Suche nach Immobilien
Von Oktober bis April richtet die Berliner Kältehilfe Notunterkünfte für Obdachlose ein. Jetzt schlagen der Verein und die Wohlfahrtsverbände jedoch Alarm: In der Hauptstadt finden sich immer weniger geeignete Flächen und Immobilien. Von Marcus Latton
In der Wustrower Straße 18 in Hohenschönhausen hätte es fast geklappt. Umgeben von Plattenbausiedlung befindet sich hier in zweistöckiger Flachbau aus DDR-Zeiten. Im Erdgeschoss verkauft ein vietnamesischer Kiosk Blumen, Schokolade und Geschenkartikel. Nebenan verteilt die Berliner Tiertafel für bedürftige Hunde- und Katzenhalter Futterkonserven. Doch das Stockwerk darüber – ein ehemaliger Jugendclub – steht leer. Die beheizten Räume könnten ohne viel Fantasie mit Betten ausgestattet werden und im Winter Platz für Obdachlose bieten. Platz, den die Berliner Kältehilfe immer verzweifelter sucht.
"Wir haben, was die Räumlichkeiten betrifft, sehr geringe Ansprüche", sagt Jens Aldag, Leiter der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe. Bei der Besichtigung des Objekts in der Wustrower Straße im vergangenen Herbst habe man einen guten Eindruck gehabt, so Aldag. Doch die Berliner Immobilienmanagement GmbH (Bim), die der Kältehilfe die Räume vermittelt hatte, teilte gleichzeitig mit: Die Leitungen und Verbindungen in dem Haus müssten grunderneuert werden, bevor man Menschen dort beherbergen könnte. Nötige Investitionskosten: eine Million Euro.
Die anderen Gebäude, die die Bim der Kältehilfe angeboten hat, wären laut Aldag als Notunterkünfte nicht geeignet gewesen. Marode, unzureichende Sanitäranlagen, ungeeignet für Rollstuhlfahrer.
Die Berliner Kältehilfe sorgt seit 1989 dafür, dass Obdachlose im Winter nicht auf der Straße übernachten müssen. Ein Verbund von Kirchen, dem Land Berlin, dem Sozialdienst Gebewo und einer Reihe von Wohlfahrtsverbänden (unter anderem Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie) sind an dem Projekt beteiligt.
Aldag sagt, es sei schwieriger geworden, Fachpersonal und freiwillige Helfer zu finden. Die Finanzierung sei ohnehin prekär. Dass sich nun immer weniger Orte für Notunterkünfte finden, stimmt Aldag pessimistisch. Zumal die Zahl der Obdachlosen in Berlin steige. "Für den nächsten Winter sehen wir schwarz, weil es immer weniger Plätze gibt und die Akquise ein Problem ist."
Die Liga Berlin - eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus den Berliner Ablegern von sechs freien Wohlfahrtsverbänden [ligaberlin.de] - sieht enorme Probleme aufziehen: Nicht nur fehlen geeignete Gebäude. Auch die Verdrängung der Obdachlosenunterkünfte an den Stadtrand stelle ein zunehmendes Problem dar. In einem Bürogebäude in Wilmersdorf konnten im vergangenen Dezember 150 Menschen notuntergebracht werden. Ohne diesen glücklichen Umstand hätte es für diese Menschen im Winter 2023/24 kein Obdach gegeben, so Liga Berlin.
Andrea Asch sitzt im Vorstand des Diakonischen Werks und hält die Liga-Federführung für 2023 und 2024 inne. Sie sagt, bei der Suche nach Notunterkünften gehe es nicht nur um die Kältehilfe. Schließlich habe der schwarz-rote Senat in Berlin das Ziel ausgerufen, die Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030 zu beenden. Doch die Immobilien, die die Bim für Unterkünfte anbietet, seien in einem zu schlechten Zustand. "Als freie Träger können wir die nötigen Investitionen in diese Objekte nicht leisten", so Asch. Das Land sei hier in der Pflicht die Gebäude wieder instand zu setzen.
Sie kritisiert, dass die sogenannte "Gesamtstädtische Planung zur Unterbringung wohnungsloser Menschen" (GSTU)nicht funktioniere. 2017 wurde dieser Zusammenschluss vom Land Berlin, den Bezirken und der Bim ins Leben gerufen, um die Suche nach passenden Gebäuden besser zu koordinieren. Passiert sei bisher wenig.
Die zuständige Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales räumt auf Anfrage ein, dass die Suche nach geeigneten Immobilien schwierig sei. Dass sich manche Räumlichkeiten als unbrauchbar erweisen, stelle sich oft erst bei einer Vorortbesichtigung heraus. Die GSTU diene allerdings nicht der Steuerung der niedrigschwelligen Angebote der Kältehilfe, hieß es. Zudem hätten sich die Befürchtungen der Wohlfahrtsverbände, wonach im vergangenen Winter 400 Plätze in der Kältehilfe hätten fehlen können, nicht bewahrheitet. Trotz der angespannten Immobiliensituation sei es gelungen, auch in dieser Saison ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen.
Jens Aldag von der Kältehilfe hat indes noch einen anderen Wunsch: "Wir würden uns freuen, wenn sich Privatanbieter an uns wenden, die sanierungsbedingt eine freistehende Immobilie haben." Schließlich dauere es manchmal zwei bis drei Jahre, bis Sanierungen abgeschlossen sind – mit einer Zwischennutzung als Obdachlosenunterkunft könnten Synergieeffekte geschaffen werden, findet er.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.04.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Marcus Latton
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