

Wenn Mieter eine Kündigung wegen Eigenbedarf bekommen, ist die Not groß. Nun sorgt ein Urteil für Beachtung: die Mieter bekommen Aufschub, weil Ersatz nur schwer zu finden ist. Über die Wirkung des Urteils streiten Juristen. Von Stefan Ruwoldt

Es gibt viele Katastrophen für Mieter: Ein Wohnungseinbruch, Wasserschäden oder Schimmel sorgen verlässlich für Verzweiflung. Wenn aber eine "Eigenbedarf"-Kündigung vom Vermieter eintrudelt, ist die Wohnung für den Mieter nicht mehr zu retten. Löschen, Schlossauswechseln, Trockenlegen - hilft hier alles nicht. Der Mieter muss die Kisten packen, die Heizung wärmt künftig einen Auserwählten des - dann ehemaligen - Vermieters. Zumindest ein bisschen durcheinander bringt diese Trennungslogik ein Urteil des Berliner Landgerichts.

Zahlen für 2022

Zahl der Zwangsräumungen in Berlin deutlich gestiegen

Zwei Jahre haben Monika Weiser und ihr Mann Thomas um ihre Wohnung gekämpft. 2020 hatten die Krankenschwester und der Altenpfleger, Eltern von vier Kindern, eine Eigenbedarfskündigung für ihre Sozialwohnung erhalten, deren Bindung bald auslaufen würde. Das Mehrfamilienhaus liegt in einer begehrten Wohngegend und war gerade verkauft worden. Für die Weisers eine Katastrophe.

Mietrecht ist eindeutig, aber...

Eigentlich ist das Mietrecht hier sehr eindeutig: Die Besitzerin oder der Besitzer fordern bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für sich zurück, was sie dem Mieter vertraglich überlassen haben. Durchsetzen können die Vermieter ihren Anspruch mit Räumungsklagen, bei denen oft nur kleine und kleinste Aufschübe von Monaten in Verfahren durch die Mieter erstritten werden können.

Das nun mit seiner umfassenden Begründung veröffentlichte Urteil Akz. 67 S 264/22 [berlin.de] - berücksichtigt bei seiner Ablehnung der Räumung, was bislang unbeachtet blieb: Da der Mieter, dem gekündigt wurde, in Berlin keinen für ihn bezahlbaren Wohnraum findet, bekommt er zwei Jahre Aufschub. Der Vermieter muss also lange warten.

Der genaue Vorgang verlief in diesem Fall zunächst klassisch. Eine Eigentümerin wolle ihre vermietete Wohnung für sich und kündigte dem Mieter mit der Forderung auf "Eigenbedarf". Der Mieter wehrte sich juristisch und widersprach. Seinen Widerspruch gegen die Räumung begründete der Mieter ebenfalls relativ klassisch für solche Fälle: mit der Härtefallregelung. Diese Regelung ist eine Sozialklausel, festgehalten im Bürgerlichen Gesetzbuch und sie besagt, dass der Mieter Schutz genießt, weil sein Auszug aufgrund von bestimmten Umständen unmöglich ist.

Belege für eine vergebliche Suche - zwei Jahre Aufschub

In diesem Fall berief sich der Mieter darauf, dass er auf dem sehr begrenzten Mietwohnungsmarkt der Hauptstadt keinen "angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen" finden konnte. Er belegte dies mit hunderten abgelehnten Bewerbungen um andere Wohnungen.

Das zuständige Amtsgericht wies die Räumungsklage in erster Instanz zwar ab - berücksichtigte die Härtegründe aber nicht. Denn die Eigenbedarfskündigung erfüllte laut Gericht formelle Grundsätze nicht.

Auch in der Berufungsinstanz, dem Berliner Landgericht, scheiterte die Vermieterin im Januar: Die Kammer begründete ihre Ablehnung der Klage mit den vom Kläger vorgetragenen Härte-Umständen. Demnach konnte der Mieter nachweisen, dass er keine andere Wohnung finden konnte. Und das Gericht gewährte dem Mieter eine Frist von zwei Jahren, und erlaubt ihm, die Wohnung weiter zu bewohnen.

Gericht erkennt die "vergebliche Suche" an - ein Novum

Neu und beachtenswert ist an diesem Urteil nach Einschätzung von Mietrechtsanwalt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, dass das Gericht die durch den Mieter vorgetragene "vergebliche Suche" anerkennt: "Die deutliche Erleichterung für den Mieter in diesem Urteil besteht darin, dass nicht allein seine dokumentierte Suche von der Kammer berücksichtigt wird, sondern auch die Berliner Verordnungen als Beleg für den Mangel herangezogen werden."

