Syrer in Eberswalde
Ahmad Homsy floh als Teenager aus Syrien und ist heute, mit 22, einer der jüngsten Augenoptiker-Meister in Deutschland. Der Eberswalder hat noch vieles vor. Von Michael Lietz
Ahmad Homsy schaut konzentriert durch ein Fernglas-ähnliches Gerät. Ihm gegenüber sitzt eine Frau, die ihre rote Brille auf den Tisch gelegt hat. Ihr Kopf wird oben und unten mit einer Art metallischem Bogen festgehalten. Ein starker Lichtstrahl beleuchtet ihre Augen, sie blinzelt kaum.
Seit vergangenem Freitag darf Homsy Augenuntersuchungen machen oder die Sehschärfe prüfen. Der 22-jährige geflüchtete Syrer ist seitdem offiziell Augenoptikermeister. Er arbeitet bei einem Optometristen in Eberswalde (Barnim). Bei der Abschlussfeier waren seine Eltern dabei: "Es war ein sehr emotionaler Moment für mich", sagt Homsy. "Ich musste mir die Tränen vor meinen Eltern verkneifen."
2014 floh Homsys Vater über das Mittelmeer vor dem Krieg in Syrien. Ein Jahr später gelang ihm die Familienzusammenführung – Frau, Tochter und Söhne konnte er nachholen. Ahmad Homsy kam in Eberswalde in die achte Klasse, wie er erzählt.
Im Unterricht habe er anfangs kein Wort verstanden. Die Sprache sei die größte Hürde geblieben, auch später in der Ausbildung. "Es ist ja nicht nur auf Deutsch. Lateinbegriffe oder griechische Begriffe gibt es noch. Das war das Schwierigste erstmal", sagt er. "Aber wenn man es wollte, hat man auswendig gelernt und dann ging es wieder."
Seit 2015 haben in Ostbrandenburg laut Angaben der dortigen Handwerkskammer 134 Flüchtlinge und Zugewanderte ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen. 32 davon kamen aus Syrien. Doch der Weg, den Homsy gegangen ist, ist nicht selbstverständlich: Unter den Syrern hat bisher nur Homsy den Meisterbrief erhalten. Laut Handwerkskammer ist er nun einer der jüngsten Augenoptiker-Meister in ganz Deutschland.
Leicht es für sie alle nicht: Zwar würden die meisten Geflüchtete den praktischen Teil der Prüfung gut absolvieren, sagt Michaela Schmidt, Abteilungsleiterin bei der Handwerkskammer Ostbrandenburg. "Aber in der Theorie bestehen dann die Probleme, dass die Fragen nicht verstanden werden. Es kommt dann meistens dazu, dass die Prüfung wiederholt werden muss."
Der 22-jährige Homsy hat in den vergangenen Jahren viel Unterstützung von seinem Arbeitgeber bekommen: Der Eberswalder Meister und Optometrist René Hoffmann finanzierte vor allem die Meisterausbildung mit. Bei ihm begann Homsy drei Jahre nach seiner Flucht eine Lehre. Eigentlich hatte er genügend Azubis, doch er sei das Wagnis eingegangen und habe es keinen Tag bereut, sagt sein heutiger Chef. 2021 folgte die Meisterausbildung in der Nähe von Düsseldorf.
"Er ist sehr fleißig und bodenständig und ich hoffe, dass er noch lange bodenständig bleibt", sagt Hoffmann über den 22-Jährigen. "Er ist interessiert an der Augenoptik und den medizinischen Hintergründen, er ist ein Teamplayer. Er ist einfach ein wunderbarer Mensch."
Homsy ist aber noch lange nicht fertig: Parallel zur Meisterschule fing er an, Optometrie zu studieren. Spätestens in zwei Jahren wolle er den Bachelor-Abschluss machen, sagt der 22-Jährige. Optometristen können Screeningtests durchführen, Augenkrankheiten erkennen und damit dem Augenarzt zuarbeiten.
"Überall bei den Augenärzten ist es voll und man kriegt kaum Termine", sagt Homsy. "Wir sind diejenigen, die dann alles vorher fertig machen und nach auffällig und unauffällig filtern", so der Syrer. "Das ist mein Ziel."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 17.04.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Michael Lietz
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