Diese Verordnungen sind in dem Urteil aufgeführt. Hier heißt genau, "dass die Berliner Kappungsgrenzenverordnung (...) sowie die Kündigungsschutzklausel-Verordnung (...) eine Mangellage am gesamten Berliner Wohnungsmarkt ausweisen". Das Urteil erkläre, "dass es für den Mieter nicht möglich ist, innerhalb der vom Vermieter geforderten Frist eine neue Wohnung zu finden", so Mietervereins-Chef Bartels. "Dieser neue Schritt in dem Urteil kann in seiner Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Oft werden teure Gutachten eingeholt - auf Kosten des Mieters

Bislang ist dieser Nachweis des "schwierigen Mietmarkts" mit Gutachten innerhalb des dann laufenden Prozesses verbunden, wie Bartels erklärt. Das erfolge mit gerichtlichen Gutachten, die in Auftrag gegeben werden: "Die Kosten betragen hier meist 1.500 bis 2.000 Euro. Und das muss der Mieter bezahlen, wenn das Gericht die Räumung verfügt, also bei einer gerichtlichen Niederlage gegen die Räumung." All das, also die Unsicherheit, zusätzliche Kosten im Verfahren tragen zu müssen und trotzdem die Wohnung sehr schnell räumen zu müssen, seien Hindernisse für Klagen gegen eine Räumung oder für Forderungen nach Aufschub gewesen.

Wermutstropfen: Die Kündigung ist nur verschoben

Für Bartels allerdings hat das Urteil auch einen "großen Wermutstropfen" in seiner möglichen Wirkung für ähnliche Fälle: "Das Urteil bestätigt die Kündigung, und es verschafft dem Mieter lediglich einen Aufschub für den Auszug. Außerdem ist es verbunden mit einer erhöhten Miete."

Gleichzeitig aber müsse auch anerkannt werden, dass das Urteil zeige: "Für den Vermieter ist das Risiko größer geworden, Mieter erfolgreich und schnell kündigen zu können. Es bedeutet: Eigenbedarf kann nicht so schnell wie bisher durchgesetzt werden."

Außerdem ist sich Bartels sicher, dass Vermieter nun künftig keinen gesonderten Passus im Mietvertrag unterbringen können, um einen schnellen Auszug zu garantieren: "Nein, es ist wohl kaum möglich, dass Vermieter den hier nun eingeräumten Aufschub der Kündigung mit einer Klausel im Mietvertrag ausschließen können."

BGH forderte 2016 genaue Prüfung der Härtegründe

Mit Vertragsklauseln solch eine gerichtliche Anerkennung von "Härte" ausschließen? - "Nein, das kann man nicht", sagt auch Inka-Marie Storm, Justiziarin des Verbandes Haus und Grund. Wenn sich Mieter und Vermieter nicht einigen, entscheide das Gericht. "Das nun in Berlin gefallene Urteil ist interessant, aber bleibt wie alle Eigenbedarfsklagen eine Einzelfallentscheidung", erklärt Storm. "Nicht ganz neu ist hier, dass der angespannte Wohnungsmarkt in den Vordergrund der Urteilsfindung rückt."

Sie verweist auf ein ähnliches Urteil einer Berliner Landgerichtskammer gegen eine Räumung mit Verweis auf den angespannten Wohnungsmarkt aus dem Jahr 2016. "Diese Entscheidung damals hat der Bundesgerichtshof - BGH - aufgehoben, weil das Landgericht in Berlin seinerzeit in der Wohnraumknappheit einen Härtegrund gesehen hatte, ohne zu prüfen, ob es dem Mieter tatsächlich nicht möglich war, unter 'zumutbaren Bedingungen' Ersatzwohnraum zu beschaffen."

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Nur einige Anzeigen ansehen? - Das reicht nicht!

Damals wie jetzt gelte: "Es wird gekuckt, was der Mieter konkret unternommen hat." Nur einige Anzeigen anzusehen reiche nicht, sagt die Justiziarin des Haus- und Grundeigentümer-Interessenverbands. "Das Urteil jetzt verstehen wir auch nicht als eine politische Botschaft, das ist nicht Aufgabe des Gerichts: Die Mangellage in Berlin ist eben nur ein Indiz für die Entscheidungsfindung." Aber Storm sagt auch: "In diesem Urteil wird der Mangellage sehr viel Raum eingeräumt."

Eine grundsätzliche Verlängerung der oft sehr kurzen Räumungsfristen ist für die Justiziarin des Zentralverbands der Haus- und Grundeigentümer keine Lösung. Denn das Risiko für die Wohnungsbesitzer, sehr lange nicht an ihre Wohnungen zu kommen, sei schon jetzt sehr hoch. "Da sind erstmal die Kündigungsfristen und die Möglichkeit des Widerspruchs. Dann die Dauer der Klage. Und dann sind da noch die möglichen Anträge der Mieter auf Räumungsschutz."

Hoffnung auf verlängerte Fristen bei "Eigenbedarf"-Kündigungen

Mietervereins-Geschäftsführer Bartels dagegen sieht in dem nun ergangenen Richterspruch einen möglichen neuen Weg. Er hofft: "Eine Folge dieses Urteils könnte es sein, dass in der Zivilprozessordnung eine Änderung passiert, dass dort also die Frist für eine Räumung nach Kündigung auf Eigenbedarf auf zwei Jahre festgelegt wird."

Bislang ist diese Frist längstens ein Jahr. "Sechs Monate - das sagt das Urteil nun auch - aber reichen nicht - wenn man den Wohnungsmarkt betrachtet -, dass Mieterinnen und Mieter eine neue Wohnung finden können."

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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